NPD – Nicht potente Demokratiehasser
Die NPD wurde vom Bundesverfassungsgericht nicht verboten. Das mag man bedauern, aber es ist aktuell eine richtige Entscheidung. Und eine deutliche Warnung für andere Antidemokraten.
Foto: Thomas Witzgall (Endstation Rechts)
Das war ein feines Durcheinander am letzten Dienstag. Für Minuten hätte man glauben können, das Bundesverfassungsgericht habe die NPD verboten. So meldeten es verschiedene Online-Dienste. Offenbar war die Hoffnung auf ein Verbot so groß, dass man nicht abwarten wollte, bis das Gericht seine Entscheidung zu Ende verkündet hatte. Stattdessen wurde die übliche Verlesung des Verbotsantrages bereits für die Entscheidung des Gerichts gehalten. Das ist gerade für große Onlinemedien wie SPIEGEL-Online hochgradig peinlich.
Es ist aber leider nicht ungewöhnlich, dass Gerichtsberichterstattung von mangelnder Qualität ist. Offenbar fehlt es vielen Gerichtsberichterstattern vor Ort und in den Redaktionen an juristischen Qualitäten und an der ohnehin nicht weit verbreiteten Fähigkeit, erst einmal zuzuhören, bevor man etwas durch die Gegend trötet. Das erlebt man immer wieder und allzu oft bleibt das sogar unkorrigiert.
Das Bundesverfassungsgericht hat die NPD nicht verboten und das ist auch gut so. Das Bundesverfassungsgericht entscheidet alleine aufgrund der Verfassung und nicht aufgrund außerhalb der Verfassung liegender Umstände.
Für ein Parteiverbot müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Das Gericht hat in seiner umfangreichen, fast 300 Seiten langen Entscheidung deutlich gemacht, dass die NPD zwar fast alle dieser Voraussetzungen problemlos erfüllt, das aber eben nicht ausreicht, um sie zu verbieten. Jedenfalls noch nicht.
Klar verfassungsfeindlich
So hat das Gericht festgestellt, dass das politische Konzept der NPD auf die Beseitigung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung gerichtet ist. Es hat weiter festgestellt, dass der von der NPD vertretene Volksbegriff die Menschenwürde verletzt, weil er den sich hieraus ergebenden Achtungsanspruch der Person negiert und zur Verweigerung elementarer Rechtsgleichheit für alle die führt, die nicht der ethnisch definierten Volksgemeinschaft in diesem Sinne angehören.
Das Gericht stellte weiter fest, dass die NPD die freiheitlich-demokratische Grundordnung auch mit Blick auf das Demokratieprinzip missachtet, weil in ihrem Konzept von “Einheit von Volk und Staat” kein Raum für eine Beteiligung ethnisch Nichtdeutscher an der politischen Willensbildung verbleibt.
Auch das Ziel der Abschaffung des bestehenden parlamentarisch repräsentativen Systems und seine Ersetzung durch einen am Prinzip der „!Volksgemeinschaft“ orientierten Nationalstaat stufte das Verfassungsgericht als verfassungsfeindlich ein.
Zusätzlich wird eine Wesensverwandtschaft der NPD mit dem Nationalsozialismus festgestellt. Vielmehr verfassungsfeindlich geht kaum. Warum dann trotzdem kein Verbot?
Art. 21 Abs. 2 GG
Dass das Gericht dennoch kein Verbot der NPD ausgesprochen hat, ist lediglich darauf zurückzuführen, dass das “darauf ausgehen” im Sinne von Artikel 21 Abs. 2 Satz 1 GG nicht erfüllt ist. In dem Artikel heißt es:
(2) Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig.
So bekennt die NPD sich zwar zu ihren gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichteten Zielen und arbeitet auch planvoll an deren Erreichung, sodass ihr Handeln aus Sicht des Gerichts als qualifizierte Vorbereitung der von ihr angestrebten Beseitigung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung angesehen werden könne, es fehle jedoch an konkreten Anhaltspunkten von Gewicht, die eine Durchsetzung der von ihr verfolgten verfassungsfeindlichen Ziele möglich erscheinen ließen.
