Gleicher Lohn für gleiche Arbeit
Eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts macht Furore: Frauen haben Anspruch auf den gleichen Lohn wie Männer. Erstaunlicherweise ist das eine Sensation. Eine Kolumne von Heinrich Schmitz.
Bild von Rodrigo Salomón Cañas auf Pixabay
Hätten Sie gedacht, dass eine Frau erst bis zum Bundesarbeitsgericht (BAG) gehen muss, damit sie ihren Anspruch auf den gleichen Lohn wie ihre gleich qualifizierten Kollegen durchgesetzt bekommt? Mich erstaunt weniger die Entscheidung, von der das BAG bisher nur das Sitzungsergebnis, nicht aber das vollständige Urteil veröffentlicht hat, als vielmehr die Tatsache, dass die Vorinstanzen das anders gesehen haben.
Zum Sachverhalt:
Die Klägerin, die verdient hat, dass man auch ihren Namen nennt, also Frau Susanne Dumas, war seit dem 1. März 2017 bei der Beklagten, einer Metall-Firma aus Sachsen, als Außendienstmitarbeiterin im Vertrieb beschäftigt. Ihr einzelvertraglich vereinbartes Grundgehalt betrug anfangs 3.500,00 Euro brutto.
Neben der Klägerin waren zwei männliche Arbeitnehmer als Außendienstmitarbeiter im Vertrieb der Beklagten beschäftigt. Einer der beiden seit dem 1. Januar 2017, also zwei Monate vor der Klägerin. Die Beklagte hatte auch diesem Arbeitnehmer ein Grundentgelt iHv. 3.500,00 Euro brutto angeboten, was dieser – ganz Mann – jedoch gleich ablehnte. Er verlangte vielmehr für die Zeit bis zum Einsetzen einer zusätzlichen leistungsabhängigen Vergütung, d.h. für die Zeit bis zum 31. Oktober 2018 ein 1000.–€ höheres Grundentgelt, also 4.500,00 Euro brutto. Die Beklagte akzeptierte das.
Nachdem die Beklagte dem Arbeitnehmer in der Zeit von November 2017 bis Juni 2018 – wie auch der Klägerin – ein Grundentgelt iHv. 3.500,00 Euro gezahlt hatte, vereinbarte sie mit diesem ab dem 1. Juli 2018 eine Erhöhung des Grundentgelts auf 4.000,00 Euro brutto. Zur Begründung berief sie sich unter anderem darauf, dass dieser Arbeitnehmer einer ausgeschiedenen, besser vergüteten Vertriebsmitarbeiterin nachgefolgt sei. Ab dem 1. August 2018 zahlte die Beklagte dem männlichen Arbeitnehmer ein tarifvertragliches Grundentgelt nach derselben Entgeltgruppe wie der Klägerin, das sich in Anwendung der „Deckelungsregelung“ des § 18 Abs. 4 des Haustarifvertrags auf 4.120,00 Euro brutto belief. Das mit diesem Haustarifvertrag und der Deckelung ist hier allerdings nicht mein Thema.
Gleiche Kohle
Mit ihrer Klage wollte die Klägerin erreichen, dass sie ebenso entlohnt würde wie ihre beiden männlichen Kollegen. Sie ist der Auffassung, die Beklagte müsse ihr ein ebenso hohes Grundentgelt zahlen wie ihrem fast zeitgleich eingestellten männlichen Kollegen. Dies folge daraus, dass sie die gleiche Arbeit wie ihr männlicher Kollege verrichte. Da die Beklagte sie beim Entgelt aufgrund des Geschlechts benachteiligt habe, schulde sie ihr zudem die Zahlung einer angemessenen Entschädigung.
Was ich nicht verstehe ist, dass die Klägerin in den Vorinstanzen gescheitert ist. Das ist jetzt keine hoch komplizierte Rechtsfrage, sondern von den gesetzlichen Regeln lange vorgegeben, wenn auch offenbar in der männlich geprägten Unternehmer- und Arbeitgeberwelt nicht angekommen.
So verweist auch das BAG auf verschiedene Vorschriften, die an dem Recht auf gleiche Entlohnung für gleiche Arbeit nicht den geringsten Zweifel lassen:
Jeder Mitgliedstaat stellt die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit sicher.
§ 3 EntgTranspG (Verbot der unmittelbaren und mittelbaren Entgeltbenachteiligung wegen des Geschlechts):
(1) Bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit ist eine unmittelbare oder mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts im Hinblick auf sämtliche Entgeltbestandteile und Entgeltbedingungen verboten.
§ 7 EntgTranspG (Entgeltgleichheitsgebot):
Bei Beschäftigungsverhältnissen darf für gleiche oder für gleichwertige Arbeit nicht wegen des Geschlechts der oder des Beschäftigten ein geringeres Entgelt vereinbart oder gezahlt werden als bei einer oder einem Beschäftigten des anderen Geschlechts.
Es ist ja auch unter gar keinem Gesichtspunkt zu rechtfertigen, dass ein Mann für dieselbe Tätigkeit mehr Kohle bekommen soll, als eine Frau.
