Wie wird man einen rechtsextremen Richter los?
Der frühere AfD-Bundestagsabgeordnete Jens Maier darf vorerst nicht als Richter arbeiten. Aber ihn endgültig loszuwerden, ist gar nicht so einfach. Eine Kolumne von Heinrich Schmitz
Foto: Pixabay (gemeinfrei)
Das Dienstgericht für Richter in Leipzig teilte gestern mit, dass es dem 60-Jährigen Jens Maier auf Antrag des sächsischen Justizministeriums vorläufig die Führung der Amtsgeschäfte untersagt habe.
Es begründete diese Entscheidung u.a. damit,
Der öffentliche Eindruck des Richters lasse ihn gegenwärtig nicht mehr als tragbar erscheinen, weil er voraussichtlich nicht die Gewähr biete, sein Amt verfassungstreu, unparteiisch und uneigennützig und ohne Ansehen der Person zu führen
Das Gericht teilte damit im Ergebnis die Einschätzung des Landes Sachsen,
dass der Richter aufgrund seiner exponierten Tätigkeit im „Flügel“ der AfD in der Öffentlichkeit als Rechtsextremist wahrgenommen werde.
Rechtsextremist
Ja klar wird Maier als Rechtsextremist wahrgenommen. Darüber wird er sich nicht wundern. Allerdings reicht das so einfach nicht aus, um einen Richter endgültig aus dem Amt zu entlassen. Ich möchte gar nicht wissen, wie viele Rechtsextreme immer noch in der Justiz tätig sind, allerdings ohne mit ihrer Gesinnung hausieren zu gehen. Aus manchem Urteil trieft der Rassismus.
Das Mittel der Wahl wäre bei Maier eigentlich eine Richteranklage gewesen. Aber hey, dazu bedürfte es einer Zweidrittelmehrheit im Landesparlament und, nun ja, das ist nun mal das sächsische. Und da müssten schon fast alle Abgeordnete außerhalb der AfD für den Antrag stimmen. Kannste knicken.
Daher wohl der Weg über den mir bis gestern völlig unbekannten Paragraphen 31 des Richtergesetzes. Dort heißt es:
§ 31 Versetzung im Interesse der Rechtspflege
Ein Richter auf Lebenszeit oder ein Richter auf Zeit kann
1.
in ein anderes Richteramt mit gleichem Endgrundgehalt,
2.
in den einstweiligen Ruhestand oder
3.
in den Ruhestand
versetzt werden, wenn Tatsachen außerhalb seiner richterlichen Tätigkeit eine Maßnahme dieser Art zwingend gebieten, um eine schwere Beeinträchtigung der Rechtspflege abzuwenden.
Dass der Freistaat Sachsen hier eine Vorschrift aktiviert hat, die bisher nur wenige Male erfolgreich angewendet wurde, liegt darin, dass man wohl kein anderes Instrument als §30 gefunden hat, um Maier aus dem Richteramt zu entlassen. Dort gibt es folgende Gründe:
§ 30
Versetzung und Amtsenthebung
(1) Ein Richter auf Lebenszeit oder ein Richter auf Zeit kann ohne seine schriftliche Zustimmung nur
1. im Verfahren über die Richteranklage (Artikel 98 Abs. 2 und 5 des Grundgesetzes),
2. im gerichtlichen Disziplinarverfahren,
3. im Interesse der Rechtspflege (§ 31),
4. bei Veränderung der Gerichtsorganisation (§ 32)
in ein anderes Amt versetzt oder seines Amtes enthoben werden.
(2) Die Versetzung oder Amtsenthebung kann – außer im Fall des Absatzes 1 Nr. 4 – nur auf Grund rechtskräftiger richterlicher Entscheidung ausgesprochen werden.
(3) Der Versetzung steht es gleich, wenn ein Richter, der mehrere Richterämter innehat, eines Amtes enthoben wird.
Unversetzbar
Da es grundsätzlich recht schwierig ist, einen Richter seines Amtes zu entheben, weil dieses Amt einen starken grundrechtlichen Schutz hat, ist der vom Freistaat gewählte Weg recht clever. Grundsätzlich sind Richter gem. Art. 97 Abs. 2 GG unversetzbar. Da § 31 DRiG hiervon eine Ausnahme darstellt, ist diese Vorschrift recht eng auszulegen. Es muss eindeutig feststehen, dass die Rechtspflege durch einen im Amt befindlichen Richter Maier in schwerwiegender Weise beeinträchtigt wird. Vermutlich wird das zwar im Bundesgebiet von einer Mehrheit der Bevölkerung so gesehen werden, in Sachsen aber eher nicht.
Schaut man sich die Kommentare unter der Meldung z.B. beim ZDF an, dann liest man Dinge wie
Jetzt beginnen wohl die Säuberungsaktionen. Wenn Linksextreme jeden, der nicht ihrer Meinung ist, grundsätzlich als “rechtsextrem” und “Verfassungsfeinde” einstufen, um systematisch einen totalitären Kontrollstaat errichten zu können…
oder
In diesem Staat reicht eine „falsche“ politische Position für ein Berufsverbot. Ein Hoch auf das GG.
Maier hat also durchaus seine Fans. Und nicht wenige wünschen sich grundsätzlich eine härtere Gangart in der Justiz.
Vertrauen
In einem anderen Fall, in dem ein Richter nicht strafbare Kontakte ins Rotlichtmilieu hatte, sagte der BGH dazu:
Davon muß u.a. dann ausgegangen werden, wenn das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Person des Richters oder in seine Amtsführung in so hohem Maße Schaden genommen hat, daß seine Rechtsprechung nicht mehr glaubwürdig erscheint und durch sein Verbleiben in dem ihm anvertrauten Amt zugleich das öffentliche Vertrauen in eine unabhängige und unvoreingenommene Rechtspflege beseitigt oder gemindert würde
BGH, 19.05.1995 – RiZ (R) 1/95, Rn. 9
Das hat nun das Dienstgericht bei Maier so gesehen. Man kann nur hoffen, dass das Dienstgericht seine Entscheidung auch gut und umfassend begründet. Das kann, muss aber nicht gut gehen. Denn ob diese Entscheidung letztlich Bestand haben wird, werden wir wohl abwarten müssen.
Maier ist bekanntlich ein streitbarer Mann und er wird mit ziemlicher Sicherheit gegen die Entscheidung Revision einlegen. Und wenn er damit scheitern sollte, wird er auch vor das Bundesverfassungsgericht ziehen. Und das hat sich mit einem solchen Fall bisher noch nicht beschäftigt.
Vielleicht lassen sich die Gerichte aber auch mit ihren Entscheidungen soviel Zeit, bis Maier die Altersgrenze erreicht hat. Dauert ja sonst manchmal auch furchtbar lange, In diesem Fall würde es bei mir eine klammheimliche Freude hervorrufen. Denn – ganz ehrlich – ich möchte jemanden, der sich selbst als kleinen Höcke und der Noah Becker als „kleinen Halbneger“ bezeichnet, der die Moderatorin Marietta Slomka zu „entsorgen“ forderte, der vor der „Herstellung von Mischvölkern“ warnte und last but not least den „Schuldkult“ für beendet erklärte, nicht in einem Gericht gegenübersitzen müssen. Es könnte ansonsten sein, dass ich mich da spontan übergeben müsste.