Merz – Vorwärts in die Vergangenheit
Die CDU-Mitglieder wählten mit großer Mehrheit der abgegebenen Stimmen Friedrich Merz zum neuen designierten CDU-Vorsitzenden. Eine gute Wahl? Die Samstagskolumne von Heinrich Schmitz
Ich sag’s gleich vorweg. Ich mag Friedrich Merz nicht. Muss ich auch nicht, ich bin weder in der CDU noch in einer anderen Partei. Und dennoch habe ich die Kür des neuen Vorsitzenden mit Interesse beobachtet. Gut daran finde ich, dass die CDU erstmals in ihrer Geschichte ihren Vorsitzenden nicht in Parteigremien – manche sagen auch, im Hinterzimmer – gekürt, sondern auf Druck der Kreisvorsitzenden eine Mitgliederbefragung durchgeführt hat. Mehr Demokratie wagen war ja bisher nicht gerade das Credo der Union.
Die Aufgabe
Und nun durften also erstmals die Mitglieder bestimmen, wer die Partei aus dem aktuellen Tief in eine glorreiche Zukunft führen soll. Nun liegt das Durchschnittsalter der CDU-Mitglieder bei rund 60 Jahren, ähnlich wie bei der SPD. Aber während diese sich mit Lars Klingbeil einen mit 43 Jahren recht jungen und dynamischen neuen Vorsitzenden gewählt hat, setzt man in der CDU auf den 66-jährigen Friedrich Merz. Warum nicht?
Merz meinte:
Junge Besen kehren gut. Aber die alte Bürste kennt die Ecken.
was man auch für einen Altherrenwitz halten könnte.
Bei der nächsten Bundestagswahl wäre der dann 70. Okay, Adenauer war bei seinem Amtsantritt bereits 73, aber zu der Zeit gab es wohl nicht allzu viele unbelastete Kandidaten, die den Job hätten machen können. Warum sich nur politische Auslaufmodelle vom Typ Mann und nicht eine einzige Frau – meinetwegen ja auch eine uralte – beworben haben, kann ich nicht sagen. Komisch ist das schon, auch wenn die CDU einen traditionellen Frauenmangel hat. Vielleicht hat sich auch sonst einfach niemand getraut, dieses Himmelfahrtskommando zu übernehmen. Denn einfach wird das nicht. Und nach Kohl und Merkel haben CDU-Vorsitzende eine kurze Halbwertszeit.
Und dass sich keiner von den jüngeren Ministerpräsidenten für den Job beworben hat, mag daran liegen, dass die sich nicht in der Opposition verbrennen und erst in vier Jahren ihre Ansprüche anmelden wollen. Die sind ja nicht blöd. Und seien wir mal ehrlich, gegen den frühgreisen jungen Amthor wirkt Merz noch ganz frisch.
Ego
Und nun hat Merz es also im dritten Anlauf endlich geschafft. Gegen AKK verloren, gegen – wie hieß der noch? – Laschet ebenfalls und nun der strahlende Sieger. Sieger wie keiner, Halleluja. Endlich am Ziel. Das sei dem Mann gegönnt. An Beharrlichkeit hat es ihm schon mal nicht gefehlt. Und an überbordendem Ego fehlt es ihm auch nicht. Dass jeder eine dritte Chance verdient, werde ich demnächst in meine Plädoyers einfließen lassen, wenn es um die Frage einer Bewährung geht.
Woran ich aber so meine Zweifel habe, ist allerdings seine Teamfähigkeit. Und auf die dürfte es bei den anstehenden Wahlkämpfen ankommen. Die Wahl in NRW wird der erste Prüfstein für Merz werden. Und da könnte es gleich ein paar auf die Mütze geben. Mit welchem eiskalten Kalkül die NRW-Landeskoalition von CDU und FDP mit ihrer Einstimmenmehrheit noch vor der Wahl das neue, umstrittene Versammlungsgesetz durchgedrückt hat, könnte der CDU wie auch der FDP noch auf die Füße fallen. Und damit auch Merz. Und dann wird man sehen, ob die CDU wirklich stabil zusammenhalten kann oder wieder in unterhaltsame Grabenkämpfe verfällt.
Silberrücken
Dann wird es auch spannend werden, wie sich das Verhältnis von Friedrich Merz zu Markus Söder entwickeln wird. Zwei Silberrücken auf dem Weg zur Hölle. Söder kündigte ein „Unterhaken“ an, ein „Fingerhakeln“ halte ich mittelfristig für wahrscheinlicher. Doch ohne geschlossene Reihen dürfte die Union sich auf einen längeren Aufenthalt in der Opposition einstellen können. Und das ist etwas, was die CDU-Mitglieder so gar nicht mögen.
Als Oppositionsführer sollte Merz versuchen, sich auch den Fraktionsvorsitz zu krallen. Andererseits dürfte dies den dann düpierten aktuellen Fraktionschef Brinkhaus wenig amüsieren. Merz ist kein Idiot und er wird versuchen, den auseinandergedrifteten irgendwie Laden wieder zusammen zu bringen. Mag sein, dass er wieder alte Klopse formt und versucht, den rechten Rand mit Sprüchen über die deutsche Leitkultur oder Sätzen wie „wenn wir die Zuwanderung in den Jahren 2015, 2016 in die Sozialsysteme nicht gehabt hätten, hätten wir heute eine Million Hartz 4-Empfänger weniger“ von der AfD zurück zu locken. Wahrscheinlicher ist allerdings, dass diejenigen, die ihren latenten Rassismus im Parlament vertreten sehen wollen, dann doch lieber gleich beim blauen Original bleiben. So rechts wie es notwendig wäre, um der AfD das Wasser abzugraben, kann eine CDU heute auch mit einem Vorsitzenden Merz, der von sich selbst behauptet, er sei liberaler geworden, gar nicht mehr werden.
Rechts um
Verstehen Sie mich bitte nicht falsch. Merz ist nicht AfD-nah, aber er tippelt gerne mal an den rechten Rand des Meinungsspektrums. Das mag vielleicht auch die Erwartung der 250.000 CDU-Mitglieder sein, die ihn gewählt haben, aber letztlich kommt es auf die weniger an als auf die CDU-Wähler. Und die sind eben nicht mehr die, die Merz aus seiner kurzen Zeit als Fraktionsvorsitzender noch kannte. Vielleicht war er einfach zu lange weg in den Blackrock Mountains. Ein Rechts um wird nicht funktionieren.
Ob Merz ein Konzept für die Erneuerung der CDU hat, weiß ich nicht. Dass er neben den CDU-Mitgliedern auch eine Mehrheit der Wähler begeistern kann, glaube ich nicht. Und ob die CDU sich mit dieser Wahl auf einem guten Weg in die Zukunft befindet, kann ich mir gar nicht vorstellen. Das sieht mir eher nach einem Vorwärts in die Vergangenheit aus. Und das kann böse enden.