Es gibt keine heilige Familie

Die „Besorgten Eltern“ lassen nicht locker. So wie sich die europäischen Neofaschisten, mit denen sie viele Schnittmengen haben, zu einer merkwürdigen Internationale zusammenschließen, formieren sie sich zur „Internationale des Schwulenhasses“.


VaterVaterMutterKindOchsundEsel

Vor kurzem erklärte mir ein Christ mit vollem Brustton der Überzeugung, er bewundere seinen Gott vor allem wegen seiner genialen Regeln und Gesetze. Der habe es so eingerichtet, daß Wasser bei 0 Grad friere und bei 100 Grad zum Kochen komme. Für den Christen ein untrüglicher Beweis für die Existenz seines Gottes.

Mit der gleichen unverfrorenen Dummheit bestehen die „Besorgten Eltern“ unter der Führung von Hedwig von Beverfoerde darauf, daß einzig ihre von Gott gegebene Familienstruktur die richtige sei und sie selbst deshalb die besseren Menschen, weshalb man anderen nicht die gleichen Rechte einräumen dürfe.

Das illusionäre Ideal der „Heiligen Familie“, jene Kitscherfindung des VaterVaterMutterKindOchsundEsel-Zusammenschlusses wird als göttliches Gesetz ausgegeben. Dieser Überheblichkeit liegt eine,– nach den eigenen Maßstäben bereits buntgescheckte Gemeinsamkeit zugrunde, die eigentlich verboten werden müßte – ginge es nach den „Besorgten Eltern“. Das eigentlich einer nicht ehelichen Beziehung entsprungene Kind, hat gleich zwei Väter und eine auch noch jungfräuliche Mutter.

Der Wahn von der regulären Kleinfamilie

Das völlig absurde Ideal des unversehrten Hymens ist an sich nicht christlich, sondern entstammt einer Fortpflanzungsideologie, die keine Kenntnisse von Biologie und Genetik hatte. Wer an die Jungfrauengeburt glaubt – und sie zum menschlichen Fortpflanzungsideal erhebt – der ist so dumm wie jene Hundehalter, die behaupten, ihre Hündin sei verdorben, wenn ein Köter anderer Rasse oder gar ein Mischlingshund sie decke.

Auf solchen Widerwärtigkeiten, die männliche Zeugungsphantasien und Phantastereien vom Besitz an der Frau zum Prinzip erheben, bestehen die Irrationalitäten der „Besorgten Eltern“.
Daß ihr Wahn von der regulären Kleinfamilie nur eine sentimentale Abbildung in Krippenspielen findet und erst eigentlich seit 200 Jahren besteht, interessiert sie natürlich auch nicht… sie spüren aber sicherlich, daß diese Struktur in nuce die hierarchischen Strukturen der von ihnen gewünschten Gesellschaft der absoluten Hierarchie abbildet. Der Vater – der Allmächtige, die Frau, die Dienerin des Herrn und das Kind als Spielball der beiden, die sich an ihm schadlos halten können für die in der eigenen Kindheit erlittenen Ungerechtigkeiten, die sie dann Erziehung nennen oder Elternrecht.

Daß nun auch Homosexuelle die Anerkennung als ebenbürtige Paare oder Eltern fordern, die ihnen Menschen wie die „Besorgten Eltern“ Jahrhunderte lang verweigert haben, bedroht jene tatsächlich. Es stimmt natürlich nicht, wenn Verteidiger der „Ehe für alle“ sagen, es würde den anderen nichts weggenommen. Es wird ihnen etwas weggenommen: die „Ehe für Alle“ ist nämlich mehr als nur ein neues Gesetz. Sie bedeutet tatsächlich das Ende von Hierarchien und von Herrschaftsverhältnissen. Ein anderes Miteinander würde nämlich nötig, ein achtsames, das Rücksicht nimmt auf die Individualität der Kinder, auf die Individualität der Partner, ein Verzicht auf Herrschaft qua Geschlechtsorgan…

Die Herrschaft des Phallus

Das spüren die verbissenen Kämpfer gegen Rechte für Homosexuelle und Frauen wie eben Hedwig von Beverfoerde, Beatrix von Storch, Gabriele Kuby und andere durchaus – und deshalb bekämpfen sie nicht nur Homosexuelle, sondern auch Frauen, die sich gegen die Herrschaft des Phallus als Zentralgottheit wehren, sie bekämpfen auch die Genderforschung, die uns Klarheit verschaffen kann über Herrschaftsabhängigkeiten – denn die christbarbarischen Kämpfer gingen der Möglichkeit verlustig, sich auf- und andere abzuwerten.

