Einbruch – Alle Jahre wieder

Alle Jahre wieder treten die Innenminister wortgewaltig an, den Wohnungseinbruch zu bekämpfen. Bisher reichlich erfolglos. Und das wird wohl auch so bleiben. Das Geschäft boomt wie nie und die Aufklärungsquoten sind lächerlich.


Die Täter kamen an Heiligabend. Sie warteten offenbar geduldig, bis wir zur Christmette unterwegs waren. Meine Eltern sangen im Kirchenchor, der Rest der Familie war auch da. Niemand zuhause. Nach der Messe ging es die paar hundert Meter zurück ins traute Heim. An der Haustür bemerkten wir einen starken Luftzug. Hatten wir vergessen, ein Fenster zu schließen? Im Wohnzimmer dann die Bescherung. Leider keine schöne. Alle Geschenke waren weg, sämtliche Schubladen aus den Schränken gerissen. Im Schlafzimmer dasselbe. Alles was irgendwie wertvoll und leicht zu transportieren war: weg. Der Rest lag über den gesamten Boden verstreut.

Alles Gute kommt von oben

Da das Haus eigentlich ganz gut gesichert war, waren die Täter mit einer Leiter auf das Dach gestiegen, hatten dieses ca. einen Quadratmeter breit abgedeckt und waren dann über den Dachstuhl ins Haus gelangt. Die Tür zwischen Dachstuhl und erster Etage hatten sie gewaltsam nach unten getreten. Aus dem Haus gingen sie über die von innen geöffnete Balkontür. Zurück blieben meine völlig schockierten Eltern und eine dauerhafte Verängstigung. Der materielle Schaden war überschaubar und wurde von der Versicherung getragen. Der psychische Schaden war der größere und nicht wiedergutzumachen. Die anrückende Polizei lief zunächst einmal durch die vorher gut sichtbaren Fußspuren im Schnee, versaute also die Spuren und machte sofort  keine Hoffnung auf eine Ergreifung der Täter, machte allerdings auch keine besonderen Anstrengungen, diese noch am selben Abend zu schnappen.

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Das war’s.

Nie mehr sicher

Natürlich hätten wir uns gewünscht, dass die Täter ermittelt und dann auch bestraft worden wären. Die Wahrscheinlichkeit war aber schon damals gering. Das ganze geschah vor rund 20 Jahren, aber für meine Mutter ist das Sicherheitsgefühl im eigenen Haus nie mehr so gewesen wie zuvor.

Wie fies Einbruchsdiebstähle für die Betroffenen sind, ist nichts Neues. Dass die Täter nur selten ermittelt werden, auch nicht.

Nun meinen die Innenminister mal wieder, man könne die Einbruchszahlen verringern, indem man das gesetzliche Strafmaß erhöht bzw. minder schwere Fälle wegfallen lässt. Der Wohnungseinbruchdiebstahl ist neben anderen besonderen Diebstahlsformen in § 244 StGB geregelt:

§ 244
Diebstahl mit Waffen; Bandendiebstahl; Wohnungseinbruchdiebstahl

(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer

1. einen Diebstahl begeht, bei dem er oder ein anderer Beteiligter
a) eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
b) sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden,
2. als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds stiehlt oder
3. einen Diebstahl begeht, bei dem er zur Ausführung der Tat in eine Wohnung einbricht, einsteigt, mit einem falschen Schlüssel oder einem anderen nicht zur ordnungsmäßigen Öffnung bestimmten Werkzeug eindringt oder sich in der Wohnung verborgen hält.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

(4) In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 2 ist § 73d anzuwenden.

Streicht man, wie nun geplant, den in Absatz 3 geregelten minder schweren Fall komplett weg, dann liegt die künftige Mindeststrafe bei 6 Monaten. Eine Geldstrafe ist beim § 244 StGB ohnehin nicht mehr möglich.

Immer feste druff

Die CDU möchte die Mindeststrafe sogar auf 1 Jahr anheben. Der Bundesinnenminister, ein ausgewiesener Freund gesetzlicher Härte, meinte bei der Innenministerkonferenz

Ich würde gerne erreichen, dass die Mindeststrafe auf ein Jahr festgelegt wird

Wer nun aber glaubt, dass durch eine Erhöhung des gesetzlichen Strafmaßes auch nur ein einziger Einbruch weniger begangen würde, der unterliegt einem von den Ministern wohl erwünschten Irrglauben. Das Problem bei den Einbruchsdelikten ist sicher nicht das Strafmaß, das reicht auch jetzt schon bis zu 10 Jahren, es ist ganz einfach die traditionell miserable Aufklärungsquote.

