Nein Nein Nein
„Wenn Täter nicht bestraft werden können, bedeutet das für die Opfer eine zweite bittere Demütigung“, meint Justizminister Maas. Da hat er zweifellos Recht. Aber sofern das Gesetz zur Verschärfung des Sexualstrafrechts tatsächlich so vom Bundesrat bestätigt werden sollte, wird es eine ganze Mengen mehr dieser Demütigungen geben.
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Um es gleich vorweg zu sagen, diese Reform ist Kappes (Kölsch für Unsinn).
Wer glaubt, damit den betroffenen Frauen einen Gefallen zu tun, irrt gründlich. Das Gegenteil wird der Fall sein.
Fangen wir mal mit dem neuen Grapsch-Paragraphen § 184i StGB an:
Wer eine andere Person in sexuell bestimmter Weise körperlich berührt und dadurch belästigt
lautet der neue Tatbestand. Voraussetzung ist also zunächst einmal eine Berührung. Das ist noch das einfachste Tatbestandsmerkmal. Kennen Sie z.B. aus einem Aufzug oder einer U-Bahn oder Sitzen im Flugzeug. Viele Menschen stehen oder sitzen auf engen Raum, es kommt zwangsläufig zu Berührungen. Die allermeisten dieser Berührungen dürften lediglich der Enge geschuldet sein und jenseits jeder sexuellen Handlung, auch wenn sie durchaus schon belästigend sein können. Wenn der Vordermann Ihnen bei jeder Schwankung des Busses sein Hinterteil in den Unterleib schiebt oder der Hintermann sein Vorderteil, dann ist das garantiert belästigend. Aber wann ist das sexuell bestimmt? Man kann ja nicht wissen, warum der das macht.
Die klaren Fälle, bei denen da unmittelbar die Geschlechtsteile befummelt werden, waren auch bisher schon strafbar, entweder als Beleidigung oder, wenn sie schon etwas erheblicher waren, als sexuelle Nötigung. Von einem einvernehmlichen Befummeln lassen, durfte auch bisher kein Föttschesföhler (Kölsch für Po-Grapscher) ausgehen.
So richtig neu ist an dieser Regelung eigentlich wenig. Das Tatbestandsmerkmal „in sexuell bestimmter Weise“ wird uns in der Praxis aber noch viel Freude bereiten. Muss der Täter mit glasigen Augen stieren – vielleicht hat er nur was getrunken oder Heuschnupfen -, muss er bei der Berührung stöhnen oder keuchen – vielleicht ist er Asthmatiker -, wie lange muss die Berührung dauern? Kann eine einmalige Berührung, die eine Zehntelsekunde dauert, wirklich belästigend sein? Muss es nicht doch eine gewisse Erheblichkeit geben? Die Strafrechtskommentatoren, die Gerichte, Staatsanwälte und Strafverteidiger werden viel Arbeit bekommen. Anzeigeerstatter und – erstatterinnen sollten sich eher wenig Hoffnung auf erfolgreiche Anzeigen machen. Immerhin können jetzt auch Männer Anzeige erstatten, wenn ihnen am Weiberfastnacht jemand ein Bützchen gibt. Jedenfalls dann, wenn das sexuell bestimmt ist.
i wie irre
Doch der Grapschparagraph ist ja noch der harmloseste gesetzgeberische Unsinn, den die GroKo vor allem den Frauen stolz als Reaktion auf „Silvester“ präsentiert. Mit heißer Nadel gestrickt und schnurgerade am Problem vorbeigesetzgebert. Vielleicht steht das i für irre.
Auf i folgt j. Nach § 184j StGB soll mit bis zu 2 Jahren Freiheitsstrafe bestraft werden, wer
eine Straftat dadurch fördert, dass er sich an einer Personengruppe beteiligt, die eine andere Person zur Begehung einer Straftat an ihr bedrängt […],wenn von einem Beteiligten der Gruppe eine Straftat nach den §§ 177 oder 184i begangen wird und die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist.
Klingt gut. Wo allerdings die angebliche Strafbarkeitslücke sein soll, ist mit schleierhaft. Wer sich an einer solchen Gruppe beteiligt, d.h. wissend und wollend mitmacht, der ist schlicht und ergreifend ein Mittäter der jeweiligen Tat. Wenn er die Tat nur unterstützt, ohne Mittäter zu sein, dann macht er sich als Gehilfe strafbar. So eine Vorschrift ist in rechtlicher Hinsicht so überflüssig wie ein Kropf. Derartige Gesetze dienen nicht dem Rechtsgüterschutz, sondern maximal der Beschwichtigung der Bevölkerung. Und sie dienen dazu, die wirklich erforderlichen Maßnahmen weiter auf die lange Bank zu schieben. j wie „oh jott“.
