Liebes Christkind!
Ein Wunschbrief an das Christkind von Uwe Fischer
Bild von Karen .t auf Pixabay
Ich weiß, dass Du schon lange keine Lust mehr auf diesen Irrsinn hier unten hast und ich kann das auch sehr gut verstehen. Ihr habt uns damals das Paradies übergeben und jetzt wüten hier zig Millionen von Idioten, die das alles kaputt machen. Fast wie Mietnomaden, die Euch eine Messibude hinterlassen, nur dass sie sich nicht einfach auf einen anderen Planeten verdrücken können. Wenn mir das alles gehören würde, so mit dem ganzen riesigen Weltall und wer weiß wie vielen Paralleluniversen in wer weiß wie vielen Dimensionen, die wir Menschen besser nicht auch noch in die Finger bekommen, hätte ich mich vermutlich auch längst zu klügeren Aliens verzogen, die mit ihrem Geschenk besser umzugehen wissen. Selbst die nächste Sintflut würde ich mir schenken, das war damals bestimmt ganz schön viel Arbeit und die Menschen bekommen das auch alleine hin. Geübt haben sie schon fleißig und mit diesem komischen Typen da in Amerika klappt das wohl noch schneller.
Ich möchte Dich jetzt auch nicht nerven mit Kriegen oder Hungerkatastrophen, so etwas kennt Ihr ja noch von früher, im alten Testament ging es ja auch heftig zur Sache. Außerdem ist das etwas, was die meisten Menschen hier unten sorgt, nur nicht die, die die Mittel hätten, das alles zu beenden.
Aber ganz egal, wie man es auch dreht, das hier unten ist Teil Eures Familienunternehmens, da kannst Du Dir nicht einfach einen schlanken Fuß machen (oder spricht man bei Euch von einem schlanken Flügel?) und Dich verdrücken. Okay, Deine Geburtstagsparty am 24.12. ist ohnehin Quatsch (falsches Datum, blödsinnige Bräuche mit Coca Cola Trucks, Fressorgien, Einkaufswahn und geheuchelter Nächstenliebe), da bleib besser weg, echt. So viele apokalyptische Reiter kannst Du gar nicht herbeirufen, um dem Treiben ein Ende zu machen, wenn Du das siehst. Allerdings solltest Du nicht erst zum Armageddon kommen sondern ruhig deutlich früher, bestimmt lässt sich ja noch etwas regeln und wir können uns wieder versöhnen. Vielleicht bekommt Ihr ja eine partielle Sintflut hin, die nur die größten Idioten erwischt? Frag sonst mal nach bei Angela Merkel und Bill Gates, die sollen so etwas in der Art angeblich mit einem Impfstoff versucht haben, sind allerdings gescheitert.
Zum Thema
Jedenfalls würde gerne mit Dir über etwas reden, was mir aus beruflicher Sicht auf der Seele liegt, auch über die Situation in verwandten Berufen. Du kannst Deinen himmlischen Dateien bestimmt entnehmen, dass ich Logopäde bin und da mit vielen Menschen arbeite, die große gesundheitliche Probleme haben oder von solchen bedroht sind. Kleinkinder, Jugendliche, Erwachsene. Viele von denen brauchen richtig viel Hilfe, aber es gibt einfach nicht genügend von uns, gleichzeitig gibt es immer mehr Menschen, die unsere Hilfe dringend benötigen. Diese Gleichung geht nicht auf. Manche müssen ein Jahr auf einen Therapieplatz warten oder länger, in dieser Zeit kann schon ganz viel vermeidbarer gesundheitlicher Schaden entstanden sein.
Dann sind da auch noch die Krankenkassen, die uns das Leben unnötig schwer machen oder die Ärzte, die manchmal aus Angst vor Ärger mit den Krankenkassen Patienten nicht gerne zu uns lassen. Es fehlt leider überall, in allen medizinischen, therapeutischen, pädagogischen Bereichen so viel Personal und es wird immer schlimmer.