Das Christentum, das den Antisemitismus erfunden hat, hat auch den institutionalisierten Haß auf andere Minderheiten erfunden – und in den „Besorgten Eltern“ bricht sich erneut das Unzivilisierte Bahn…so wie in der Dummheit jenes Christen, der von den wunderbaren physikalischen Regeln seines Gottes faselte, kommt hier letztendlich die Angst der Dummen, ja Dümmlichen zutage, die sich weigern den komplizierten Weg des Nachdenkens über menschliche Beziehungen zu beschreiten.

Solche kognitiven Dissonanzen, wenn nicht durchgearbeitet, müssen im Beseitigen des Anderen enden – eine Auseinandersetzung, die zu einem friedlichen Miteinander mit dem Anderen führt, ist den „Besorgten Eltern“ und Homohassern nicht möglich.

Welche Lösung auch immer, die sie als Herrschende, die die Unterdrückung der Anderen dringend brauchen, um sich selbst zu bestätigen, sich auch denken ließe, sie würde nie ausreichen, diese Leute zu befriedigen. Der Minderwertigkeitskomplex ist so groß, daß den „Anderen“ immer weniger Raum und Leben gelassen werden muß – am Schluß wird man es, wie schon einmal geschehen, mit der Totalauslöschung versuchen.

Was natürlich im Falle der Homosexualität wiederum zu einer kognitiven Dissonanz der Herrschenden führen würde, die man nur mit noch mehr Vernichtung beantworten kann! Wenn man einmal anfängt, anderen Menschenrechte abzusprechen oder sie ihnen zu verweigern, kann man dabei nicht stehen bleiben – es muß immer zur Auslöschung führen. – Desgleichen kann man bei allen Diktatoren beobachten, die nie sich nie ihrer Herrschaft sicher sein können und immer wieder neue Gegner erfinden, nur um sie zu ermorden!

Ein Jahr für eine Millionen schwulenfeindliche Unterschriften

Nun haben die „Besorgten Homohasser“, was diesen traurigen Aspekt der Gegnerbeseitung angeht, doch ein wenig aus der Geschichte gelernt. Sie schlagen nicht mehr gleich zu, sondern haben – in Ermangelung eigener Ideen jenseits ihres Hasses – sich was abgeguckt: sie wagen den Marsch durch die Institutionen und wollen sich einen politischen Dispens zur Vernichtung der Objekte ihrer seltsamen Begierde holen: Sie haben sich international zusammen geschlossen als Organisation „VaterMutterKind“ – ich lag da gar nicht so falsch mit meinem hinkenden Neologismus – und wollen eine Petition bei der EU-Kommission einreichen. Ein Jahr haben die Schwulenfeinde aus ganz Europa Zeit, mindestens eine Million Unterschriften zu sammeln, die sie brauchen, damit sich die Kommission mit ihren Anliegen beschäftigt.

Und dies sind einige der Forderungen der Petition: Festschreibung der Ehe als Verbindung von Mann und Frau; der Begriff „Familie“ dürfe sich nur auf Eheleute und deren Kinder beziehen, andere Familienformen sollen keine Anerkennung finden, Regelungen zu nicht-ehelichen Lebenspartnerschaften sollen wieder außer Kraft gesetzt werden.

Weitere Forderungen würden bedeuten, daß schwer erkämpfte Menschen- und Sozialrechte wieder außer Kraft gesetzt wären. Es geht also darum, vorzivilisatorische, voraufgeklärte menschliche und soziale Beziehung erneut zu installieren und eine bestimmte Bevölkerungsgruppe, die solchen Barbarismen der „heiligen Familie“ huldigt, zu bevorzugen.

Angetrieben vom glühenden Hass auf Homosexuelle

Es nimmt nicht wunder, daß bei diesem durch und durch faschistischen Ansinnen, das beim Streichen der Menschenrechte beginnt aber noch längst nicht aufhört, die üblichen Verdächtigen beteiligt sind: der Vatikan konnte gar nicht schnell genug dazu auffordern, diese Petition zu unterstützen – wie er ja auch der erste Staat war, der Ungarn zu seiner neuen christlich-neofaschistischen Verfassung beglückwünschte.

