Mein Kampf – Hitlers böses Buch
Am 31.12.2015 – 70 Jahre nach seinem Todesjahr – laufen die Urheberrechte für Adolf Hitlers „Mein Kampf“ aus. Künftig kann jeder das Buch drucken und verkaufen, ob kommentiert oder nicht. Das ist kein Grund zur Panik.
Jahrzehntelang wurde immer wieder finster geraunt, das Buch sei „verboten“ und solle auch nach Ablauf des Urheberrechtsschutzes verboten bleiben. Das ist Quatsch. Hitlers gruseliges Propaganda-Buch war in Deutschland nie verboten und kann damit auch nicht verboten bleiben. Diesen Zensur-Käse verbreiten in aller Regel nur eingefleischte Nazifans, die damit ihre angestammte Opferrolle besetzen wollen. Man müsste schon eine Sondergesetz schaffen, was aber ziemlicher Mist wäre. Nazis werden gerne verboten. Staatliche Zensur macht sie als Märtyrer sexy.
2014 hatte der bayerische Justizminister Winfried Bausback (CSU) am Rande einer Justizministerkonferenz erklärt, die Justizminister seien sich darüber einig gewesen, dass eine unkommentierte Verbreitung von „Mein Kampf“ auch nach Ablauf der urheberrechtlichen Schutzfrist verhindert werden soll. Einigkeit ja etwas Schönes und kommt sogar in der Nationalhymne vor, die nach dem Willen des CDU-Parteitages demnächst sogar in das Grundgesetz aufgenommen soll. Einigkeit könnte in hier allerdings Recht und Freiheit gefährden und sogar eine äußerst schädliche Nebenwirkung verursachen.
Die Justizminister waren wohl der Meinung, eine Verbreitung dieses braunen Propaganda-Machwerkes sei auch nach Ablauf des Urheberrechts rechtlich problemlos, ohne dass es dafür eines speziellen Gesetzes bedürfe.
Da melde ich erhebliche Zweifel an.
Jubel aus der Hölle
Kein Sondergesetz zum Verbot dieses Buches zu machen, ist zunächst schon mal richtig. Mit einem Sondergesetz würde man dem größten deutschen Arschloch aller Zeiten noch postum eine herausragende aktuelle Bedeutung als Buchautor einräumen. Das gäbe Jubel aus der Hölle. Ausgerechnet demjenigen, der einen Heidenspaß daran hatte, neben Millionen Menschen auch Bücher zu verbieten, zu verbrennen und die Meinungsfreiheit mit Füßen zu treten, würde ein einzigartiger Sonderstatus eingeräumt. The one and only toxic book? Nö, bitte nicht. Das gönne ich dem einhodigen Drecksack und seinen Fans zum Verrecken nicht.
70 Jahre nach seinem Tod erlöschen die Urheberrechte eines jeden Autors nach deutschem Recht. Damit man nicht in jedem Fall den genauen Todestag ermitteln muss, läuft die Frist jeweils am Jahresende ab. Das ist auch bei Adolf Hitler nicht anders. Danach darf jeder das Buch nachdrucken, ohne dass es dafür einer besonderen Erlaubnis bedürfte. Vor Ablauf dieses Zeitraumes hatte der Freistaat Bayern die Urheberrechte und bisher unsinnigerweise fast jeden Nachdruck in Deutschland verhindert.
Ein mieser Autor
Das bedeutet nun aber eben nicht, dass das Buch „verboten“ gewesen wäre. Ist es nicht. Jeder, der noch ein Exemplar von Opas und Omas Hochzeit findet, darf das nicht nur lesen, sondern auch verkaufen, wenn er einen Doofen findet, der dafür noch Geld ausgeben möchte. Ich habe in den 1970er-Jahren mal ein Exemplar auf einem antiquarischen Büchermarkt in Bonn erworben und weitgehend gelesen. Es war nicht einfach zu lesen. Hitler mag ein guter Redner gewesen sein, sein schriftstellerisches Talent war unterirdisch. Wenn er sich für eine Kolumne bei DieKolumnisten bewerben würde, bekäme er sofort mein Veto, alleine schon wegen des unterirdischen Stils.