Termin in 14 Monaten
Ich wollte zum Beispiel zum Augenarzt, das war Ende Juli 2023. Am Telefon wurde mir ein Termin für September genannt, das fand ich erstaunlich früh und habe mich bedankt. Blöd war nur, dass es der September 2024 war, also 14 Monate später. So ähnlich geht das auch bei anderen Ärzten. Wer einen Hausarzt sucht hat Pech, denn viele Praxen nehmen keine neuen Patienten an. Und Hausbesuche für bettlägrige Patienten lehnen die meisten ohnehin ab. So auch bei meiner ehemaligen Patientin, die von ihrem Balkon aus auf die Praxis des Hausarztes um die Ecke blicken konnte, Fußweg ca. 60 Sekunden, Hausbesuch abgelehnt. Es gibt regionale Unterschiede, auch Unterschiede zwischen Ballungszentren und ländlichen Regionen, aber selbst in unserer Kreisstadt mit 55.000 Einwohnern ist dieser Mangel sowohl bei Hausärzten als auch bei Kinderärzten längst schon Alltag.
https://www.bosch-stiftung.de/de/presse/2021/05/2035-fehlen-deutschland-rund-11000-hausaerzte-experten-empfehlen-den-aufbau-von
Ich habe z. B. einen Patienten, der erst mit über 5 Jahren mit dem Sprechen begonnen hat, das ist natürlich viel zu spät. Er ist nicht kognitiv beeinträchtigt, aber die Sprache wollte sich einfach nicht entwickeln. Dem wollten wir einen Platz in einer Rehaklinik für ein paar Wochen vermitteln, da war er etwas über 4 Jahre alt. In so einer Rehaklinik sind die Kinder für 4 Wochen und wenn nicht gerade die obligatorische Personalknappheit einen Strich durch die Rechnung macht, dann werden die Kinder in dieser Zeit intensiv gefördert und können richtig gute Fortschritte machen. Weißt Du, wann er diesen Platz bekommt? Wenn er längst 6 Jahre alt und bereits in der Schule ist. Ein mit der Antragstellung überforderter Arzt, eine gleichgültige Therapeutin (ich darf diesen Antrag leider nicht selbst stellen) und völlig überlaufene Rehakliniken mit zu wenig Personal machen das zu einem Thema von zu vielen Monaten.
Immer wieder wäre es auch wichtig, dass kleine Patienten ein Platz in der Frühförderstelle bekommen, im Autismuszentrum oder eine umfassende Untersuchung im SPZ. In diesem Alter muss das schnell gehen, damit die Kinder frühzeitig die Chance auf eine altersgemäße Entwicklung erhalten mit den entsprechenden Therapien und nicht erst dann, wenn sich Probleme manifestiert haben. Die Wartelisten sind auch hier unglaublich und unter einem Jahr wird man keinen Platz bekommen. Das ist sehr viel Zeit, manch ein Kind ist dann schon in der Schule oder steht kurz davor. Zu wenig Personal für zu viele Kandidaten.
Zwillinge
Wir haben ein Zwillingspärchen, beide Kinder sind stark entwicklungsverzögert bei frühkindlichem Autismus. Ohne Unterstützung kommen beide im Kindergarten nicht zurecht, aber nur eines von beiden bekommt diese Unterstützung durch eine sog. Einzelfallhilfe. Was mit der anderen ist wird man sehen, Pech gehabt. Natürlich gibt es zu wenig Personal auch hier, und da noch Fachkräfte zu finden ist reines Glück. Kein Wunder, dass da die Stunden, in denen Kinder Hilfe bekommen, schnell zusammengestrichen und reduziert werden bis eine solche Betreuung kaum noch Sinn macht. Es kam auch vor, dass eine Mutter, die mit der Erziehung ihrer eigenen Kinder heillos überfordert war, eine solche Stelle bekam. Mein damaliger kleiner Patient hat das aber sehr souverän gelöst: „Die ist doof, die will ich nicht.“ So kam es dann auch, die Frau hatte keine Chance bei dem Kind und das war auch besser so.
Da ist ein anderer Patient, der gerade eingeschult wurde und aus medizinischen Gründen nach einer kurzen Zeit Probleme bekommt und krampft. Noch vor geraumer Zeit hätte er, damit der Einstieg in das Schulleben funktionieren kann, schnell eine Schulbegleitung bekommen. Schnelle Hilfe, gerade in den schwierigen ersten Wochen im neuen Leben mit so vielen Herausforderungen und die Chance, dass er nicht vom ersten Tag an scheitert – das wäre der eigentliche Weg gewesen. Jetzt möchte man die ersten beiden Schuljahre mal sehen, ob das nicht auch so funktioniert, die schulischen Maßnahmen abwarten. Ich behaupte, dass es nicht nur am geeigneten Personal scheitert sondern auch am Geld, hat doch alleine unser Kreis jährlich einen deutlichen zweistelligen Millionenbetrag für dieses spezielle Personal zu stemmen. Ich weiß, dass ich mich wiederhole – geeignetes Personal fehlt.