Ich habe vor rund 25 Jahren einmal einen wirklich netten deutschen Berufseinbrecher vertreten, der tatsächlich jeden späten Nachmittag bis in die Nacht auf Einbruchstour ging und so im wahrsten Sinne des Wortes sein tägliches Brot mit nach Hause brachte. Er stahl meistens Lebensmittel und Alkoholika, aber auch Bargeld. An anderen Gegenständen war er nicht interessiert. Als er Vater wurde, brachte er auch regelmäßig gestohlene Pampers mit oder auch Babynahrung und Kuscheltiere. Als er dann wegen einer Tat einmal zu einer aus meiner Sicht zu langen Freiheitsstrafe verurteilt wurde, die in der Rechtsmittelinstanz vermutlich deutlich niedriger ausgefallen wäre, meinte er lakonisch, er verzichte auf Rechtsmittel. Auf mein erstaunt fragendes Gesicht hin sagte er.

Unterm Strich bin ich mit ein paar Stunden pro Einbruch doch bisher prima weggekommen.

Grob geschätzt hatte der bis zu seiner ersten Verurteilung schon um die 100 Einbrüche begangen. Nach der Haftstrafe hatte er seine Methoden noch etwas verfeinert und fiel, soweit ich weiß, nur noch zweimal auf. Und wenn er nicht gestorben ist, dann macht er das noch heute.

…,sie hätten ihn denn

Die gesetzliche Strafdrohung war dem völlig egal, weil er – wie die meisten Einbrecher – nicht davon ausging, erwischt zu werden. Diese Gewissheit stieg mit jedem erfolgreichen Bruch. Und die Statistik gibt ihm Recht.

Die Aufklärungsquote bei Einbrüchen lag noch nie besonders hoch. Heute liegt sie bei mageren 15%. Der Einbrecher hat also eine Chance von 85/15 nicht erwischt zu werden. Da liegt das Problem. Nicht in der Strafdrohung.

Angesichts des über den finanziellen Schaden weit hinaus gehenden psychischen Schaden, den ein Wohnungseinbrecher auslösen kann – das ist auch nicht bei jedem so – wäre gegen eine erhöhte Mindeststrafe von 6 Monaten nicht wirklich viel einzuwenden. Andererseits würde der Wegfall des minder schweren Falles vermutlich aber auch zu Ungerechtigkeiten führen. Das soll hier nicht das Thema sein.

Homöopathische Mittel

Strafdrohungen werden von Politikern, insbesondere Innen- und Justizministern, immer wieder gerne genommen, um Aktivität zu simulieren und den Harten zu mimen. Sie kennen das ja auch schon zu Genüge, volle Härte des Gesetzes, Abschreckung, Sicherheit zuerst und all der andere wohlfeile Laber. Das sind nur homöopathische – also wirkungslose – Maßnahmen statt wirksamer Medizin.

Bevor Herr Wendt jetzt wieder rumkrakeelt und der Kuscheljustiz die Schuld gibt, die ist es eher nicht. Es auch nicht die Polizei, auch wenn deren auch offen kommunizierte Unlust bei der Ermittlung von Einbruchsdiebstählen nicht so gut rüberkommt. Die Polizei hat einfach nicht genügend Personal um in diesem Bereich ernsthaft zu ermitteln, weshalb sie stattdessen die Wohnungseinbrüche mehr oder weniger „verwaltet“.

Es sind dieselben Herren Innenminister, die jetzt mal wieder nach Law and Order und knackigen Strafen rufen, die aber erstaunlicherweise seit Jahren immer wieder versäumen, der Polizei genügend Personal zu geben. Der Polizist auf der Straße, die Streife, der Fahrradpolizist, der Wachmann op der Eck – das wären die besten Mittel, um Einbrecher abzuschrecken. Aber die kosten Geld. Die sinnlose Veränderung einer Strafdrohung kostet nichts, bringt aber auch nichts.

Verbrechen statt Vergehen

Wenn De Maizière und die CDU eine Mindeststrafe von einem Jahr fordern, dann hat das auch noch einen anderen Zweck. Ab einer Mindeststrafe von einem Jahr ändert sich die Deliktsqualität von einem Vergehen zu einem Verbrechen. Verfahrenseinstellungen wären dann nicht mehr möglich. Es würde vielleicht unterm Strich härter bestraft, aber eben kein einziger Einbruch verhindert. Die Anwälte bekämen mehr Arbeit, denn dann wäre jeder Wohnungseinbruch ein Fall für eine Pflichtverteidigung. So hat es auch was Gutes. Für mich jedenfalls.

