Facebook & Co. und das Antihassgesetz

Das Bundeskabinett hat den Entwurf für das geplante „Gesetz zur besseren Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken“ – NetzDG- verabschiedet. Es bleibt zu hoffen, dass das Parlament sich diesem Entwurf verweigert.


Bundesjustizminister Maas meint es gut. Er will seit Beginn seiner Amtszeit etwas gegen Hass tun. Hass ist fies und Hass führt häufig zu fiesen Äußerungen, die manchmal auch strafbar sein können.

Nun sollen Betreiber sozialer Netzwerke mit Bußgeldern verfolgt werden können, wenn sie gegen die im Gesetz geschaffene Pflicht verstoßen, „offensichtlich strafbare Inhalte“ innerhalb von 24 Stunden zu löschen. Klingt mal wieder gut, wie so manches aus dem Gesetzbrauhaus Maas, ist aber reichlich ungenießbar.

offensichtlich strafbar ?

Denn wann etwas strafbar ist, kann man gar nicht so leicht sagen. Nehmen Sie z.B. mal folgende Äußerung:

Ich sehe hier einen aufgeregten grünen Bundestagsabgeordneten, der Kommandos gibt, der sich hier als Obergauleiter der SA-Horden, die er hier auffordert. Das sind die Kinder von Adolf Hitler. Das ist dieselbe Ideologie, die haben genauso angefangen.“

Ist das strafbar? Ist das eine sogenannten Schmähkritik? Ich tippe mal, wenn Sie 10 Juristen vor einer Woche gefragt hätten, dann hätten sich 2 für und 2 gegen die Strafbarkeit entschieden und die restlichen 6 hätten sich mit einem entschlossenen „es kommt drauf an“ aus der Affäre gezogen.

Vor dem Amtsgericht wurde derjenige, der wegen dieser Äußerung angeklagt worden war – die Staatsanwaltschaft war also schon mal pro Strafbarkeit – zu einer Geldstrafe verurteilt. Vom Landgericht wurde er im Rahmen des Berufungsverfahrens nur noch zu einer Verwarnung mit Strafvorbehalt verurteilt. Auch da sah man also eine Strafbarkeit. Ebenso das Oberlandesgericht Köln, dass die Revision als unbegründet verwarf.

Also offensichtlich strafbar? Nicht unbedingt, sagte das Bundesverfassungsgericht.

Aber nicht dass Sie jetzt meinen damit sei die Sache abgeschlossen und es stehe fest, dass diese Äußerung nicht strafbar sei. So einfach ist das nun auch nicht.

Das BVerfG hat erst einmal nur festgestellt, dass die Vorinstanzen die Grundrechte des Angeklagten verletzt haben.

Amtsgericht und Landgericht ordnen – vom Oberlandesgericht nicht beanstandet – die Äußerung des Beschwerdeführers in verfassungsrechtlich nicht mehr tragbarer Weise als Schmähkritik ein und unterlassen die verfassungsrechtlich gebotene Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des von der Äußerung Betroffenen. Die angegriffenen Entscheidungen verkennen, dass der Beschwerdeführer mit seiner Äußerung auch das Handeln des Geschädigten kommentierte, der sich maßgeblich an der Blockade der vom Beschwerdeführer als Versammlungsleiter angemeldeten Versammlung beteiligte und die Teilnehmenden auch seinerseits – wie die Gerichte als wahr unterstellt haben – als „braune Truppe“ und „rechtsextreme Idioten“ beschimpft hatte. Es ging dem Beschwerdeführer nicht ausschließlich um die persönliche Herabsetzung des Geschädigten. Bereits die unzutreffende Einordnung verkennt Bedeutung und Tragweite der durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten Meinungsfreiheit.“

Also geht der Fall jetzt zurück an das Landgericht Köln, denn

Die angegriffenen Entscheidungen beruhen auf diesem Fehler, da es an einer Abwägung fehlt. Wie diese Abwägung ausgeht und ob sie zu einem Freispruch oder erneut zu einer Verurteilung des Beschwerdeführers führt, ist verfassungsrechtlich nicht vorgegeben. Bei erneuter Befassung wird auf der einen Seite das Vorverhalten des Geschädigten, der aktiv eine Demonstration verhindern wollte, wie auf der anderen Seite das schwere Gewicht einer Ehrverletzung zu berücksichtigen sein, das in einem individuell adressierten Vergleich mit Funktionsträgern des nationalsozialistischen Unrechtsregimes liegt.

Die angegriffenen Entscheidungen beruhen auf den aufgezeigten verfassungsrechtlichen Fehlern. Es ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht bei erneuter Befassung zu einer anderen Entscheidung in der Sache kommen wird.

