Boris Becker und der Knast

Boris Becker wurde zu zweieinhalb Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Nun musste er umgehend ins Gefängnis. Eine Katastrophe? Eine Kolumne von Heinrich Schmitz


Foto: dietmaha in Pixabay

Am 7. Juli 1985 waren wir mit unserer damals gerade zweijährigen Tochter in einem Kurzurlaub in einem niederländischen Centerpark. Glauben Sie bitte nicht, ich hätte ein überragendes Gedächtnis, hab ich nicht. Schon gar nicht für Daten. Aber an diesem Tag gewann der „17-jähige Leimener“ zum ersten Mal als ungesetzter Spieler Wimbledon. Vor diesem Turnier hatte ich mit Tennis nichst am Hut. Das war für mich ein Sport, der in meiner Umgebung überwiegend von arroganten, reichen Mitbürgern – man kann auch sagen, blasierten Affen – gespielt wurde, mit denen ich nur ungern zu tun haben wollte.

Aufwärts

Aber in diesem Urlaub hingen wir alle fasziniert vor der Glotze und staunten über diesen frechen Kerl, der sich mit einem Ass nach dem anderen durch das Turnier schlug. „Bumbum“ und „Bobele“ bluberte auch unsere Tochter schon, wenn sie den Rotschopf sah. Da wurde ein Jahrhundertsportheld geboren. Und in der folgenden Zeit gewann Becker so ziemlich alles, was man im Tennis gewinnen konnte.

Und wie das immer so ist, wenn ein Mensch zu Geld und Ruhm kommt, scharen sich die Geier um ihn, um ebenfalls an Ruhm oder jedenfalls an viel Geld zu kommen. Irgendwann lebte Becker dann auf großem Fuß, verdiente eine Mörderkohle und gab sie auch wieder aus. Teure Investitionen, teure Frauen, teure Seitensprünge.

Und wie das auch nicht ungewöhnlich ist, will man von seinem sauer verdienten Reichtum nicht gerne was an den Staat abdrücken und es kam in Deutschland zu einem Steuerhinterziehungsverfahren. Da hatte Becker noch mal Schwein und bekam eine Bewährungsstrafe. Also – aus der Sicht vieler Angeklagter – nix passiert. Puh.

Abwärts

In der Folge lief es aber nie mehr so richtig und am bitteren Ende hatten sich mindestens 36 Millionen an Schulden aufgetürmt, die Becker oder seine Firmen, nicht mehr bezahlen konnten. Patsch, Insolvenz. Das ist nichts Ungewöhnliches und schon gar nichts, was unehrenhaft wäre. Kommt in den besten Familien vor. So eine Insolvenz ist vor allem eine Chance, seine Schulden bei entsprechendem Wohlverhalten endgültig wieder loszuwerden. Dazu muss man sich allerdings an die Regeln halten, wozu auch gehört, dass man komplett die Hosen runter lässt und alle Vermögensgegenstände wahrheitsgemäß dem Insolvenzverwalter angibt. Tut man das nicht, ist das eine Straftat, nicht nur in England. Schließlich schädigt man damit seine Gläubiger, die eh schon gebeutelt sind.

Taktik

Nun wollte Becker dem Gericht weis machen, dass er mit seiner gesamten Vermögensverwaltung gar nichts zu tun hatte. Ich bin klein, mein Herz ist rein.Klar hatte der eine Armada von Beratern, Anwälten, Steuerberatern und was auch immer. Aber in den Fällen, in denen er letztlich von der Jury für schuldig befunden wurde, hatte er selbst gehandelt. Und da kann man kaum noch plausibel erklären, dass man davon nichts gewusst hat, sofern man nicht unter einer gespaltenen Persönlichkeit leidet.

Das ist auch in Deutschland strafbar.

§ 283 Bankrott

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer bei Überschuldung oder bei drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit

1.

Bestandteile seines Vermögens, die im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Insolvenzmasse gehören, beiseite schafft oder verheimlicht oder in einer den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft widersprechenden Weise zerstört, beschädigt oder unbrauchbar macht,

2.

in einer den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft widersprechenden Weise Verlust- oder Spekulationsgeschäfte oder Differenzgeschäfte mit Waren oder Wertpapieren eingeht oder durch unwirtschaftliche Ausgaben, Spiel oder Wette übermäßige Beträge verbraucht oder schuldig wird,

3.

Waren oder Wertpapiere auf Kredit beschafft und sie oder die aus diesen Waren hergestellten Sachen erheblich unter ihrem Wert in einer den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft widersprechenden Weise veräußert oder sonst abgibt,

4.

Rechte anderer vortäuscht oder erdichtete Rechte anerkennt,

5.