Volker Kauder forderte zudem für die CDU

den Wohnungseinbruch in den Katalog der Straftaten aufnehmen, bei denen grundsätzlich Telekommunikationsüberwachung möglich ist, um die Verdächtigen leichter überführen zu können.

Denn

Das sind vielfach straff organisierte Banden, die da unterwegs sind – der Staat muss ihnen mit Härte begegnen.

 

Härte? Ach was

Naja. „Mit Härte“ gehört halt zum üblichen Wahlkampf-Theater powered by and against AfD. Ein wenig mehr Überwachung wird immer gerne genommen. Wofür auch immer. Dass damit wirklich Einbrüche verhindert oder auch nur aufgeklärt werden, ist fraglich. Der drogenabhängige Einzeltäter wird wohl kaum am Telefon seinen Einbruch ankündigen oder hinterher darüber bei seinen Kumpels schwärmen und die modernen Banden nutzen Kommunikationswege, die für die Behörden kaum zu knacken und für die Innenminister Neuland sind. Den Profibanden ist auch reichlich egal, wenn sie ein paar Indianer verlieren. Die Häuptlinge kratzt das wenig. Die haben genügend Nachwuchs. Die meist aus Osteuropa stammenden Banden sind straff geführt. Wer glaubt, er könne einen von den gefassten Tätern zum Auspacken bewegen, ist auf dem Holzweg. Die sitzen brav ihre Strafe ab und werden dann fürstlich entschädigt. Die sind ja nicht lebensmüde.  Es ist nicht nur bei Rockerbanden und beim FC Bayern so, dass derjenige, der geduldig seine Strafe abgesessen hat, in der Hierarchie eine Stufe höher wieder einsteigt. Wer daran was ändern will, der muss Geld in die Hand nehmen. Sehr viel Geld.

Money money money

André Schulz, Chef des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK) hat es so ausgedrückt:

Politiker kennen sämtliche Konzepte, wie sich der Wohnungseinbruch zielführender bekämpfen ließe. Alle diese Maßnahmen würden aber Geld kosten

Wäre ja nett, wenn man tatsächlich einmal in die Strukturen der organisierten Kriminalität eindringen wollte und würde. Ich möchte aber gar nicht wissen, mit wie vielen der Häuptlinge der ein oder andere Politiker schon an einem Tisch gesessen hat, ohne auch nur einen Schimmer davon zu haben, dass er Gast eines Schwerkriminellen ist. Im OK-Bereich geht es um Milliarden, es geht um das ganz große Geld. Da darf man leider schon erwarten, dass die eher ihre Informanten bei der Polizei und den Diensten platzieren, als umgekehrt.

Die Gesetzesänderungen werden wohl angesichts der neuen großen Einigkeit der Parteien stattfinden. Ob die ebenfalls geforderten Einstellungen von Polizisten dann auch noch zustande kommen, werden wir sehen. So richtig glaube ich nicht daran. Und so wird es auch nächstes Jahr bei der Innenministerkonferenz wieder starke Worte gegen den Wohnungseinbruch geben. Es ist ja auch schon eine Art voradventliche Tradition.

P.S.: Weihnachten wacht bei uns jetzt immer mindestens ein Mensch und ein großer dicker Hund. Hunde mögen die Einbrecher nicht. Die bellen zu laut.

Heinrich Schmitz

Heinrich Schmitz ist Rechtsanwalt, Strafverteidiger und Blogger. In seiner Kolumne "Recht klar" erklärt er rechtlich interessante Sachverhalte allgemeinverständlich und unterhaltsam. Außerdem kommentiert er Bücher, TV-Sendungen und alles was ihn interessiert- und das ist so einiges. Nach einer mit seinen Freital/Heidenau-Kolumnen zusammenhängenden Swatting-Attacke gegen ihn und seine Familie hat er im August 2015 eine Kapitulationserklärung abgegeben, die auf bundesweites Medienecho stieß. Seit dem schreibt er keine explizit politische Kolumnen gegen Rechtsextreme mehr. Sein Hauptthema ist das Grundgesetz, die Menschenrechte und deren Gefährdung aus verschiedenen Richtungen.

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