Lasst den Weihnachtsbaum im (Düssel-)Dorf!

Die Düsseldorfer Grünen wollen keinen Weihnachtsbaum vor dem Rathaus, der Oberbürgermeister kauft trotzdem einen. Was nach Provinzposse klingt, könnte uns einen Grund dafür aufzeigen, warum manche Menschen den Glauben an die Bürgernähe der Politik verloren haben.


Es gibt Neues aus der spaßbefreiten Politikzone. Nach dem die Grüne Jugend den Fußballfans während der Europameisterschaft die Nationalfarben quasi verbieten wollte, machen nun Düsseldorfer Kommunalpolitiker gegen die Weihnachtstanne mobil, die jedes Jahr in der Adventszeit vor dem Rathaus aufgestellt wird. Die Tradition sei nicht mehr zeitgemäß, erklärte der Fraktionschef der Grünen im Stadtrat. Es müsse nicht extra in der Weihnachtszeit ein Baum gefällt werden, um die Landeshauptstadt zu verschönern. Besser sei es, irgendwo am Rhein eine „lebendige Tanne“ zu schmücken.

Nun scheint der Düsseldorfer Oberbürgermeister Thomas Geisels (SPD) ein vernünftiger Mann zu sein. Nachdem die norwegische Partnerstadt Lillehammer in diesem Jahr als Sponsor ausfiel, bestellte er – ohne viel Federlesens daraus zu machen – eine Tanne aus der Region. Auch die örtliche CDU sprach sich dafür aus, nicht an einer lieb gewonnen Tradition zu rütteln. Grund genug, den Vorstoß als Posse aus den Untiefen der Kommunalpolitik abzutun.

Tradition soll geschleift werden

Nur wundert man sich in diesen Tagen darüber, wieso und warum überall in der westlichen Welt Strömungen, die als populistisch oder rechtspopulistisch bezeichnet werden, derart erfolgreich sein können. Die Episode aus Düsseldorf könnte einen Teil der Antwort darauf geben. Erinnert es doch an Bevormundung, wenn eine Minderheit, im konkreten Fall auch ohne jede Not, einer Mehrheit ihre Vorstellungen aufzwingen will – und dabei keine Rücksicht auf bewährtes Brauchtum und tief sitzende Emotionen nimmt.

Mir erscheint es zudem ziemlich anmaßend, wenn ein Kommunalpolitiker per Ukas erklärt, welche Traditionen zeitgemäß sein sollen und welche nicht. Mit Verlaub, das entscheiden immer noch die Menschen, die sich an einer Tradition erwärmen können oder eben nicht. Orte, an denen so etwas von oben festgelegt wird, liegen normalerweise nicht in unseren Breiten. In Nordkorea beispielsweise soll so etwas ein jungenhafter Diktator bestimmen, in der Islamischen Republik Iran ein Gremium namens Wächterrat.

Auch private Haushalte haben Weihnachtsbäume

Dabei haben Traditionen einen Wert an sich, der sich nicht in Euro und Cent – und auch nicht in Prozenten einer Ökobilanz – berechnen lässt. Diese Traditionen geben dem Alltag einen Rahmen, schaffen Momente der Identifikation und sorgen für ein Gefühl von Heimat und Geborgenheit. Letzten Endes stärken sie sogar den gesellschaftlichen Zusammenhalt. So erinnere ich mich beispielsweise mein Leben lang daran, als ich zum ersten Mal den großen Weihnachtsbaum vor dem Frankfurter Rathaus gesehen habe. Vielen Kindern dürfte es heute noch ähnlich gehen. Deswegen zieht es viele Familien Jahr für Jahr dorthin.

Schon in der Bibel steht: Bei allem, was du tust, bedenke das Ende. Und denkt man den Düsseldorfer Vorstoß zu Ende, fragt man sich schon, ob nach der Rathaustanne auch all die Weihnachtsbäume ins Visier genommen werden sollen, die Jahr für Jahr in Millionen von Haushalten aufgestellt werden. Durchzusetzen wäre ein Verbot all dessen nur mit umfangreichen Kontrollen und irgendwelchen Task Forces bei Polizei, Forstbehörden oder der Gewerbeaufsicht. Und das würde dann schon an  „Brazil“ erinnern, eine Filmgroteske des Monty-Python Gründers Terry Gilliam über einen überbürokratisierten Nanny-Staat.

