Grenzen dicht, Herr Merz?

Der CDU-Kanzlerkandidat verspricht in Trumpscher Manier, gleich am ersten Tag seiner Amtszeit tätig zu werden. Aber geht das rechtlich überhaupt? Eine Kolumne von Heinrich Schmitz.


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Merz gibt sich als Macher, dem es reicht. Der CDU-Chef kündigte für den Fall seiner Wahl zum Kanzler an, am ersten Tag im Amt das Bundesinnenministerium anzuweisen, alle deutschen Grenzen dauerhaft zu kontrollieren und alle Versuche der illegalen Einreise zurückzuweisen.

Das gelte ausdrücklich auch für Menschen mit Schutzanspruch. Die EU-Asylregeln seien erkennbar dysfunktional. Grenzen also faktisch dicht. Und es gibt offenbar viele Bürger, die das gut und richtig finden. Germany first oder so.

Der Bundeskanzler kann allerdungs die Grenzen nicht eigenmächtig schließen, da dies rechtlich und praktisch von mehreren Faktoren abhängt.

Hier sind die wichtigsten Punkte:

1. Wer ist zuständig für Grenzschließungen?


a) Der Bundesinnenminister & die Bundesregierung
Die Kontrolle der Grenzen obliegt dem Bundesinnenministerium (BMI). Hinzu kommt, dass Grenzschließungen oder -kontrollen von der gesamten Bundesregierung beschlossen werden müssten, nicht allein vom Kanzler. So weit geht seine Richtlinienkompetenz nicht. Und mit Dekreten rumhantieren kann zwar Donald Trump, aber nicht der deutsche Bundeskanzler. Die Erfahrungen mit dem Führer haben die Mütter und Väter des Grundgesetzes dazu veranlasst, die Machtfülle des Kanzlers erheblich einzuschränken. Vielleicht sagt das mal jemand dem Kandidaten.

b) EU-Recht & Schengen-Abkommen
Deutschland ist Teil des Schengen-Raums, in dem es grundsätzlich keine festen Grenzkontrollen mehr gibt. Solche Grenzkontrollen sind nur vorübergehend möglich (Art. 25 des Schengener Grenzkodex) bei ernsten Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Gesundheit. Ob die nun aktuell vorliegen ist zweifelhaft. Deutschland müsste dies der EU-Kommission melden und begründen. Die bloße Behauptung der Gefahr reicht da nicht.

c) Bundestag & Bundesrat
Falls es eine umfassende und dauerhafte Grenzschließung geben soll, könnte das eine Gesetzesänderung erfordern, d.h. der Bundestag müsste zustimmen, und je nach Bereich könnte auch der Bundesrat mitentscheiden.

2. In welchen Fällen sind Grenzschließungen möglich?


a) Bei einer konkreten akuten Bedrohung
(z. B. Terror, Pandemie)
Beispiel: Corona-Krise (2020) → Deutschland führte vorübergehend Grenzkontrollen ein. Das war rechtlich möglich, weil es eine Gesundheitsgefahr gab – auch wenn Verschwörungsfreaks das bestreiten. .

b) Bei einer Migrationskrise?
Deutschland könnte zwar theoretisch Grenzkontrollen verstärken, aber eine komplette Schließung wäre problematisch, weil zum einen das Asylrecht (Art. 16a GG) Verfolgte schützt und Asylverfahren damit laut EU-Recht möglich bleiben müssen. Schon 2023 führte Deutschland Kontrollen an den Grenzen zu Polen, Tschechien und der Schweiz ein – aber die Grenzen blieben dabei stets offen.

Im Ergebnis bedeutet das:
– Der Kanzler kann nicht allein die Grenzen schließen
– Die Entscheidung liegt bei der gesamten Bundesregierung (insbesondere dem Innenministerium). Dabei muss EU-Recht beachtet werden.
– Vollständige Grenzschließungen sind schon mangels ausreichender Kräfte bei der Bundespolizei kaum möglich, aber verstärkte Kontrollen sind zulässig – wenn auch nur vorübergehend und bei konkreten Gefahren.

Wer also Merz glaubt, der werde am ersten Tag seiner mutmaßlichen Kanzlerschaft die Grenzen schließen, der wird bitter enttäuscht werden. Und übrigens, wer meint, andere KanzlerInnen könnten das, hat ebenfalls mit Zitronen gehandelt.

Heinrich Schmitz

Heinrich Schmitz ist Rechtsanwalt, Strafverteidiger und Blogger. In seiner Kolumne "Recht klar" erklärt er rechtlich interessante Sachverhalte allgemeinverständlich und unterhaltsam. Außerdem kommentiert er Bücher, TV-Sendungen und alles was ihn interessiert- und das ist so einiges. Nach einer mit seinen Freital/Heidenau-Kolumnen zusammenhängenden Swatting-Attacke gegen ihn und seine Familie hat er im August 2015 eine Kapitulationserklärung abgegeben, die auf bundesweites Medienecho stieß. Seit dem schreibt er keine explizit politische Kolumnen gegen Rechtsextreme mehr. Sein Hauptthema ist das Grundgesetz, die Menschenrechte und deren Gefährdung aus verschiedenen Richtungen.

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