Die Moscheestudie und die Glaubensgemeinschaft
Nach Erscheinen der Studie „Die Moschee im Integrationsprozess“, die unser Autor Heiko Heinisch gemeinsam mit Imet Mehmedi durchgeführt hat und für die unter anderem Freitagspredigten beobachtet und aufgenommen wurden, blieben Reaktionen aus der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) nicht aus. Sie fallen vor allem dadurch auf, dass sie dem Inhalt der Studie ausweichen. Eine Replik von Heiko Heinisch
Einen Tag nach der Präsentation der Studie ging die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) mit einer Presseaussendung an die Öffentlichkeit. Einen Tag später meldete sich auch die Islamische Föderation Wien (Milli Görüş) zu Wort, deren Moscheen zu jenen sechs der untersuchten 16 Moscheen gehören, die sich aktiv der Integration von Muslim/innen entgegenstellen. Keine der beiden Erklärungen geht auf den Inhalt der Studie und die von unseren Mitarbeitern beobachteten und aufgezeichneten Predigten in Wiener Moscheen ein.
Unbefriedigende Reaktionen
Stattdessen bestreiten beide Erklärungen die Wissenschaftlichkeit der Studie und sehen in dieser einen generalisierenden Angriff auf Muslime. Es fallen Begriffe wie „dubiose Publikation“, „Auftragsstudie“ und „politischer Auftrag“. Zudem kritisieren sie, dass die Auswahl der Moscheen nicht repräsentativ sei – eine Tatsache, die in der Studie selbst mehrmals erwähnt wird und auch bei der Präsentation betont wurde. Das Attribut „nicht repräsentativ“ ist aber, anders als hier nahegelegt wird, kein Zeichen für Unwissenschaftlichkeit. Die Heterogenität der Wiener Moscheelandschaft lässt sich nicht repräsentativ abbilden. Daher war die Studie auch nie als quantitative Erhebung geplant, was Repräsentativität erfordern würde. Die Autoren entschieden sich vielmehr für eine überwiegend qualitative Studie mit explorativem Charakter, „um zunächst grundlegendes Wissen über die Rolle der Moscheen im Integrationsprozess zu generieren, das als Basis für weitere Untersuchungen dienen kann.“ (S. 11) Im deutschen Sprachraum existierten bis dato keine Untersuchungen, die sich explizit mit den Predigtinhalten in Moscheen auseinandersetzten. Bislang hat nur die Ethnologin Susanne Schröter 2016 eine ausführliche ethnologische Studie zum muslimischen Gemeindeleben in Wiesbaden vorgelegt und der Journalist Constantin Schreiber hat 2016/17 in mehreren deutschen Moscheen Freitagspredigten aufgezeichnet und ausgewertet. Seine Ergebnisse wurden als journalistischer Beitrag unter dem Titel „Moscheereport“ im ZDF gesendet und erschienen als Buch.
Die Leitfrage der vorliegenden Untersuchung lautete: Üben Moscheevereine einen Integration fördernden Einfluss auf ihre Mitglieder aus oder versuchen sie Integration zu behindern? Um aussagekräftige Ergebnisse zu erzielen, war die Besucherstärke einer Moschee der für uns entscheidende Faktor für ihre Aufnahme in die Untersuchung. Gleichzeitig wollten wir aber auch einen möglichst breiten Überblick über die Moscheelandschaft erhalten. Mit 16 Moscheen haben wir etwas mehr als 10% der Wiener Moscheen untersucht. Die Wiener Moscheelandschaft organisiert sich selbst nach ethnischen Kriterien. Die größte ethnische Gruppe ist dabei die türkische, gefolgt von der bosnischen und der albanischen. Mit sechs Moscheen sind in der Studie daher türkische Vereine aus den vier großen türkischen Moscheeverbänden gemäß ihrer aktuellen Dominanz vertreten. Zudem je zwei bosnische, albanische und arabischsprachige Moscheen und zwei Moscheen anderer ethnischer oder sprachlicher Gruppen (eine deutschsprachige und eine pakistanische), sowie zwei schiitische Moscheen, die unterschiedlichen Richtungen angehören. Damit ist die Struktur der Wiener Moscheelandschaft gut abgebildet. Kleinmoscheen und bekannte salafistische Moscheen wurden bewusst nicht in die Untersuchung einbezogen. Mit anderen Worten: Die Studie deckt die wichtigsten Gruppen innerhalb der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) ab. Da jede Gruppe mit ihren größten Moscheen vertreten ist, ist das Ergebnis ausreichend aussagekräftig. Das versuchen IGGÖ und Milli Görüş (deutsch = nationale Sicht) in ihren Stellungnahmen zu leugnen, während sie gleichzeitig hervorheben, dass ihre Moscheen seit vielen Jahren „hervorragende Integrationsarbeit für Muslime“ leisten.