In Frankreich wird diese Bewegung angeführt von Ludovine de la Rochère, der Führerin des „Manif pour tous“; Unterstützung kommt auch aus den USA vom „American Center für Law and Justice“ (hinter dem der senile Fernsehprediger Pat Robertson steckt) und dessen europäischem Arm „European Center for Law and Justice“.

Die vom glühendem Haß auf Homosexuelle angetriebene US-amerikanische Organisation „Alliance Defending Freedom“, die eine Staatsform anstrebt, die der des frühen Christentums im 5. Jahrhundert entspricht, infiltriert bereits seit längerem mit Geld, Manpower und Knowhow europäische Staaten – und so verwendet sich der Rechtsanwalt Roger Kiska, der antihomosexuelle Rechtsbegehren in der Slowakei durchsetzen will, im Namen dieser „Alliance“ ebenfalls für die Petition. Daß sich die fanatische Homogegnerin Gabriele Kuby von der „Alliance“ rechtlich vertreten ließ, versteht sich von selbst.

Wiedergänger aus scheußlichen Zeiten

Die deutsche Kontaktperson beim Petitionsunterfangen ist – wen wundert es – Hedwig von Beverfoerde…deren Bestreben gegen Menschenrechte wurde jüngst zur Kenntlichkeit verzerrt in Falk Richters neuem Stück „Fear“ an der Berliner Schaubühne offengelegt. Ohne Frage ein grober Keil, der aber zu dem ungleich gröberen Klotz der „Besorgten Eltern“ und ihrer Anführerin gehörte. Beverfoerde hat versucht, die Darstellung ihres Kampfes gerichtlich zu verhindern – es ist ihr nicht gelungen, sie und ihre Bewegung dürfen weiterhin als Wiedergänger aus scheußlichen Zeiten dargestellt werden.

Die niedliche Krippenidylle der bedrohten Kleinfamilie, von der die „Besorgten Eltern“ phantasieren, hat es nie gegeben. Tatsächlich geht es diesen Leuten ja auch nicht um ihre Familie, sondern um eine andere Gesellschaft, eine der Hierarchie, der Herrschaft des pater familias, der Prügelstrafe, der bigotten Sexualmoral, der Verkniffenheit, der erlaubten Verleumdung und Verfolgung von Menschen, die ihnen nicht passen.

All ihre sogenannten Argumente sind Pseudokram, der nichts weiter als ihren gar nicht so irrationalen Haß stützen soll. Denn, wie gesagt, sie haben Angst vor einer freieren, bunteren, lebendigeren Gesellschaft – denn die kostete intellektuelle, aber vor allem emotionale Mühe. Achtsamkeit, Zuneigung, Mitgefühl – sie sind bloß Parolen der angeblichen Christen… Durch einen Gott “befohlene“ Liebe (bei Zuwiderhandlung ewige Höllenstrafe) ist eine Absurdität. Es muß auch nicht jeder, jeden lieben – kann man gar nicht fordern.

Doch Akzeptanz kann man fordern; denn die ist Voraussetzung für das friedliche Miteinander. Es reicht schon, sich noch nicht einmal um die zu scheren, die man nicht mag. Aber sie verändern, umdrehen zu wollen, im Namen des eigenen Herrschaftswillens, ist ein Verbrechen.

Wie der Affen vor der Akademie bei Kafka

Hedwig von Beverfoerde hat auf der letzten Demo in Stuttgart vorgeführt, wie sie sich den Homosexuellen vorstellt, den sie gerade noch ertragen kann: den keuschen, asexuellen, durch Gebete gebrochenen jungen Mann Marcel. Es war eine Veranstaltung, das habe ich hier schon einmal geschrieben, so gespenstisch wie der Bericht des Affen an eine Akademie bei Kafka.

Der Kampf gegen Homosexuelle, der im Ansinnen der EU-Petition eine neue Stufe erreicht, ist wirklich der Rückfall in die Barbarei – aber nach historischem Vorbild. Es wurden in Deutschland schon einmal Menschenrechte und Menschen vernichtet – und es wurde der Buchstabe des Gesetzes dabei eingehalten – und man führte über diese Barbarei genau Buch.

Nichts anderes beabsichtigen all jene Organisationen die sich zynisch „Manif pour tous“, „Demo für alle“ und wie sie sonst noch heißen mögen!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert