Weg mit dem C!
Kritik an der Aussetzung des Familiennachzugs für subsidiär Geschützte. Eine Kolumne von Heinrich Schmitz.

Die gestrige Entscheidung des Bundestags, den Familiennachzug für Menschen mit subsidiärem Schutzstatus auszusetzen, ist ein politisches Signal der Abschottung. Es ist ein menschlich wie rechtlich höchst bedenklicher Rückschritt.
Sie trifft nach Angaben von Innenminister Dobrindt etwa 1000 Personen monatlich in Deutschland. Viele von ihnen sind Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien, deren Status zwar keine uneingeschränkte Asylberechtigung bedeutet. Ihnen wird jedoch ausdrücklich Schutz vor lebensbedrohlicher Gewalt zugesichert. Nun aber wird diesen Menschen das grundlegende Menschenrecht auf Familie für mindestens zwei Jahre verweigert. Hierbei gilt die zynische Einschränkung, dass Ausnahmen nur in „Härtefällen“ gelten sollen.
Diese Maßnahme ist aus mehreren Gründen problematisch:
Menschlich unzumutbar
Die Trennung von Eltern und Kindern, Ehepartnern und Geschwistern bedeutet für die Betroffenen nicht nur psychisches Leid. Sie untergräbt jede Hoffnung auf ein Leben in Sicherheit und Würde. Integration beginnt nicht bei Sprachkursen oder Arbeitsverträgen. Vielmehr beginnt sie mit Stabilität und mit der Gewissheit, dass die engste Familie in Sicherheit ist. Wer Menschen zwingt, über Jahre in Angst um ihre Angehörigen zu leben, torpediert jede ernst gemeinte Integrationspolitik.
Politisch kurzsichtig
Die Aussetzung des Familiennachzugs suggeriert, dass subsidiär Geschützte lediglich „Geduldete auf Zeit“ seien – dabei sind viele von ihnen de facto dauerhaft in Deutschland. Anstatt Perspektiven zu schaffen, zementiert man eine fatale Unsicherheit. Das schwächt nicht nur die Betroffenen, sondern auch das gesellschaftliche Vertrauen in eine klare, verlässliche Migrationspolitik.
Völkerrechtlich fragwürdig
Der Schutz der Familie ist sowohl im Grundgesetz (Art. 6 GG) als auch in internationalen Menschenrechtsabkommen verankert – etwa in der Europäischen Menschenrechtskonvention. Die kategorische Aussetzung des Familiennachzugs widerspricht dem Geist dieser Verpflichtungen. Dadurch rückt Deutschland näher an eine Politik der Abwehr als an eine der Verantwortung.
Symbolpolitik auf Kosten der Schwächsten
Mit dem klaren Votum von 444 Abgeordneten sendet die schwarz-rote Koalition Arm in Arm mit der AfD das Signal: Abschottung geht vor Menschlichkeit. Es ist bezeichnend, dass sich diese Entscheidung gegen eine ohnehin verletzliche Gruppe richtet. Diese Menschen kamen nicht aus rein wirtschaftlichen Gründen, sondern sie flohen vor Krieg und Tod.
Diese Entscheidung mag parteitaktisch motiviert und populistisch anschlussfähig sein – sie ist aber weder nachhaltig noch gerecht. Die Bundesregierung sollte sich fragen, welchen Preis sie für kurzfristigen politischen Applaus zu zahlen bereit ist. Eine Gesellschaft, die den Schutz von Familien unter Vorbehalt stellt, schwächt nicht nur das Vertrauen der Geflüchteten. Zusätzlich beschädigt sie ihre eigenen moralischen Grundlagen.
Bereits 2017 schrieb der frühere CDU-Sozialpolitiker Norbert Blüm in einem Beitrag für die FAZ:
Die CDU wird nicht an ihren Worten gemessen, sondern daran, ob sie ihre Werte auch ernst nimmt und ihre Praxis danach ausrichtet. Grundsatzprogramme sind pharisäische Phrasen, wenn sie nur den Stoff für schöne Reden liefern: „An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen.“ Jetzt wird’s ernst! Wenn der Familiennachzug für Flüchtlinge, egal wie klein oder groß deren Zahl ist, an der CDU scheitert, wird das eine Wunde in die Seele der Partei reißen, die lange eitert. Das Gesicht der CDU würde verschandelt.
Das trifft den Nagel auf den Kopf. Blüm wird im Grab rotieren. Aber die Zeiten, in denen christliche Werte für mehr als Sonntagsreden taugen, sind offenbar vorbei. CDU und CSU sollten sich ehrlich machen und die heuchlerische Verwendung des C, das ja wohl für christlich stehen soll, umgehend beenden. Dass die SPD so etwas mitmacht spricht Bände. Und beide bilden sich vermutlich ein, sie würden damit der AfD das Wasser abgraben. Das wird nicht passieren, denn deren Wähler wollen mehr und nicht weniger Unmenschlichkeit.