Ich hatte bereits einige Tage nach den Silvestervorkommnissen prognostiziert, dass von den tausenden Straftaten vermutlich nur sehr wenige zu einer strafrechtlichen Ahndung führen würden.Leider habe ich damit Recht behalten. Die Prognose war ja auch nicht schwierig. Wie sollten denn in diesem Getümmel einzelne Straftaten einzelnen Tätern mit der für eine Verurteilung hinreichenden Sicherheit nachgewiesen werden?
Reihenweise Freisprüche
Da liegt doch der eigentliche Kern des Problems und auch diesen habe ich immer wieder – manchen schon zu häufig – betont. Wir benötigen sowohl zur Verringerung solcher Taten als auch zu deren Verfolgung kurzfristig mehr Polizei auf den Straßen. Wären in Köln, Hamburg und anderen Orten genügend Polizisten zur Stelle gewesen, dann wären diese kriminellen Menschenansammlungen sehr schnell aufgelöst worden und viele hundert Taten hätten gar nicht erst stattgefunden. Dann hätte man auch viele Täter sofort identifizieren und festnehmen können. Bei entsprechender Mehrausstattung der Justiz wären die ganz schnell verurteilt und gegenbenenfalls schon worden. So aber wird es, falls es überhaupt für Anklagen reicht, reihenweise Freisprüche hageln und die Opfer ein zweites Mal gedemütigt. An diesem Umstand wird sich durch die neuen Vorschriften gar nichts ändern.
Verstehen Sie mich bitte nicht falsch. Diese Freisprüche sind richtig. Nur wem eine Straftat wirklich nachgewiesen wird, darf auch verurteilt werden. An der Unschuldsvermutung darf nicht gerüttelt werden. Wenn ein Angeklagter 168cm groß ist, dann kann kein Gericht ihn verurteilen, wenn das Opfer sich ganz sicher ist, dass der Täter mindestens 185cm groß war. Wenn ein Zeuge sagt, die Ausländer sähen doch alle gleich aus, dann wird es ebenfalls eng mit der Identifizierung des Angeklagten. Es wird mit Sicherheit auch viele „falsche“ Freisprüche geben, weil die Angeklagte doch die Täter waren, es ihnen aber nicht nachgewiesen werden kann. Aber auch das ist in einem Rechtsstaat richtig und wichtig, so sehr es auch das Opfer kränkt. Wer mit Opferschutz statt Täterschutz meint, man müsse auch mal ein paar Unschuldige verurteilen, der hält nichts vom Rechtsstaat.
Sexuelle Gewalt soll nach der Reform leichter bestraft werden können, meint der Gesetzgeber. Voraussetzung des § 177 StGB – sexuelle Nötigung – war bisher, dass das Opfer irgendwie Widerstand leistet, den der Täter dann mit Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder direkt mit Gewalt überwindet. Ausnahme davon gabe es nur in dem Fall, dass das Opfer sich in einer schutzlosen Lage befand, wobei das Merkmal der „schutzlosen Lage“ auch in der Vergangenheit schon Schwierigkeiten bereitete.
Was ist „erkennbar“?
Künftig soll es nun schon reichen, wenn der Täter sich über den „erkennbaren Willen“ des Opfers hinwegsetzt auch wenn dieses sich gar nicht wehrt. Auch das wird spannend werden. Es geht ja nicht darum, dass der Täter sich über ein von ihm erkanntes auch nonverbales Nein hinwegsetzt, sondern es reicht, wenn ein solches „erkennbar“ war. Ja für wen denn bitte, wenn nicht für den Täter? Es muss eben nicht sein, dass das Opfer sich wie Bartleby , der Schreiber, mit „Ich möchte lieber nicht“ deutlich äußert. Das Opfer muss auch nicht Nein sagen, es muss gar nichts sagen, sein Wille muss nur erkennbar sein. Wer sich solche butterweichen Tatbestandsmerkmale ausdenkt, der kann nur wenig Ahnung von der Praxis des Strafverfahrens haben. Na klar ist eine Nein ein Nein, darüber brauchen wir nicht eine Minute zu diskutieren, aber ein Nein ist immerhin eine klare Äußerung. Selbst die soll künftig entfallen. Natürlich gibt es auch unausgesprochene Zeichen des Nichtwollens, aber ob die dann auch „erkennbar“ waren, wird nicht leicht zu entscheiden sein.
Wenn die von mir sehr geschätzte Gesine Palmer meint
dann verkennt sie, dass diese Regelung das Gegenteil von klar und eben nicht das „Nein ist Nein“, das man sich wünschen muss, ist. Es ist ein hochgradig unklarer Tatbestand, der ratlos macht.