Auf gut deutsch heißt das, die NPD ist zwar eine extrem verfassungsfeindliche Partei, ihr fehlt aber das konkrete Gefahrenpotential, das zur Durchsetzung der verfassungsfeindlichen Ziele und damit für ein Verbot erforderlich ist.
Diese Begründung stieß nicht nur bei den Antragstellern auf Kritik und Unverständnis, sondern auch beim Zentralrat der Juden, dessen Ratspräsident Josef Schuster kommentierte:
Für die jüdische Gemeinschaft und andere Minderheiten sowie all jene, die nicht in das Weltbild dieser Partei passen, wäre ein Verbot sehr wichtig und ermutigend gewesen.
Diese enttäuschte Reaktion ist zwar verständlich, ändert aber nichts daran, dass die Entscheidung des BVerfGs richtig ist.
Das Bundesverfassungsgericht hat deutlich gemacht:
Das Parteiverbot erfordert ein „Ausgehen“ auf die Beeinträchtigung oder Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Es ist kein Gesinnungs- oder Weltanschauungsverbot. Vielmehr muss die Partei über das Bekennen ihrer verfassungsfeindlichen Ziele hinaus die Grenze zum Bekämpfen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung überschreiten. Dies setzt voraus, dass sie sich durch aktives und planvolles Handeln für ihre Ziele einsetzt und auf die Beeinträchtigung oder Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung hinwirkt. Nicht erforderlich ist, dass das Handeln der Partei zu einer konkreten Gefahr für die Schutzgüter des Art. 21 Abs. 2 Satz 1 GG führt. Es müssen jedoch konkrete Anhaltspunkte von Gewicht vorliegen, die es zumindest möglich erscheinen lassen, dass das Handeln der Partei erfolgreich sein kann (Potentialität).
Ja, es eben geht nicht darum, eine Gesinnung oder eine Weltanschauung zu verbieten, egal wie eklig einem die auch erscheinen mag oder wie widerlich sie auch ist. Das macht ja gerade die Stärke einer freiheitlich demokratischen Ordnung im Gegensatz zu autoritären Regimen aus. Jeder darf seine Meinung haben, diese in den Grenzen der Strafgesetze auch äußern und sich mit Anderen, die der gleichen Meinung sind, in einer Partei organisieren. Das gilt auch für erklärte Verfassungsfeinde. Man mag das bedauern, was angesichts der Widerwärtigkeit der NPD verständlich ist, es ist aber genau das, was die Stärke der freiheitlichen Demokratie ausmacht. Das ist kein Zeichen von Schwäche, es ist genau das Gegenteil.
Wenn Heribert Prantl in der Süddeutschen Zeitung meint,
Die NPD hätte verboten werden müssen – nicht obwohl sie derzeit sehr klein und bei Wahlen unbedeutend ist, sondern gerade deswegen. Niemand hätte beim Verbot behaupten können, dass da eine Art Konkurrentenschutz für die anderen Parteien betrieben wird. An einer kleinen, zerstrittenen, aber bösartigen Partei hätte gezeigt werden können, dass es eine Linie gibt, die eine Partei, ob klein oder groß, nicht überschreiten kann, ohne das Parteienprivileg zu verlieren.
begibt er sich auf verfassungsrechtlich vermintes Terrain. Es ist eben nicht nur die pure Bösartigkeit einer Partei, die zum Parteiverbot führt, sondern konkrete Anhaltspunkte von Gewicht, die die Möglichkeit eines erfolgreichen Handelns erscheinen lassen. Es fehlt der NPD schlicht an der Potenz für eine Vergewaltigung des demokratischen Rechtsstaates. Ihr Pimmel ist zu klein und zu schlaff, und dass der noch mal wachsen und hart werden würde, hält das Gericht bei dieser Partei für ausgeschlossen. Lächerlicher kann man diese vor Adrenalin strotzende Partei eingebildet starker Männer kaum machen. Flink wie Schildkröten, zäh wie Blätterteig, hart wie Marshmallows,.
Das bedeutet selbstverständlich nicht – wie die NPD selbst meint –
Die Nationaldemokraten sind nun die einzige höchstrichterlich bestätigte Partei in Deutschland.
