Macht nicht so ’ne Welle!

Die Welt- jedenfalls die mediale Welt – jubelt über den Nachweis von Gravitationswellen. Warum nur?


Das Heute-Journal hat ihnen gestern mindestens fünf Minuten gewidmet, die FAZ hat sie heute auf der Titelseite: Gravitationswellen. Im vergangenen Jahr wurden sie erstmals gemessen, gestern haben die Physiker ihre Entdeckung mit großer Geste inszeniert und alle Medien sind begeistert darauf eingestiegen.

Man fragt sich: Warum?

Eigentlich ist das gar keine so große Sache. Vor 100 Jahren hat Einstein mit seiner Allgemeinen Relativitätstheorie ein Konzept vorgelegt, in dem Gravitationswellen ganz selbstverständlich auftauchen. Für alle, die diese Theorie inzwischen weitgehend akzeptieren, ist selbstverständlich, dass es diese Wellen gibt. Ihr Nachweis ist keine wissenschaftliche Sensation, allerdings ist es eine Meisterleistung der Technik.

Man kann verstehen, dass die Wissenschaftler das gern feiern wollen. Denn eigentlich leben sie in dürftigen Zeiten. Die Jahrzehnte, in denen die kühnen Entwürfe der Theoretiker die Menschen verstörten und begeisterten, sind eben lange vorbei. Wir reden über Theorien, die 100 Jahre alt sind – alles, was danach kam, war nur noch Verfeinerung. Die Zeit der Revolutionen ist in der Physik lange vorbei, seit dem gibt es nur noch Normalwissenschaft – auch wenn uns manche öffentlichkeitsfreudige Wissenschaftler etwas anderes weismachen wollen.

Auch die Zeiten der großen Diskussionen über die Frage, wie physikalische Theorien und deren experimentelle und technische Folgen unser Weltbild und unser Leben verändern, sind Geschichte. In den 1950er Jahren schrieben Physiker wie Werner Heisenberg und Philosophen wie Martin Heidegger Aufsätze, über die wir bis heute nicht hinaus sind.

Moderne Experimentalphysik ist teuer und die Forscher haben gelernt, dass sie ihre kleinen Erfolge groß inszenieren müssen, damit sie die gesellschaftliche Akzeptanz erhalten, die Voraussetzung für ihre öffentliche Finanzierung sind. Sie drucken bunte Bildchen von Computersimulationen aus und machen Gravitationswellen „hörbar“. Ich bin ihnen sogar dankbar, dass sie das tun, denn ich glaube, dass wissenschaftliches Forschen ohne Sinn aber mit Verstand zu den schönsten und besten Hobbies der Menschheit gehört – fast so schön wie Sex oder Kunst.

Aber ich werde davon auch nachdenklich: Das Bild, was durch diesen Rummel von den Wissenschaften und von ihren Entdeckungen gezeichnet wird, könnte falscher nicht sein. So spektakulär sind diese Wellen eben nicht, sie sind auch nicht bunt und man kann sie nicht hören. Das, was uns da präsentiert wird, ist eine Show, weil das, was die Forscher da wirklich tun, eben kaum was mit uns zu tun hat. Es ist aber Teil eines Mechanismus, der uns suggerieren soll, dass Wissenschaft das wichtigste Mittel ist, um all unsere Probleme zu lösen.

Nur Unterhaltung?

Vielleicht ist es aber auch alles viel einfacher. Vielleicht sind die Zeitungsredaktionen und Fernsehjournalisten nur unendlich dankbar dafür, dass es mal eine Nachricht gibt, die einfach nur gut ist. Die keine bösen Konsequenzen hat. Sie ist Teil eines Unterhaltungsprogramms, dass uns für ein paar Minuten vom Elend der Welt abschalten lässt. Und ich bin der Spielverderber – ich bitte um Vergebung.

Jörg Phil Friedrich

Der Philosoph und IT-Unternehmer Jörg Phil Friedrich schreibt und spricht über die Möglichkeiten und Grenzen des digitalen Denkens. Friedrich ist Diplom-Meteorologe und Master of Arts in Philosophie.

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