Es ist auch nicht verboten, sich eine der vielen nichtdeutschen Ausgaben, die es in nahezu jedem Land gibt, schicken zu lassen. Zum Beispiel aus Israel, wo das Buch in Hebräisch und Englisch im Handel erhältlich ist. Bausbacks Argument – „das sind wir den Opfern des Holocausts und ihren Angehörigen schuldig“ – ist deshalb nicht richtig. Wenn die Überlebenden des Holocaust das Buch veröffentlichen, warum sollten sie dann etwas dagegen haben, wenn andere das auch tun?
Da es nun weder ein Anti-Mein-Kampf-Sonderzensurgesetz noch weiteren Urheberrechtsschutz geben wird, sind die Justizminister auf die lustige Idee verfallen, die aus ihrer Sicht nötige Abwehrschlacht gegen das Buch den Generalstaatsanwälten zu überlassen. Die sollen die Mittel des Strafrechts – vermutlich mal wieder „mit der ganzen Härte des Gesetzes“ – in Stellung bringen, um den Adolfschen Ungeist in der Flasche zu halten.
Das wird aus meiner Sicht wohl scheitern.
„Mein Kampf“ strafbar?
In Betracht käme zwar zunächst theoretisch der § 86 StGB:
§ 86
Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen
(1) Wer Propagandamittel …
1. einer vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärten Partei oder einer Partei oder Vereinigung, von der unanfechtbar festgestellt ist, dass sie Ersatzorganisation einer solchen Partei ist,
2. einer Vereinigung, die unanfechtbar verboten ist, weil sie sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet, oder von der unanfechtbar festgestellt ist, dass sie Ersatzorganisation einer solchen verbotenen Vereinigung ist,
3. einer Regierung, Vereinigung oder Einrichtung außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes, die für die Zwecke einer der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Parteien oder Vereinigungen tätig ist, oder
4. Propagandamittel, die nach ihrem Inhalt dazu bestimmt sind, Bestrebungen einer ehemaligen nationalsozialistischen Organisation fortzusetzen,
… im Inland verbreitet oder zur Verbreitung im Inland oder Ausland herstellt, vorrätig hält, einführt oder ausführt oder in Datenspeichern öffentlich zugänglich macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Propagandamittel im Sinne des Absatzes 1 sind nur solche Schriften (§ 11 Abs. 3), deren Inhalt gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung gerichtet ist.
(3) Absatz 1 gilt nicht, wenn das Propagandamittel oder die Handlung der staatsbürgerlichen Aufklärung, der Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen, der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dient.
(4) Ist die Schuld gering, so kann das Gericht von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen.
Aber da hat der Bundesgerichtshof (BGH) schon Ende der 1970er-Jahre zutreffend festgestellt:
„Eine Anwendung des § 86 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 StGB scheitert jedenfalls daran, dass es sich bei den 1935 und 1943 erschienenen Stücken des Buches ,Mein Kampf‘ von Adolf Hitler um eine vorkonstitutionelle Schrift handelt, aus deren unverändertem Inhalt sich eine Zielrichtung gegen die in der Bundesrepublik Deutschland erst später verwirklichte freiheitliche demokratische Ordnung noch nicht ergeben konnte.“
Den § 86a StGB, der das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen unter Strafe stellt – in der Originalausgabe gibt es selbstverständlich auch ein Hakenkreuz – hat der BGH gleich mit erledigt.
Der einzige ernst zu nehmende Kandidat unter den Strafgesetzen wäre vielleicht der § 130 StGB, also die Volksverhetzung.
Da heißt es in Absatz 2:
„(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer Schriften (§ 11 Absatz 3), die zum Hass gegen eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung aufstacheln, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen sie auffordern oder ihre Menschenwürde dadurch angreifen, dass sie beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden,
a) verbreitet.“
Das könnte eventuell greifen. Die Justizminister können aber keinesfalls sicher sein, dass die Gerichte das so sehen. Zum einen ist die verfassungsrechtliche Problematik des § 130 StGB im Hinblick auf die Meinungsfreiheit nichts Neues, zum anderen käme es in jedem Einzelfall auf den Vorsatz des Tatverdächtigen an.
