Hinrichtung in Alabama. Schöner Sterben
In Alabama wurde erstmals ein Mensch mit Stickstoff hingerichtet. Eine Kolumne von Heinrich Schmitz.
Was ich von der Todesstrafe halte, ist allgemein bekannt. Wer das noch nicht weiß, kann es hier nachlesen:
Nun ist Deutschland nicht Alabama, und unser Grundgesetz gilt natürlich nur hier bei uns. Hier gibt es zwar ebenfalls jede Menge Fans der Todesstrafe, aber die haben keine Chance, dass die bei uns wieder eingeführt wird.
Kay Ivey, die Gouverneurin des Staates Alabama hätte die Hinrichtung noch stoppen können. Aber sie tat es nicht. Und hey, spätestens seit „Sweet home Alabama“
wissen wir doch, dass die Gouverneurin immer recht hat. (Vorsicht. Der Text enthält 78 % Sarkasmus, so wie Luft 78 % Stickstoff enthält. Mehr könnte tödlich sein).
Und so wurde also erstmals ein Mensch mithilfe von Stickstoff hingerichtet. Das hat was gedauert und war eher unschön.
Der 58 Jahre alte Kenneth Eugene Smith starb in einem Gefängnis im US-Bundesstaat Alabama unter Anwendung sogenannter Stickstoffhypoxie. Auf gut Deutsch: Ihm wurde eine Maske über das Gesicht gestülpt, und er bekam reinen Stickstoff zu atmen. Wobei Atmen eher euphemistisch ist, denn um wirklich zu atmen, braucht der Mensch halt etwa 22 % Sauerstoff in der Luft.
Nun gut, die Freunde der Todesstrafe werden sagen: selbst schuld. Schließlich hatte Smith sich 1988 an einem Auftragsmord beteiligt und war dafür bereits 1996 zum Tode verurteilt worden. 11 von 12 Geschworenen hatten ihn zwar zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt, aber in Alabama muss der Richter sich daran nicht halten. Also gab es die Todesstrafe. Die sollte dann, nach immerhin 26 Jahren des Wartens auf den großen Tag, bereits 2022 vollstreckt werden, aber -warum auch immer – fanden die Henker wohl keine Vene, um den Zugang für die Giftspritze zu legen. Profis halt.
Nun kennen wir das ja alle aus den alten Western, dass niemand zweimal aufgehängt werden durfte, wenn alle Stricke reißen, aber leider ist diese Form des „ne bis in idem“ nur ein Mythos. Wer also in den USA zum Tode verurteilt wurde, hat sozusagen eine Hinrichtungsflat bis zum bitteren Ende.
Öfter mal was Neues
Und jetzt sollte halt mal was Neues probiert werden, im Zeichen der Zeit ganz ohne Gift und Plastikrückstände. Statt der guten alten Giftspritze, die gerne mal versagt hat, nun Stickstoffhypoxie. Das klingt viel freundlicher und wissenschaftlicher als schmähliches Ersticken. Und man führt dem Körper, human wie man nun mal ist, nicht einmal ein Gift zu. Stickstoff ist nicht giftig.
„Stickstoffhypoxie als Unterform einer Inertgasasphyxie ist eine Form des Erstickens, die auftritt, wenn Stickstoff (N) die Sauerstoffkonzentration in der Atemluft verringert. In diesem Zustand ist der Sauerstoffgehalt der Atemluft zu niedrig, um die lebensnotwendigen Körperfunktionen aufrechtzuerhalten. Die Stickstoffhypoxie basiert nicht auf einer direkten Toxizität des Stickstoffs, sondern auf einer Verdrängung des Sauerstoffs (O). – Quelle: Wikipedia
Eine ähnliche Hinrichtungsmethode hatte die Sterbehilfeorganisation Dignitas im Jahr 2008 Suizidwilligen mithilfe einer Plastiktüte über dem Kopf und Ballongas empfohlen. Problem dabei ist halt, dass es eine Weile dauert und ganz schön grausam werden kann. Übrigens, wenn Sie die Nummer der Telefonseelsorge (0800 1110111) suchen und sich den Namen nicht merken können, reicht es, bei Google Plastiktüte und Ersticken einzugeben.
Great again
Die Anwälte des so Getöteten hatten natürlich alles Rechtsmittel ausgeschöpft. Das Berufungsgericht in Alabama wies aber die Vorbehalte am Mittwoch mit der Begründung zurück, Smith könne nicht belegen, dass die Hinrichtung eine „grausame und ungewöhnliche“ Bestrafung darstelle. Schreckliche Juristenlogik, denn wie sollte der Mann beweisen, dass es sich um eine grausame und ungewöhnliche Bestrafung handelt, so umgebracht zu werden, wenn er der Pionier dieser Hinrichtungsmethode sein sollte? Der Supreme Court hatte auch keine Einwände und wies die Sache einfach mal so ohne Begründung ab. Das ist alles so krass, aber es wird wohl America great again machen, oder so.
Ich bin froh, dass wir uns in Deutschland keine Gedanken über humane Hinrichtungsmethoden machen müssen. Aber wer weiß, vielleicht wäre so etwas „Made in Germany“ ein Exportschlager.