Ein Jahr Krieg – kein Ende in Sicht

Der Angriff Russlands auf die Ukraine hat sich gejährt. Uns so wie es aussieht, wird der Krieg noch lange dauern. Eine Kolumne von Heinrich Schmitz.


Bild von Binärius auf Pixabay

Am 12.2.2022 schrieb ich die Kolumne „Vor dem Krieg“. Leider bewahrheitete sich meine Befürchtung eines neuen Krieges und obwohl man wissen musste, dass ein Krieg nichts bringt außer Tod und Leid, dauerte es nur ein paar Tage, bis Russland die Ukraine angriff. Nichts hätte ich mir da mehr gewünscht, als mit meiner Kriegsprognose daneben zu liegen. Aber alle Forderungen nach Verhandlungen verpufften mit den Raketen-, Drohnen- und Panzerangriffen der russischen Armee.

Der russische Präsident Putin bestand und besteht zwar heute noch darauf, dass er keinen Krieg gegen die Ukraine begonnen habe, sondern lediglich eine militärische Spezialoperation zur Befreiung der ukrainischen Bevölkerung aus den Klauen einer korrupten Naziherrschaft durchführt, aber außer ihm und ein paar verpeilten Querfrontlern nimmt ihm niemand diesen Schwachsinn ab.

Nun hatte ich mich in meiner Kolumne vor über einem Jahr – also noch vor Ausbruch des Kriegs – schon für Verhandlungen ausgesprochen.

Es mag Situationen geben, in denen ein Krieg ein notwendiges Übel zur Beseitigung unerträglicher  Menschenrechtsverletzungen ist. Zur Beseitigung eines Hitlers, wenn man den nicht eleganter beseitigen konnte. Aber eine derartige Situation lag und liegt in der Ukraine beim besten Willen nicht vor. Da muss weiter geredet und verhandelt werden. Da muss mehr Baerbock sein.

Reden garantiert zwar keine Erfolge, aber es tötet auch keine Menschen. Nichtreden oder gar Drohen und Wüten kann aber erst recht keinen Konflikt lösen. Am Ende muss ja sowieso geredet werden. Wozu dann erst viele Tote?

Leider vergeblich. Nun sind schon unzählige Menschen gestorben und viele Städte zerstört.  Und nun werden erneut Verhandlungen gefordert. Das ist zunächst einmal nichts Verkehrtes. Allerdings wird von den Verfassern des Wagenknecht/Schwarzer-Manifests recht offen gefordert, die Waffenlieferungen an die Ukraine zu stoppen. Im Manifest heiß es:

Verhandeln heißt nicht kapitulieren. Verhandeln heißt, Kompromisse machen, auf beiden Seiten.
Mit dem Ziel, weitere Hunderttausende Tote und Schlimmeres zu verhindern.
Das meinen auch wir, meint auch die Hälfte der deutschen Bevölkerung. Es ist Zeit, uns zuzuhören!

Wir Bürgerinnen und Bürger Deutschlands können nicht direkt auf Amerika und Russland oder auf unsere europäischen Nachbarn einwirken. Doch wir können und müssen unsere Regierung und den Kanzler in die Pflicht nehmen und ihn an seinen Schwur erinnern: „Schaden vom deutschen Volk wenden“.

Wir fordern den Bundeskanzler auf, die Eskalation der Waffenlieferungen zu stoppen. Jetzt! Er sollte sich auf deutscher wie europäischer Ebene an die Spitze einer starken Allianz für einen Waffenstillstand und für Friedensverhandlungen setzen. Jetzt! Denn jeder verlorene Tag kostet bis zu 1.000 weitere Menschenleben – und bringt uns einem 3. Weltkrieg näher.

Aha. Über was genau verhandelt werden soll, wird zwar nicht gesagt, aber Kompromisse werden gefordert. Welche Kompromisse könnten das denn von Seiten der Ukraine sein? Und vor allem, warum sollte Putin verhandeln, wenn „wir“ nun die Waffenlieferungen stoppen und die Ukraine damit wehrlos machen? Neutralität bedeutet in diesem Fall Unterstützung für den Aggressor. Der braucht doch nur noch zu warten, bis der Ukraine das Material ausgeht und dann, wie der ehemalige russische Präsident Dmitri Medwedew vor ein paar Tagen forderte,

Die Grenzen, die unser Land bedrohen, so weit wie möglich zurückzuschieben, auch wenn es die Grenzen Polens sind.“

Dass Grenzen ein Land bedrohen können, ist mir auch neu. Ich finde wesentlich bedrohlicher, wenn Panzer über fremde Grenzen rollen und sich auf fremdem Staatsgebiet breit machen.