Überall das Gleiche
Aber ich sagte ja, dass es nicht nur uns betrifft, wie schwierig ist in der Pflege ist kannst Du erfahren, wenn ich mit Dir mal das eine oder andere Heim besuche. Während die einen Politiker versuchen, Pflegekräfte aus anderen Ländern anzuwerben sitzen Menschen, die aus solchen Ländern geflohen sind, hier gezwungenermaßen ihre Zeit ab ohne arbeiten zu dürfen. Gleichzeitig gibt es eine Partei, die solche Menschen wieder in ihre kriegsgebeutelten Länder abschieben möchten, so viele wie möglich. Nicht wenige von denen – jetzt halte Dich gut an einer Wolke fest – nennen sich „Christen“. Da brauchst Du keinen Logopäden um zu erkennen, welchen Wortstamm sich diese Christen unverschämter Weise mit Deinem Namen teilen. Einer dieser Heuchelchristen war immerhin so nett, die völlig überlasteten Pflegekräfte während der Coronawelle mit Applaus zu entlohnen. Wenn Du noch einen funktionierenden Heiligenschein übrig hast, kann ich Dir den Namen nennen. Aber bitte nicht wundern, wenn Du den kaputt zurück bekommst, denn genau dieser Heuchelchrist wollte, kaum dass in Syrien ein Diktator vertrieben wurde, die hier lebenden syrischen Flüchtlinge mit ein paar Euro in der Hand zurück schicken, hinein in ein zerstörtes Land mit einer völlig ungewissen Zukunft. Würde er wenigstens mitfliegen wollen und die Menschen tatkräftig unterstützen! Aber dafür ist es dann bestimmt doch nicht sicher genug.
Vergiss es
Solltest Du demnächst doch mal hier vorbeikommen und Dich ein paar Tage inkognito unter uns mischen, könnte Dich das also emotional sehr belasten und Du würdest Dir vielleicht psychotherapeutische Unterstützung suchen wollen. Damit bin ich auch schon beim nächsten Punkt: vergiss es, komm nur zu unserem Gespräch oder mache schon mal in einer anderen Ecke des Universums einen Termin. Du bist Selbstzahler, das macht es etwas, aber auch nur etwas leichter, als Kassenchristkind müsstest Du nämlich erst mal passende Therapeuten mit Kassenzulassung finden. Aber auch als Privatchristkind sieht es mit Terminen nicht so toll aus. In dem verlinkten Artikel werden Wartezeiten von 5 Monaten genannt, die Krankenkassen fantasieren von 15 Tagen. Die Realität ist aber noch sehr viel schlimmer, denn auch hier sind Wartezeiten von einem Jahr und länger alles andere als ungewöhnlich. Jetzt stell Dir mal etwas wie die Geschichte mit Saulus vor, wenn den nicht zufällig der Blitz getroffen hätte (ist da eigentlich die Redewendung „Den soll der Blitz beim Scheißen treffen!“ aufgekommen?), wäre der auch ein Fall für eine Psychotherapie gewesen. Wieweit wäre der bei über einem Jahr Wartezeit wohl herumgekommen, um weiter Christen zu meucheln statt mit seinem Therapeuten darüber reden und sich ändern zu können?
https://www1.wdr.de/nachrichten/zu-wenig-therapieplaetze-trotz-genuegend-therapeuten-100.html?fbclid=IwY2xjawHHypFleHRuA2FlbQIxMAABHQC_zVxdJdqd0HrbPDh4ab3OTuC1ok_TunF7kadOKdgUgiQZQkjx_gHIfA_aem_xXAdirm8Z9VsGeQ5tHGH7w
Hast Du eigentlich Kinder?
Hast Du eigentlich Kinder? Wir wissen ja so wenig über Dich, im passenden Alter bist Du längst. Wenn Du Kinder hast, dann bringe die bloß nicht hier in eine Kita. Nichts gegen die Kitas an sich und nichts gegen die Erzieherinnen, da gibt es ganz tolle Menschen, die wirklich engagierte Arbeit machen. Aber es ist wieder die Sache mit dem Geld und mit dem Personal. Ich verlinke hier mal etwas, da schlackerst Du mit den Flügeln.