Robin Wood ist konzilianter

Dabei ist es nicht so, dass Weihnachtsbäume hierzulande üblicherweise wild in den Wäldern geschlagen werden. Die Wenigen, die das tun, machen es illegal. Wer dabei erwischt wird, muss mit einigem Ärger sowie hohen Strafen rechnen. Die meisten Tannen und Fichten kommen aus Baumschulen oder immer häufiger auch aus zertifizierten Weihnachtsbaumkulturen. Nicht einmal die Umweltschutzorganisation „Robin Wood“ ruft zum Bildersturm auf die Weihnachtsbäume auf, sondern informiert auf ihrer Internetseite sachlich, wo man Bäume aus anerkannt ökologischer Waldwirtschaft erwerben kann. Warum nicht auch so, lieber Grünen-Kommunalpolitiker aus Düsseldorf? Wenn Sie sich für eine Tanne aus ökologischer Kultur einsetzen, tun Sie auch ihren ökologischen Job!

Nachhaltigkeit kommt aus Forstwirtschaft

Vielleicht weiß es der gute Mensch von Düsseldorf nicht, aber ursprünglich stammt sogar der Begriff Nachhaltigkeit aus der hiesigen Forstwirtschaft. Die deutschen Forstreformen des 18. Jahrhunderts waren derart wegweisend, dass der US-amerikanische Physiologe Jared Diamond sie (zusammen mit ähnlichen Reformen in Japan) in seinem Öko-Bestseller „Kollaps“ beinahe als so etwas wie einen Masterplan zur Rettung der Welt anpreist. Dem Ober­berg­haupt­mann Hans Carl von Carlowitz aus dem sächsischen Freiberg kommt dabei das Privileg zu, das Wort „Nachhaltigkeit“ in seiner 1713 veröffentlichten der Schrift „Sylvicultura oeconomica“ erstmals öffentlich benutzt zu haben. So empfahl von Carlowitz eine „continuirlich beständige und nachhaltende Nutzung“ des Rohstoffes Holz. Alles in allem solle der Mensch nur so viel Holz entnehmen, wie nachwachsen könne. Ziel eines Waldmanagements müsse es sein, nachhaltig – also auf Dauer – einen größtmöglichen Holzertrag zu erzielen, ohne den Wald zu übernutzen.

Noch heute ist die deutsche Fortwirtschaft stolz auf ihren Säulenheiligen von Carlowitz; sein Nachhaltigkeitsprinzip lässt sie in jeder Sonntagsrede hochleben. Auch wenn man diese Zunft vielleicht hin und wieder daran erinnern muss, ihre Grundsätze auch immer und überall in der Praxis zu leben: Forstleute und Baumschulenbetrieber lassen sich nur schwer zu ökologischen Beelzebuben hochjazzen.

Vorbild Harun-al-Raschid

Daher ein gut gemeinter und kostenloser Rat an den Ratsherren aus Düsseldorf: Vielleicht könnte er, aber auch alle anderen, die per ordre de mufti entscheiden möchten, was Menschen gut finden sollen, hin und wieder, ähnlich wie der mittelalterliche Kalif Harun-al-Raschid, ihr politisches Biotop verlassen und verkleidet durch die Städte gehen, um zuzuhören, was die Leute wirklich bewegt und welche Meinung sie über Projekte und Initiativen haben. Zumindest der Legende nach soll dies Harun-al-Raschid sehr bei seiner Amtsführung geholfen haben. Es könnte daher nicht schaden, dem Schachzug des Kalifen ab und an nachzueifern. Manche populistische Bewegung würde dann gar nicht erst entstehen.

 

 

 

Andreas Kern

Der Diplom-Volkswirt und Journalist arbeitet seit mehreren Jahren in verschiedenen Funktionen im Bereich Öffentlichkeitsarbeit. Kern war unter anderem persönlicher Referent eines Ministers, Büroleiter des Präsidenten des Landtages von Sachsen-Anhalt sowie stellvertretender Pressesprecher des Landtages. Er hat nach einer journalistischen Ausbildung bei einer Tageszeitung im Rhein-Main-Gebiet als Wirtschaftsredakteur gearbeitet . Aufgrund familiärer Beziehungen hat er Politik und Gesellschaft Lateinamerikas besonders im Blick. Kern reist gerne auf eigene Faust durch Südamerika, Großbritannien und Südosteuropa.

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