So nicht

Nein, so wird das nichts. Man könnte sofort verhandeln, wenn Putin seine Truppen zurückzieht und den Boden der Ukraine verlässt. Es kann nicht sein, dass der Aggressor für seinen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg am Ende damit belohnt wird, dass er einen Teil der Ukraine als Kriegsbeute einsackt. Das mag zwar einigen Unterstützern des Manifests, wie z.B. dem AfD-Vorsitzenden Tino Chrupalla, der vor Kurzem erst in Russland einen Kranz niederlegte, gut gefallen; mir gefällt das allerdings überhaupt nicht.

Es steht weder der Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland, noch den Vereinigten Staaten und geschweige denn Frau Wagenknecht und Frau Schwarzer zu, von der Ukraine zu verlangen, ihre staatliche Souveränität oder ihr Staatsgebiet aufzugeben. Welche Verteidigungsziele die Ukraine verfolgt und wann und wo sie eventuell verhandlungsbereit ist, ist alleine Sache der Ukraine.

Moralische Pflicht

Und da die Ukraine in eindeutig völkerrechtswidriger Weise angegriffen wurde, ist es nicht nur das Recht, sondern auch unsere moralische Pflicht, die Ukraine in ihren Verteidigungsbemühungen zu unterstützen, und zwar so lange, bis Putin merkt, dass sein schöner Plan komplett in die Hose gegangen ist. Oder bis die russische Bevölkerung dem Verheizen der eigenen Jugend ein Ende macht. Russen werden ihre Kinder nicht weniger lieben als ihr Land.

An diesem Wochenende finde viele Veranstaltungen für den Frieden statt. Man sollte sich allerdings genau ansehen, wer der jeweilige Veranstalter ist und welche Ziele er verfolgt. Wer meint, es diene dem Frieden, hinter russischen Fahnen Seit an Seit mit Rechtsextremen zu demonstrieren, der mag das tun. Es geht aber auch anders.

Allerlei Demos

Unter dem Motto „Stoppt das Töten in der Ukraine – für Waffenstillstand und Verhandlungen!“  gibt es eine ganze Reihe von Demonstrationen bei den ganz klar gesagt wird:

Wir sind ein Bündnis zivilgesellschaftlicher Organisationen und sind solidarisch mit allen Menschen, die sich gegen Krieg einsetzen. Wir laden alle Menschen ein, die sich gegen den Krieg und gegen Aufrüstung einsetzen möchten!
Für Menschen und Gruppen aus dem nationalistischen und antidemokratischen Spektrum ist auf unseren Aktionen kein Platz. Ebenso erteilen wir Menschen und Gruppen, die wissenschaftsfeindlich sind, die Journalist*innen angreifen, sowie Menschen und Gruppen, die Verschwörungsmythen anhängen und/oder diskriminierende Botschaften und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit wie etwa Rassismus, Antisemitismus, Sexismus verbreiten, eine Absage.

Ich glaube zwar, dass auch solche Demonstrationen den Demonstranten emotional mehr bringen als dem erwünschten Frieden, aber das ist ja auch was Schönes. Putin wird es im Zweifel ziemlich egal sein, ob hier gegen den Krieg demonstriert wird. Und würde das in ähnlichem Maße in Russland geschehen, dann wäre die Wahrscheinlichkeit hoch, dass diese Demos zusammengeprügelt oder beschossen würden.

Gerechter Friede

Es wird erst dann einen gerechten Frieden geben können, wenn Russland die Ukraine ohne Bedingungen verlassen hat. Bis dahin wird es noch dauern, u.U. noch Jahre. Ein Diktatfrieden nach russischem Gusto mag zwar manch einem gefallen, für den die USA der eigentliche Feind sind, er wäre aber kein Frieden, der auf Dauer beständig wäre. Denn eines hat die Geschichte gelehrt: irgendwann kollabiert jedes Unrechtssystem und da wird die russische Scheindemokratie keine Ausnahme bilden. Irgendwann werden die Kriegsverbrecher vor einem Gericht stehen und ihre gerechte Strafe bekommen. Und dann sieht die Welt wieder anders aus.

Heinrich Schmitz

Heinrich Schmitz ist Rechtsanwalt, Strafverteidiger und Blogger. In seiner Kolumne "Recht klar" erklärt er rechtlich interessante Sachverhalte allgemeinverständlich und unterhaltsam. Außerdem kommentiert er Bücher, TV-Sendungen und alles was ihn interessiert- und das ist so einiges. Nach einer mit seinen Freital/Heidenau-Kolumnen zusammenhängenden Swatting-Attacke gegen ihn und seine Familie hat er im August 2015 eine Kapitulationserklärung abgegeben, die auf bundesweites Medienecho stieß. Seit dem schreibt er keine explizit politische Kolumnen gegen Rechtsextreme mehr. Sein Hauptthema ist das Grundgesetz, die Menschenrechte und deren Gefährdung aus verschiedenen Richtungen.

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