Ein Erzieher für 60 Kinder : NRW lockert Personalvorgaben in Kitas bei Ausfällen
Dass man kreative Lösungen sucht, um dem chronischen Personalmangel entgegenzuwirken ist gut und wichtig. Schließlich ist es weder für Arbeitnehmer noch für deren Arbeitgeber witzig, wenn Mütter sich frei nehmen müssen, weil die Kitas vor lauter Fehlzeiten ihres Personals nicht alle Kinder versorgen können. Es ist ja schon schlimm genug, dass Kinder nicht selten viel zu krank in die Kitas geschleppt werden, weil gerade alleinerziehende und berufstätige Mütter sich nicht anders zu helfen wissen. Aber dass im Zweifelsfall eine Erzieherin 60 Kinder zu betreuen hat, unter denen immer mehr schwierige Fälle sind, die engmaschig begleitet werden müssen, kann ja auch nicht die Lösung sein. Gar nicht daran denken möchte ich, wer da vielleicht nach einem Crashkurs in Sachen Pädagogik in die Kitas rutscht und auf die Kinder losgelassen wird. Da muss die eine Fachkraft dann zwar nur 40 Kinder beaufsichtigen statt 60, was aber mit den 20 anderen Kindern passiert weiß sie nicht. Vielleicht lernen die ja gerade das Horst Wessel Lied oder wie man eine Knarre auf Kinder mit falscher Hautfarbe und falschem Glauben richtet.
Muss ich jetzt überhaupt noch einen Wunschzettel schreiben? Wenn das die Voraussetzung für die Erfüllung von Wünschen ist, dann versuche ich es halt mal.
Mein Wunschzettel
Neben den üblichen Wünschen, die uns Mietnomaden jedes Jahr begleiten und die ich hier nicht wiederholen muss wäre da:
In der letzten Zeit finden die Schwächsten unserer Gesellschaft immer weniger Unterstützung und die Befürchtung, dass sich die Lage mit einem möglichen Kanzler Friedrich Isognud Merz noch verschärfen wird, ist gar nicht so übertrieben. Wenn auch noch die Partei, die sich für eine Regierungsalternative hält und nicht für eine in einer tragende Rolle in einem Horroroman von Stephen King, tatsächlich in einer neuen Regierung auftauchen sollte, dann wissen wir, dass Ihr da oben das Armageddon für soziale Politik auf den Weg gebracht habt. Also sieh bitte zu, dass es mit den Wahlen vernünftig läuft. Es muss ja nicht gleich der ganz große Wurf sein mit neuen Parteien, neuer Politik oder etwa, dass dem Buchstaben „C“ im Kürzel bestimmter Parteien plötzlich Glaubwürdigkeit verliehen wird, dafür wird die Zeit nicht reichen. Eher bekommt Ihr die Sache mit den 6+1 Tagen in einer anderen Ecke des Universums nochmal hin und könnt hier die Escape Taste drücken.
Setzt Euch einfach mal zusammen und überlegt, wie Ihr die o.a. Probleme hier unten in den Griff bekommt, ich befürchte nämlich, dass wir Menschen das aus eigener Kraft gar nicht hinbekommen können. Wenn Du nur mal sehen könntest, welche Ressourcen so viele Kinder haben und wie die Möglichkeiten, diese zu entdecken oder gar zu fördern immer mehr schwinden, dann sollte Euch das doch jegliche Anstrengung wert sein. Es ist doch jetzt schon so dass viele, die durch alle Raster der Förderung fallen, nicht in unserer Gesellschaft ankommen, in Ermangelung von Perspektiven auf die schiefe Bahn geraten oder die falscheste aller Parteien im Land wählen.
Auch an die Menschen möchte ich einen Wunschzettel schreiben, einen kleinen aber nur angesichts Eurer eingeschränkten Möglichkeiten. Doch diese bescheidenen Möglichkeiten solltet Ihr nutzen. Es dauert ja nicht lange, bis in diesem Land die nächste Regierung gewählt wird. Ihr habt Kinder oder Enkelkinder, vielleicht auch Urenkel. Ihr habt Eltern oder Großeltern. Ihr seid gesund oder krank, Ihr wisst zumindest, dass Ihr irgendwann einmal krank werden könntet. Entweder seid Ihr oder Eure Angehörigen bereits von diesen Problemen betroffen oder es kann sein, dass dies auf Euch zukommen. Bevor Ihr also wählen geht seht Euch genau an, welche Antworten die jeweiligen Parteien auch auf diese Fragen haben. Keine wird dabei sein, die wie mit einem Zauberstab alles zum Guten wenden wird, das geht einfach nicht. Aber es gibt solche, mit denen die Schere zwischen arm und reich und damit auch zwischen krank und gesund immer weiter auseinanderklaffen wird und solche, die diesem Prozess entgegenwirken möchten. Einfach aus Trotz etwas wählen, was alles noch schlechter macht – dafür solltet Ihr Euch selbst zu wichtig sein.
Lasst das Christkind nicht alleine, tragt Euren Teil dazu bei, diese Welt gerechter zu machen. Nicht nur für andere, auch für Euch und Eure Nächsten.
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