Im Sitzungsergebnis heißte es:
Die Beklagte hat die Klägerin in der Zeit von März bis Oktober 2017 sowie im Juli 2018 dadurch aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt, dass sie ihr, obgleich die Klägerin und der männliche Kollege gleiche Arbeit verrichteten, ein niedrigeres Grundentgelt gezahlt hat als dem männlichen Kollegen. Die Klägerin hat deshalb einen Anspruch nach Art. 157 AEUV*, § 3 Abs. 1** und § 7 EntgTranspG*** auf das gleiche Grundentgelt wie ihr männlicher Kollege. Der Umstand, dass die Klägerin für die gleiche Arbeit ein niedrigeres Grundentgelt erhalten hat als ihr männlicher Kollege, begründet die Vermutung nach § 22 AGG****, dass die Benachteiligung aufgrund des Geschlechts erfolgt ist. Der Beklagten ist es nicht gelungen, diese Vermutung zu widerlegen. Insbesondere kann sich die Beklagte für den Zeitraum von März bis Oktober 2017 nicht mit Erfolg darauf berufen, das höhere Grundentgelt des männlichen Kollegen beruhe nicht auf dem Geschlecht, sondern auf dem Umstand, dass dieser ein höheres Entgelt ausgehandelt habe. Für den Monat Juli 2018 kann die Beklagte die Vermutung der Entgeltbenachteiligung aufgrund des Geschlechts insbesondere nicht mit der Begründung widerlegen, der Arbeitnehmer sei einer besser vergüteten ausgeschiedenen Arbeitnehmerin nachgefolgt.
Der Arbeitgeber kann also nicht unterschiedliche Gehälter mit dem Argument rechtfertigen, der Mann habe halt besser verhandelt. Das ist schon ein dummdreistes Stück, mit einer Frau 3500.–€ zu vereinbaren, während man gerade erst einen Mann mit der gleichen Tätigkeitsbeschreibung und Qualifikation für 4500.–€ eingestellt hat. Was soll das sein? Eine Gliedertaxe? Um es mit den Kölner Rechtsphilosophen Blom und Blömcher zu sagen:
Das konnte natürlich niemand wissen, existiert die Equal Pay Vorgabe der EU doch erst seit 1957, also quasi erst seit letzter Woche. Und das Grundgesetz ist sogar noch 8 Jahre älter und enthält ebenfalls den konkretisierten Gleichheitssatz „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“, ohne das sich da irgendein Grinsesmiley befinden würde. Wieso es erst bis 2023 dauern muss, bis da ein Gericht da mal auf den Tisch haut, ist nicht nachvollziehbar, hängt aber wohl damit zusammen, dass das bisher keine Frau bis zum Bundesarbeitsgericht durchgezogen hat. Alleine dafür gebührt der Klägerin und ihrer Anwältin höchstes Lob.
Nun sind Gehaltsunterschiede dabei ja nicht ausgeschlossen, aber sie dürfen halt nur durch objektive arbeitsbezogene Kriterien wie z.B. Berufserfahrung oder Qualifikation begründet sein, nicht aber durch das Geschlecht.
Intransparenz
Das Problem bei solchen Ungerechtigkeiten in der Entlohnung ist allerdings, dass man, also konkret als Frau, erst mal dahinter kommen muss, dass der Kollege mehr verdient. Transparenz ist da kaum gegeben. In Deutschland ist es auch nicht üblich, mit den Kollegen über sein Gehalt zu reden. Das ist in anderen Ländern ganz anders. In Schweden z.B. kann jeder sehen, wie viel andere verdienen. Transparenz ist da ein Wert mit Verfassungsrang. Ob mir das nun so besonders gefällt, wenn mein Nachbar genau weiß, wie viel ich verdiene, weiß ich nun auch nicht, aber innerhalb eines Unternehmens hätte ich kein Problem damit, wenn jeder erfahren würde, was die anderen Kollegen, die die gleiche Arbeit bei gleicher Qualifikation machen, so auf ihren Gehaltsabrechnungen haben.
Zwar gibt es seit dem 6. Januar 2018 auch in Deutschland das Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG), aber das hilft auch nicht viel. Denn zum einen nehmen nur wenige Beschäftigte ihren Auskunftsanspruch überhaupt wahr, und zum anderen ignorieren die Betriebe das Gesetz schlicht und ergreifend. Außerdem greift die Vorschrift nur in Unternehmen mit mehr als 200 Beschäftigten. Die meisten Frauen arbeiten aber in kleineren Betrieben. Der Gesetzgeber sollte also mal nachbessern und vielleicht eine Null von den 200 streichen. Und außerdem kümmert sich natürlich niemand um ein Gesetz, das bei Verstößen keine Sanktionen vorsieht. Das versuche ich schon seit langem meinen Rechtskundeschülern zu erklären. Ein Gesetz besteht aus Tatbestand und Rechtsfolge, und wenn ein Verstoß gegen den Tatbestand keine Rechtsfolge auslöst, dann hält sich auch niemand dran. Wer diese simple Regel als Gesetzgeber nicht beachtet, der kann sich solche gut gemeinten und schlecht gemachten Schaufenstergesetze auch gleich schenken.
Vor allem aber sollten jetzt mal mal die Frauen scharenweise ihre berechtigten Forderungen geltend und den Betrieben Feuer unter dem Hintern machen. Es geht und es bringt was. Jetzt erst recht.
Und damit man nicht jedesmal ein Crowdfunding organisieren muss, empfiehlt sich der Abschluss einer Rechtsschutzversicherung, die Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis komplett abdeckt. Denn nur so macht es Spaß durch alle Instanzen zu marschieren.
Frau Dumas und ihrer Rechtsanwältin, der Kollegin Susette Jörk, aus dem Leipziger Anwältinnenbüro meinen herzlichen Glückwunsch zu dieser bahnbrechenden Entscheidung.