Bisher haben sich also vier Gerichte mit der Frage der Strafbarkeit dieser Meinungsäußerung herumgeschlagen und bis heute weiß niemand, wie das Verfahren ausgehen wird. Es kommt bei Meinungsäußerungsdelikte häufig vor, dass die Rechtsmeinungen der Gerichte auseinandergehen. Das ist gar nicht ungewöhnlich. Nichts genaues weiß man nicht.

unausgegoren

Und nun meint Herr Maas, er können diese schwierigen Rechtsfragen amerikanischen Konzernen aufs Auge drücken. Wie sollten Herrn Zuckerbergs Leute innerhalb von 24 Stunden, in schwierigen Fällen innerhalb einer Woche, Rechtsfragen entscheiden können, für die deutsche Gerichte Jahre brauchen? Das ist unausgegorener Käse und dementsprechend ungenießbar. Vielleicht bedeutet das DG in der Gesetzesabkürzung ja „Dummes Gesetz“.

Zumal es für die Betreiber nur 2 Optionen gibt. Löschen sie strafbare Inhalte nicht, gibt‘s ein knackiges Bußgeld, löschen sie sicherheitshalber alles, was ihnen irgendwie strafbar vorkommt, greifen sie unter Umständen in unzulässiger Weise in die Meinungsfreiheit ihrer Benutzer ein.

Das bedeutet nun nicht zwingend, dass das geplante Gesetz ein Angriff auf die Meinungsfreiheit im Allgemeinen wäre, es bedeutet aber, dass den Betreibern eine Beurteilungsverantwortung auferlegt würde, die sie unmöglich erfüllen können. Ob ein Inhalt strafbar ist, lässt sich von wenigen Ausnahmen – wie z.B. der Holocaustleugnung, dem Zeigen verbotener Symbole oder eindeutig pornografischen Inhalten – abgesehen, eben nicht einfach mal als „offensichtlich“ feststellen. Gerade da, wo es um die Verbreitung von Hassbotschaften in Form von beleidigenden Inhalten geht, müsste jedes Mal eine Abwägung stattfinden zwischen dem Gewicht einer eventuellen Ehrverletzung und dem Grundrecht auf Meinungsäußerung. Wie sollte ein privates Unternehmen das leisten können?

Es käme auch niemand auf die Idee, die Betreiber von Straßennetzen dafür verantwortlich zu machen, dass sie nicht umgehend alle besoffenen Autofahrer aus dem Verkehr ziehen. Für die Straftaten sind die Verursacher verantwortlich und die müssen auch zur Vernatwortung gezogen werden, wenn man sie zu packen kriegt.

Der „Anzeige“-Button

Wenn die Bundesregierung ernsthaft daran interessiert ist, strafbare Handlungen in sozialen Netzwerken zu verfolgen, dann wären dazu ganz andere Maßnahmen erforderlich. Eine rund um die Uhr besetzte Onlinewache, der man per „Anzeige“-Button gleich die entsprechenden Threads als Strafanzeige übermitteln könnte, wäre eine feine Sache. Kostet natürlich wieder eine ganze Stange Geld und würde viele speziell geschulte Kräfte erfordern. Es würde aber etwas bringen, wenn die Hassverbreiter ziemlich zügig eins auf die Mütze bekämen. Da könnte ich mir sogar eine abschreckende Wirkung vorstellen.

Auf diesem Weg könnte auch das Problem der anonymen Straftäter im Netz vernünftig gelöst werden. Wenn diese Cybercops die angezeigte Äußerung für strafbar halten, könnten sie die für den Account verantwortliche Person beim Betreiber erfragen und die Sache dann schnell an die Staatsanwaltschaften weiterleiten. Mal sehen wie schnell die dann beurteilen kann, ob sie die Äußerung für strafbar hält. Dass sich ein Straftäter hinter der Anonymität eines Fakeaccounts verstecken kann, ist ärgerlich. Ich habe persönlich nichts dagegen, wenn jemand sich in den sozialen Netzwerken eines anonymen Accounts bedient. Solange diese Person sich gesetzestreu verhält, sehe ich da auch überhaupt kein Problem. Wie oft habe ich mir gewünscht, ich hätte meine Kolumnen unter einem Pseudonym verfasst. Wenn aber im Schutze der Anonymität nachweisliche Straftaten begangen werden, dann sollte der Geschädigte zumindest über die Staatsanwaltschaft erfahren dürfen, wer sich hinter dem Account verbirgt.