Handelsbücher, zu deren Führung er gesetzlich verpflichtet ist, zu führen unterläßt oder so führt oder verändert, daß die Übersicht über seinen Vermögensstand erschwert wird,

6.

Handelsbücher oder sonstige Unterlagen, zu deren Aufbewahrung ein Kaufmann nach Handelsrecht verpflichtet ist, vor Ablauf der für Buchführungspflichtige bestehenden Aufbewahrungsfristen beiseite schafft, verheimlicht, zerstört oder beschädigt und dadurch die Übersicht über seinen Vermögensstand erschwert,

7.

entgegen dem Handelsrecht

a)

Bilanzen so aufstellt, daß die Übersicht über seinen Vermögensstand erschwert wird, oder

b)

es unterläßt, die Bilanz seines Vermögens oder das Inventar in der vorgeschriebenen Zeit aufzustellen, oder

8.

in einer anderen, den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft grob widersprechenden Weise seinen Vermögensstand verringert oder seine wirklichen geschäftlichen Verhältnisse verheimlicht oder verschleiert.

(2) Ebenso wird bestraft, wer durch eine der in Absatz 1 bezeichneten Handlungen seine Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit herbeiführt.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Wer in den Fällen

1.

des Absatzes 1 die Überschuldung oder die drohende oder eingetretene Zahlungsunfähigkeit fahrlässig nicht kennt oder

2.

des Absatzes 2 die Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit leichtfertig verursacht,

wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(5) Wer in den Fällen

1.

des Absatzes 1 Nr. 2, 5 oder 7 fahrlässig handelt und die Überschuldung oder die drohende oder eingetretene Zahlungsunfähigkeit wenigstens fahrlässig nicht kennt oder

2.

des Absatzes 2 in Verbindung mit Absatz 1 Nr. 2, 5 oder 7 fahrlässig handelt und die Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit wenigstens leichtfertig verursacht,

wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(6) Die Tat ist nur dann strafbar, wenn der Täter seine Zahlungen eingestellt hat oder über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet oder der Eröffnungsantrag mangels Masse abgewiesen worden ist.

Wie Sie sehen, geht auch in Deutschland das Strafmaß bis zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren. Und bei einem verursachten Schaden von rund 1 Million und einer Vorstrafe wegen Steuerhinterziehung wären auch hier zweieinhalb Jahre durchaus im Bereich des Erwartbaren.

Chance

Becker wird Rechtsmittel einlegen. Aber ob ihm das großartig etwas bringen wird, ist kaum zu erwarten. Mag sein, dass sein Auftreten vor Gericht angesichts der vier nachweisbaren Taten – 20 waren es ja nicht – nicht besonders clever war, und ein demonstratives zu Kreuze kriechen vielleicht besser angekommen wäre als das komplette Bestreiten seiner Schuld. Aber erstens ist das Beckers Sache und zweitens reine Spekulation.

Nun sitzt er also erst mal. Wenn er sich gut führt, kann er – wie ebenfalls in Deutschland – nach der Hälfte der Zeit raus aus dem Knast. Er hat also nun mindestens 15 Monate Zeit. Vielleicht nutzt er die ja und vielleicht kommt er gereift aus der Nummer raus. Danach weiß er jedenfalls, wer zu ihm hält, wer echte Freunde und Freundinnen sind und wer ihm nur wegen seiner Kohle nachgelaufen ist. Vielleicht zerbricht er auch daran. Glaub ich aber eher nicht. Und so kann er vielleicht nächstes Jahr schon wieder in einem Jahresrückblick auf das Jahr 2023 in einer großen Show sitzen und über seine Haftzeit reden. Dass er ein großer Kämpfer ist, hat er ja zur Genüge bewiesen. Und am Beispiel Uli Hoeness hat er auch gesehen, dass das Leben weitergeht. Vielleicht mal ne Nummer kleiner, aber nicht zwingend schlechter. Es wäre ihm gegönnt.

Heinrich Schmitz

Heinrich Schmitz ist Rechtsanwalt, Strafverteidiger und Blogger. In seiner Kolumne "Recht klar" erklärt er rechtlich interessante Sachverhalte allgemeinverständlich und unterhaltsam. Außerdem kommentiert er Bücher, TV-Sendungen und alles was ihn interessiert- und das ist so einiges. Nach einer mit seinen Freital/Heidenau-Kolumnen zusammenhängenden Swatting-Attacke gegen ihn und seine Familie hat er im August 2015 eine Kapitulationserklärung abgegeben, die auf bundesweites Medienecho stieß. Seit dem schreibt er keine explizit politische Kolumnen gegen Rechtsextreme mehr. Sein Hauptthema ist das Grundgesetz, die Menschenrechte und deren Gefährdung aus verschiedenen Richtungen.

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