Bestätigt wurde nur, dass sie verfassungsfeindlich, aber zu mickrig ist, um ihre angestrebten Ziele zu erreichen. Das bedeutet übrigens auch nicht, wie einige befürchten, dass eine Partei bereits eine konkrete Gefahr für den Rechtsstaat sein muss, um sie zu verbieten. Man muss nicht bis zur Machtergreifung warten, wenn es eh schon zu spät wäre, ein Verbot durchzusetzen. Es bedeutet nur, dass die Durchsetzung der Parteiziele überhaupt grundsätzlich möglich erscheint.
Gründliche Prüfung
Das Gericht hat sich – wie in der Begründung nachzulesen ist – sehr gründlich mit allen dazu vorgetragenen Aspekten beschäftigt und ist dann zu dem einstimmigen Schluss gekommen, dass für diese braune Giftzwergenpartei eine solche Möglichkeit ausgeschlossen erscheint. Sollte sich daran irgendwann einmal etwas ändern, was angesichts der Sogwirkung anderer rechter Alternativen für Denkgestörte eher unwahrscheinlich ist, kann die NPD selbstverständlich immer noch verboten werden. Die Basis dafür steht schon in der Entscheidung. Das kann dann auch ganz flink gehen.
Bis dahin ist es Aufgabe der Exekutive, Gefahren, die von der NPD, ihren Mitgliedern, Anhängern oder sonstigen Verfassungsfeinden ausgehen, wirksam zu bekämpfen. Das Bundesverfassungsgericht sieht diese Gefahren sehr wohl und gibt nicht zuletzt dem erfolglosen Antragsteller Bundesrat mit auf den Weg was zu tun ist:
Der Umstand, dass die NPD durch einschüchterndes oder kriminelles Verhalten von Mitgliedern und Anhängern punktuell eine nachvollziehbare Besorgnis um die Freiheit des politischen Prozesses oder gar Angst vor gewalttätigen Übergriffen auszulösen vermag, ist nicht zu verkennen, erreicht aber die durch Art. 21 Abs. 2 GG markierte Schwelle nicht. Auf Einschüchterung und Bedrohung sowie den Aufbau von Gewaltpotentialen muss mit den Mitteln des präventiven Polizeirechts und des repressiven Strafrechts rechtzeitig und umfassend reagiert werden, um die Freiheit des politischen Prozesses ebenso wie einzelne vom Verhalten der NPD Betroffene wirkungsvoll zu schützen.
Augenklappen ab!
Rechtzeitig und umfassend. Daran hat es bisher offenbar auch aus Sicht der höchsten deutschen Richter gemangelt, denn dass es diese einzelnen Bedrohungen durchaus gibt, hat das Gericht am Beispiel des Dorfes Jamel bei Wismar nicht übersehen.
Insgesamt besteht kein Zweifel, dass es sich bei Jamel um einen durch rechtsextremes Denken geprägten Ort handelt. Allerdings liegt insoweit ein auf wenige Personen begrenzter, singulärer Sonderfall vor. Eine Übertragbarkeit der Verhältnisse in Jamel auf andere, insbesondere größere Ortschaften ist – wie auch der Sachverständige Prof. Jesse in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat – nicht möglich. Daher ergibt sich – ungeachtet der Frage, inwieweit die Verhältnisse in Jamel der Antragsgegnerin zugerechnet werden können – hieraus kein ausreichender Beleg für die Möglichkeit der Antragsgegnerin, ihre verfassungsfeindlichen Ziele durch die Errichtung von Dominanzzonen in abgegrenzten Sozialräumen durchzusetzen.
Es ist Sache der Exekutive die Menschen in Jamel vor Übergriffen zu beschützen. Wo es rechte Augenklappen bei den Verfassungsschützern und der Polizei gibt, sind diese jetzt umgehend abzunehmen. Dienste sollen die rechte Szene nicht wohlwollend begleiten oder gar indirekt finanzieren, sondern ganz genau hinsehen und frühzeitig im Rahmen der Gefahrenabwehr handeln. Das muss auch intern gelten.