Das Outcourcing der staatlichen Prüfungsaufgabe, ob ein Verhalten strafbar ist, kann nicht angehen. Genauso wie die Polizei ihre Aufgaben nicht an Bürgerwehren delegieren kann, kann die Justiz nicht die sozialen Netzwerke für Maßnahmen zur Bekämpfung der Hasskriminalität verantwortlich machen. Die können im Rahmen ihrer Nutzungsbedingungen zwar problemlos bestimmte von Computern leicht erkennbare Inhalte ausschließen, ihnen aber die strafbewehrte Verpflichtung aufzuerlegen, offensichtlich strafbare Inhalte selbst zu erkennen und eine zutreffende juristische Bewertung zu treffen, überschreitet eine rechtsstaatliche Grenze.

Löschmonster

Es wäre bedauerlich, wenn die gute Absicht des Ministers im Ergebnis dazu führen würde, dass die sozialen Netzwerke, um den Bußgeldern bis zu 50 Millionen Euro zu entgehen, sich zu wahren Löschmonstern entwickelten. Denn auch wenn‘s manchmal weh tut, geht die Meinungsfreiheit recht weit.

Zu beachten ist hierbei indes, dass Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht nur sachlich-differenzierte Äußerungen schützt, sondern gerade Kritik auch pointiert, polemisch und überspitzt erfolgen darf; insoweit liegt die Grenze zulässiger Meinungsäußerungen nicht schon da, wo eine polemische Zuspitzung für die Äußerung sachlicher Kritik nicht erforderlich ist (vgl. BVerfGE 82, 272 <283 f.>; 85, 1 <16>). Einen Sonderfall bilden hingegen herabsetzende Äußerungen, die sich als Formalbeleidigung oder Schmähung darstellen. Dann ist ausnahmsweise keine Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und dem Persönlichkeitsrecht notwendig, weil die Meinungsfreiheit regelmäßig hinter den Ehrenschutz zurücktreten wird (vgl. BVerfGE 82, 43 <51>; 90, 241 <248>; 93, 266 <294>). Diese für die Meinungsfreiheit einschneidende Folge gebietet es aber, hinsichtlich des Vorliegens von Formalbeleidigungen und Schmähkritik strenge Maßstäbe anzuwenden (vgl. BVerfGE 93, 266 <294>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 29. Juni 2016 – 1 BvR 2646/15 -, juris). Wegen seines die Meinungsfreiheit verdrängenden Effekts ist der Begriff der Schmähkritik von Verfassungs wegen eng zu verstehen. Auch eine überzogene oder gar ausfällige Kritik macht eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. Eine Äußerung nimmt diesen Charakter erst dann an, wenn nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern – jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik – die Diffamierung der Person im Vordergrund steht (vgl. BVerfGE 82, 272 <283 f.>; 85, 1 <16>; 93, 266 <294>). Sie liegt bei einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage nur ausnahmsweise vor und ist eher auf die Privatfehde beschränkt (vgl. BVerfGE 93, 266 <294>). Die Annahme einer Schmähung hat wegen des mit ihr typischerweise verbundenen Unterbleibens einer Abwägung gerade in Bezug auf Äußerungen, die als Beleidigung und damit als strafwürdig beurteilt werden, ein eng zu handhabender Sonderfall zu bleiben.

Aus meiner Sicht ist nicht ein weiteres neues Gesetz erforderlich, sondern – ich weiß ich wiederhole mich – eine vernünftige materielle und personelle Ausstattung von Polizei und Justiz, um den im Netz schwelenden Hassbrand mit den ganz normalen bestehenden Mitteln des Strafgesetzbuches, des Urheberrechts und auch des Zivilrechts zu löschen. Dass das irgendwann einmal geschieht, wage ich aber zu bezweifeln. Kostet ja Geld. Bis dahin werden wir noch viele kosten- und nutzenneutrale Gesetze und manchen Hasskommentar erleben müssen.

 

 

 

 

Heinrich Schmitz

Heinrich Schmitz ist Rechtsanwalt, Strafverteidiger und Blogger. In seiner Kolumne "Recht klar" erklärt er rechtlich interessante Sachverhalte allgemeinverständlich und unterhaltsam. Außerdem kommentiert er Bücher, TV-Sendungen und alles was ihn interessiert- und das ist so einiges. Nach einer mit seinen Freital/Heidenau-Kolumnen zusammenhängenden Swatting-Attacke gegen ihn und seine Familie hat er im August 2015 eine Kapitulationserklärung abgegeben, die auf bundesweites Medienecho stieß. Seit dem schreibt er keine explizit politische Kolumnen gegen Rechtsextreme mehr. Sein Hauptthema ist das Grundgesetz, die Menschenrechte und deren Gefährdung aus verschiedenen Richtungen.

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