Fundamentalistische Tendenzen
Dem widersprechen die von uns in zumindest sechs der untersuchten Moscheen ermittelten Inhalte diametral. Die jahrzehntelange reflexartige Abwehr von Kritik an und Leugnung von Missständen sollten die Verantwortlichen in der Glaubensgemeinschaft überdenken. Sie tun sich selbst und ihren Mitgliedern damit keinen Gefallen, denn die im Rahmen der Studie ermittelten Inhalte werden, wenn sich die IGGÖ nicht klar positioniert, letztlich auf die Glaubensgemeinschaft als Ganze zurückfallen. Es handelt sich nämlich um Moscheen, die sich unter dem Dach der IGGÖ organisieren und um Imame, die die von ihr im Juni dieses Jahres initiierte Erklärung gegen Extremismus unterzeichnet haben. Wenn die Verantwortlichen der IGGÖ sich nicht zu den beobachteten und aufgenommenen Predigten äußern, muss angenommen werden, dass sie diese nicht für problematisch halten. Zu den Fragen, die die IGGÖ beantworten sollte, zählen unter anderem die folgenden:
Was sagt die IGGÖ
- dazu, dass in einer ihrer Moscheen, konkret in einer Moschee der Islamischen Föderation (Milli Görüş), in einer Predigt 20 Minuten lang vom Dschihad gepredigt und dabei auch der bewaffnete Kampf positiv konnotiert wurde? Eine Predigt, in der es hieß: „Um den Islam zu leben, leben zu lassen und dessen Hegemonie in der Welt zu schaffen, müssen alle Anstrengungen für den Dschihad unternommen werden.“ Eine Predigt, in der Sätze fielen wie: „Keine Wohltat kann dem guten Werk des Dienens so gerecht werden, wie der Märtyrertod selbst, lehrt unser Prophet Mohammed.“
- zur Aussage eines ihrer Imame, der bedauert, dass die Gläubigen hier in Österreich zu leicht in Kontakt mit schlechten Angewohnheiten kommen? Wie bewertet sie die Aussage desselben Imams, wer sich im Diesseits an das Verhalten der Nichtmuslime anpasse, werde ihnen auch am Tag des Jüngsten Gerichts zugerechnet werden. Die Gläubigen sollten auf keinen Fall den Regeln der Ungläubigen folgen?
- zur Aussage eines Imams, der im Interview sagte: „Nicht der Koran muss mit der Demokratie vereinbar sein, sondern umgekehrt, die Demokratie muss mit dem Koran vereinbar sein.“?
- zur Aufteilung der Welt in Gläubige und Ungläubige und der in mehreren Moscheen damit verbundenen Abwertung Anders- und Nichtgläubiger, wie sie etwa in der folgenden Aussage in einer Predigt zum Ausdruck gebracht wurde: „Im Fundament gibt es zwei zentrale Denkweisen, die über die Welt walten: 1. Der Glaube an Allah, der Weg Allahs. Wir nennen sie Gläubige und Muslime; 2. Der Unglaube. Diejenigen, die Allahs Existenz in Frage stellen. Diejenigen, die gegen Allah rebellieren, die Allah leugnen, die gegen Allah Krieg führen.“?
- zu folgendem Bittgebet am Ende der Predigten in einer ihrer Moschee: „Bitte, lieber Gott, die, die gegen uns sind, sollen entweder den richtigen Weg finden oder vernichtet werden. […] Mach uns zu Soldaten des verborgenen Imam.“
In Geiselhaft der Radikalen
Das sind nur einige wenige Beispiele aus den Predigten jener sechs Moscheen, denen wir aktive Arbeit gegen die Integration ihrer Mitglieder attestieren. Indem die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich hierzu nicht Stellung bezieht, lässt sie zu, dass radikale Moscheevereine und Kultusgemeinden alle anderen Moscheevereine in Geiselhaft nehmen, ja letztlich die Muslime und Musliminnen in Österreich. Es ist jeder und jedem gestattet, sich eine eigene Meinung über die Moschee Studie zu bilden, aber die hier angeführten, überprüfbaren Zitate sind und bleiben ein nicht wegzudiskutierendes Problem. Die IGGÖ sollte sich entscheiden, ob sie weiterhin Nebelgranaten abschießt und derartige Mitglieder deckt oder endlich Verantwortung übernehmen will. Bislang wird jegliche Kritik von innerhalb wie von außerhalb der IGGÖ als Nestbeschmutzung bzw. als Verleumdung betrachtet.
Aber auch die politischen Parteien in Österreich müssen sich einige Frage gefallen lassen, denn in ihren Reihen tummeln sich etliche Mitglieder konservativer und fundamentalistischer islamischer Organisationen. Mitglieder der Milli Görüş, in deren Moschee die erwähnte Dschihad-Predigt gehalten wurde, werden ausgerechnet von der SPÖ immer wieder hofiert und zum Teil als Mandatare in Gemeinderäte entsendet.
Am Ende der überstürzten offiziellen Stellungnahme der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGÖ) findet sich aber auch etwas Überraschendes. Für den 14. Oktober, heißt es dort, sei eine Expertenkonferenz einberufen worden, „deren Ziel es ist, die Kriterien in den Moscheen und Kompetenzen der Imame zu konkretisieren.“ Damit werden zumindest indirekt Probleme eingeräumt. Vielleicht kann die IGGÖ diese Gelegenheit nutzen, um sich von den radikalen Strömungen in ihren Reihen zu distanzieren. Das wäre zu begrüßen.
Schreibe einen Kommentar