Zika-Virus und Gottes Plan
Auch der Zika-Virus ist Teil der Schöpfung. Trotzdem darf der Mensch sich wehren. Der Papst erlaubt sogar die Verhütung einer Schwangerschaft. Was folgt daraus?
Papst Franziskus ist der Meinung, dass das Verhindern einer Schwangerschaft nicht in jeder Situation eine absolute Sünde ist. Als aktuelles Beispiel – und in diesem Zusammenhang wurde er auch gefragt – nannte er die Gefahr einer Infektion mit dem Zika-Virus, die wahrscheinlich für die Möglichkeit schwerer Krankheiten und Fehlbildungen, der sogenannten Mikrozephalie, bei den Kindern der infizierten Mütter verantwortlich ist. Als weiteres Beispiel verwies der Papst auf den Fall von Nonnen in Belgisch Kongo, denen sein Vorgänger Paul VI ebenfalls die Verhütung erlaubt hätte, weil sie akut von Vergewaltigungen bedroht waren.
Man könnte darüber hinweggehen, zumal, wenn man als nicht-katholischer Mann in Mitteleuropa aus vielen Gründen ohnehin nicht von der Erlaubnis des Papstes für irgendetwas abhängig ist. Aber der Fall wirft interessante Fragen auf, die zunächst theologischer Art sind, die aber, weil die katholische Kirche für die Entwicklung der Moral in der westlichen Welt bekanntlich nicht unwichtig ist, darüber hinaus Bedeutung haben.
Das Zika-Virus – Teil der Schöpfung
Dass die Frage eine eminent theologische Bedeutung hat, betont der Papst, indem er etwa die Frage der Abtreibung im Gegensatz zum Problem der Verhütung gerade nicht als theologisches Problem ansieht. Abtreibung ist für Franziskus ein Verbrechen, nicht eine Sünde. Bei der Abtreibung, so der Papst, wird das Leben eines Menschen für das Leben oder das Wohlergehen eines anderen geopfert. Das Oberhaupt der katholischen Kirche ist der Ansicht, dass Ärzte, die abtreiben, gegen den hippokratischen Eid verstoßen.
Bei der Verhütung liegt die Sache anders – hier liegt kein weltliches Verbrechen vor, sondern eine Sünde – und diese wäre theologisch zu beurteilen.
Welche Fragen hätte die Theologie hier zu beantworten? Wie kann die Ansicht des Papstes, dass es unter bestimmten Bedingungen erlaubt sein kann, eine Schwangerschaft zu verhindern, in anderen jedoch nicht, gerechtfertigt werden, wenn nicht schlicht aus der Autorität des Papstes, der Gottes Willen eben kennt?
Aus katholischer Sicht muss das Zika-Virus einschließlich seiner Auswirkungen auf den Embryo Teil des göttlichen Schöpfungsplans sein. Das bedeutet natürlich nicht, dass der Mensch die Erkrankung der Kleinkinder und das Leid einfach hinnehmen muss. Der Mensch ist von Gott mit Vernunft ausgestattet, um Lösungen für Probleme zu finden. Gott stellt den Menschen vor Herausforderungen, denen der Mensch sich stellen soll.
Wenn man die Ausführungen des Papstes bedenkt, so könnte eine theologische Antwort also lauten: die Menschen sollen mit den Risiken, die dem ungeborenen Kind drohen, verantwortungsbewusst umgehen. Und wenn die Risiken für Krankheit und Leid groß zu sein scheinen, dann sollen die Menschen die Schwangerschaft verhindern – zumindest wäre das eine akzeptable Lösung des Konfliktes.
Es soll nicht verschwiegen werden, dass der Papst eine weitere Antwort auf die Herausforderung des Zika-Virus genannt hat: Die Wissenschaftler sollen daran forschen, das Problem medizinisch zu lösen. Aber bis diese Lösung gefunden ist, müssen die Menschen nicht schicksalsergeben hinnehmen, was passiert, sie können künftiges Leid durch Schwangerschaftsverhütung verhindern.
Verhütung auf Verdacht
Allerdings ist bemerkenswert, dass der Papst dieses Verhüten in einer sehr frühen Situation gestattet, in der das tatsächliche Risiko gar nicht bekannt ist. Die Frauen sind noch nicht infiziert, es besteht lediglich die Möglichkeit, dass sie während der Schwangerschaft mit dem Virus infiziert werden. Die Gefahr einer solchen Infektion lässt sich möglicherweise durch recht einfache Maßnahmen, etwa durch die Anwendung von Mückenschutz, stark reduzieren. Die brasilianische Regierung hat zudem bereits Maßnahmen ergriffen, die die Ausbreitung der Mücken, die den Virus übertragen, zurückdrängen sollen. Hinzu kommt, dass der Zusammenhang zwischen dem Virus und den Erkrankungen und Fehlbildungen bei den Neugeborenen noch gar nicht geklärt ist.
Wenn die katholische Kirche es also bereits in einem solchen unklaren und ungewissem Fall für zulässig hält, dass die Menschen eine Schwangerschaft verhüten, dann lassen sich eine Vielzahl weiterer Risikosituationen denken, in denen das Risiko für die Gesundheit und das Wohlergehen des Neugeborenen als so groß beurteilt wird, dass eine Schwangerschaftsverhütung wenigsten gestattet sein müsste. Immer, wenn eine Frau das Risiko für ein gesundes Aufwachsen eines möglichen Kindes als gegeben ansieht, muss es ihr gestattet sein, zu verhüten. Diese Option gehört offenbar zu den möglichen Antworten des selbstbestimmten und fehlbaren Menschen, die Gott als Reaktion auf die Herausforderungen seiner unüberschaubaren und nicht immer verständlichen Schöpfung akzeptiert.
Oder wars der Teufel?
Eine kurze Bemerkung am Ende zu einer anderen möglichen theologischen Option. Es könnte ja auch sein, dass der Zika-Virus nicht Teil des göttlichen Schöpfungsplans ist, sondern Werk des Teufels. Das Argument könnte dann sein, dass der Mensch auf Teufelswerk eben auch auf außerordentliche Weise reagieren darf, aber das gleiche eben für die normalen Herausforderungen des Lebens nicht gilt. Das ist aber unwahrscheinlich, da der Teufel, wenn es ihn überhaupt gibt, nicht selbst als Schöpfer auftritt, sondern nur als Verführer zu Bösem. Der Zika-Virus kann also nicht sein Werk sein.
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