Sollten die Bundesländer und insbesondere die Innenminister geglaubt haben, mit einem NPD-Verbot lasse sich der Hass, die Bedrohungen oder gar das nationalsozialistische Gedankengut aus der Welt zaubern, wäre das naiv gewesen. Das gab es schon immer und es wird Generationen dauern, bis es einmal verschwindet, falls überhaupt. Man muss sich nur im Ausland umsehen. „Make irgendwen oder was great again“ ist kein speziell deutsches Phänomen. Nationalismus ist gerade sexy. Und es ist auch nicht nur ein Problem einer einzigen Partei oder nur eines ganz extremen Randes der Gesellschaft. Dieses Gedankengut wabert bereits in Richtung Mitte der Gesellschaft.
Ein Verbot hätte zwar zu einer Auflösung der NPD als Partei geführt, aber nicht zu einem Verschwinden ihrer Mitglieder, Anhänger oder Wähler. Die hätten je nach Naturell den Weg zu anderen Parteien oder in radikale Kleingruppen gesucht, wären damit aber eher gefährlicher geworden. So kann man sie weiter im Rudel beobachten und im Falle einer unerwarteten Potenzsteigerung einen neuen Verbotsantrag stellen.
Das Urteil zieht auch die klare rote Linie für andere Parteien, die verfassungsfeindliche, rassistische, antisemitische oder antidemokratische Ziele verfolgen und möglicherweise eher zu deren Verwirklichung in der Lage sein könnten.
Wer das Urteil als Startschuss für eine neue Stufe der Radikalisierung von Sprache und Tat verstanden hat, hat den Schuss falsch interpretiert. Es ist ein lauter Warnschuss, den auch die Partei des „Geschichtsleerers“ verstanden haben sollte. Das bisherige Spielchen, dass radikale Tabubrüche von einzelnen Parteimitgliedern nur ein bisschen zerredet oder relativiert werden, zieht auch bei anderen Parteien künftig nicht mehr. Deren Äußerungen werden der jeweiligen Partei zugerechnet, wenn sie sich nicht schnell und klar davon distanziert.
Solange die Antragsgegnerin sich von Äußerungen ihrer Funktionäre oder der Führungskräfte ihrer Teilorganisationen nicht in einem zeitlich engen Zusammenhang ausdrücklich distanziert oder Ordnungsmaßnahmen ergriffen hat, wofür nichts vorgetragen ist, muss sie sich diese zurechnen lassen.
Da hat Karlsruhe schon mal den Ausgang gezeigt.
Die Kostenentscheidung
Ein echtes Schmankerl am Ende des Urteils ist die Kostenentscheidung. Die NPD bleibt komplett auf den Kosten ihrer Anwälte sitzen.
Die Entscheidung über die Nichterstattung der notwendigen Auslagen der Antragsgegnerin beruht auf § 34a Abs. 3 BverfGG. Danach kommt eine Auslagenerstattung im Parteiverbotsverfahren nur ausnahmsweise in Betracht, wenn besondere Billigkeitsgründe vorliegen (vgl. BVerfGE 20, 119 <133 f.>; 49, 70 <89>; 96, 66 <67>; 110, 407 <409>). Solche Gründe sind hier nicht ersichtlich. Zwar hat das Verfahren im Ergebnis nicht zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit der Antragsgegnerin geführt. Entgegen ihrer Auffassung standen dem Verfahren aber weder unüberwindliche Verfahrenshindernisse noch sonstige Zulässigkeitserfordernisse entgegen. Nach der materiellen Prozesslage war festzustellen, dass das Handeln der Antragsgegnerin planmäßig auf die Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gerichtet ist und ihm lediglich wegen mangelnder Potentialität die Qualität eines „Darauf Ausgehens“ im Sinne des Art. 21 Abs. 2 Satz 1 GG fehlt. Daher ist eine Auslagenerstattung trotz des im Ergebnis erfolglosen Verbotsantrags nicht angezeigt.
So sehen Sieger aus?
NPD-Anwalt Peter Richter Foto: Thomas Witzgall (Endstation Rechts)
Sieg? Ach was.
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