Die Falschbeschuldigungen lassen wir jetzt mal beiseite. Die gibt es jetzt auch schon. Für Männer wird es künftig vermutlich noch schwieriger werden, sich gegen eine solche abzusichern. Man kann ja schlecht unmittelbar vorher zum Notar gehen und sich eine Einwilligung zum Geschlechtsverkehr ausstellen lassen. Und selbst wenn man eine solche hätte, könnte die natürlich jederzeit widerrufen werden. Eine Kamera mitlaufen lassen, ist auch nicht jedermanns Sache und wer weiß, vielleicht ruft die Frau dann mitten drin mal ein Nein, das sich vielleicht auf etwas ganz anderes bezieht, und schon ist der Beweiswert dahin.
Die schönsten neuen Gesetze – und diese neuen Vorschriften sind nicht einmal schön im Sinne einer strafrechtlichen Dogmatik – nützen gar nichts, wenn sie in der Praxis nicht umgesetzt werden können. Ganz im Gegenteil. Ein Gesetz, das in der Praxis scheitert, weil es nicht zu den erwarteten Verurteilungen kommt, ist ein zahnloser Tiger, der maximal als Bettvorleger taugt.
Vielleicht kommt es vor der Abstimmung im Bundesrat noch einmal zu einer vernünftigen Diskussion über die Reform, die weniger von ideologischen Grabenkämpfen und wahlkampftaktischem Geplänkel geprägt sein sollte. Vielleicht sollten mal Praktiker gefragt werden.
Nun will ich nicht nur meckern, sondern auch ein paar konkrete Vorschläge machen:
Ursachen angehen
Vielleicht denkt die Politik einmal daran, dass die Ursachen solcher Delikte sich bereits im Laufe der Erziehung, in Schule und Kindergarten, bekämpfen lassen, indem das Menschenbild des Grundgesetzes, die Gleichberechtigung und die Selbstbestimmung stärker betont werden. Ja, auch wenn jetzt wieder ein paar Konservative toben werden, ich bin für eine flächendeckende Kindergartenpflicht ab dem 3. Lebensjahr, um allen Kindern die Möglichkeit zu geben, mit anderen Kindern aus allen sozialen Schichten umgehen zu lernen, die deutsche Sprache zu lernen, Respekt vor einander zu lernen.
In der Schule sollte es Ethik-Unterricht vom ersten Schuljahr an und einen durchgehenden Rechtskundeunterricht ab der 8. Klasse geben. Nur wer seine Rechte und Pflichten kennt, kann sie einhalten.
Auch diejenigen, die sich aus religiösen oder anderen Gründen gegen einen frühen – natürlich kindgerechten – Sexualkundeunterricht wenden, sollte vielleicht noch einmal überlegen, ob ihre Argumente wirklich richtig sind. Wenn „Nein ist Nein“ funktionieren soll, dann müssen Kinder erst einmal lernen, tatsächlich Nein zu sagen. Das könnte manchen Kindesmissbrauch verhindern. Aber dazu müssen die Kinder natürlich wissen, was der Onkel oder der Stiefvater da an ihnen oder sich treibt.
Das gilt zwar nicht nur, aber eben auch, für die Erziehung von Mädchen und Jungen aus anderen, speziell den muslimischen Kulturkreisen.
Nina H. Scholz hat in ihrem lesenswerten Buch „Gewalt im Namen der Ehre“ darauf hingewiesen, dass mit der Beteiligung der offiziellen Islamverbände als bevorzugte Ansprechpartner für staatliche Stellen im Hinblick auf Fragen von Bildung und Erziehung vermutlich der Bock zum Gärtner gemacht wird. Diese Verbände propagieren überwiegend einen stockkonservativen Islam, der genau die problematischen Vorstellungen bezüglich Jungfräulichkeit und Sexualmoral fördert und die befremdlichen Rollenmuster bestärkt, die im Umgang mit dem anderen Geschlecht zu Übergriffen führen. Da müsste noch mal nachgedacht und statt dessen Projekt wie HEROES http://www.heroes-net.de/ stärker gefördert werden.
Neben einem besseren Bildungkonzept braucht es – ja ja ich wiederhole das so lange bis es zündet – eine finanziell und personell besser ausgestattete Polizei und Justiz. Es kann und darf nicht sein, dass Ermittlungen nur deshalb schlampig durchgeführt werden, weil die Beamten bei Polizei und Justiz hoffnungslos überlastet sind. Alles Gelaber und alle wohlfeilen Gesetzesschnellschüsse sind da nur Augenwischerei. Ein Rechtsstaat, der bei Straftaten nicht angemessen reagieren kann, macht sich auf Dauer lächerlich. Da sind in erster Linie die Länder gefragt, aber genau die sind ja jetzt auch im Bundesrat am Zug. Die sollten das Problem einmal kraftvoll angrapschen.
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