Wenn z.B. die „Antifa-GmbH“ mit Fördermitteln der Bundesregierung – kleiner Scherz für die Verschwörungstheoretiker unter der Lesern – das Buch nachdrucken wollte, um damit über die widerwärtige Gesinnung des Autors und seiner Fans aufzuklären, dann dürfte das ebenso wenig strafbar sein wie die bereits erfolgreich absolvierten Auftritte von Serdar Somuncu oder dessen schon am 11.11. 2000 in der NS-Dokumentationsstelle Köln aufgenommene, hörenswerte CD. Mir ist nicht bekannt, dass gegen Somuncu ermittelt wurde.
Wie sollten die interessierten Bundesbürger sich mit der menschenverachtenden Ideologie des Demagogen Hitler auseinandersetzen, wenn sie sein Hauptmachwerk nicht einmal im Original lesen können?
Die Justizminister könnten getrost etwas entspannter an die Sache herangehen. Jeder Adolffan, der das wollte, hat sich den nahezu unlesbaren 800-Seiten-Schinken schon lange aus dem Ausland besorgt oder einfach, wenn auch vermutlich illegal, aus dem Internet heruntergeladen. Geht ganz einfach. „Mein Kampf“ und „download“ googeln und schon findet man unzählige Downloadlinks.
Kaum lesbarer Müll
Davon ist die deutsche Demokratie bisher nicht untergegangen. Sie würde es auch nicht, wenn das Buch im Buchhandel zu haben wäre. Viel schwieriger als der Erwerb dieses Buches, ist nämlich seine Lektüre. Der GröFAZ war kein begnadeter Schriftsteller und sein Manifest ist ein kaum lesbarer Müll. Ich wage zu bezweifeln, dass viele Besitzer des Buches über die ersten 50 Seiten hinaus weiter gelesen haben. Wer hier einen Hauch von literarischer Qualität erwartet, wird bitter enttäuscht.
Es ist nur bruchstückweise insoweit interessant, als man die Propagandaideen und -methoden mancher aktueller Redenschwinger wiedererkennt.
„Jede Propaganda hat volkstümlich zu sein und ihr geistiges Niveau einzustellen nach der Aufnahmefähigkeit des Beschränktesten unter denen, an die sie sich zu richten gedenkt. Damit wird ihre rein geistige Höhe um so tiefer zu stellen sein, je größer die zu erfassende Masse der Menschen sein soll. Handelt es sich aber, wie bei der Propaganda für die Durchhaltung eines Krieges, darum, ein ganzes Volk in ihren Wirkungsbereich zu ziehen, so kann die Vorsicht bei der Vermeidung zu hoher geistiger Voraussetzungen gar nicht groß genug sein. “ [6.Kapitel]
Ja, die Wiederholung der immer gleichen Kampfbegriffe für die Masse auch seiner Anhänger, die Hitler für grottendoof hielt und die es vermutlich auch waren und sind, ist das Geheimnis wirksamer Propaganda.
„Die erste Aufgabe der Propaganda ist die Gewinnung von Menschen für die spätere Organisation; die erste Aufgabe der Organisation ist die Gewinnung von Menschen zur Fortführung der Propaganda. Die zweite Aufgabe der Propaganda ist die Zersetzung des bestehenden Zustandes und die Durchsetzung dieses Zustandes mit der neuen Lehre, während die zweite Aufgabe der Organisation der Kampf um die Macht sein muß, um durch sie den endgültigen Erfolg der Lehre zu erreichen.“
Keine Macht den Doofen
Statt einen Popanz um diesen blöden Schinken aufzubauen, wäre es sinnvoller, dem real existierenden populistischem und extremistischen Milieu und seinen Rednern mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Das Prinzip funktioniert rechts wie links, in der Politik wie in der Werbung, national und international. Was für die intellektuellen Kritiker dumm und lächerlich durchschaubar erscheint, folgt tatsächlich der Hitlerschen Logik zunächst die Einfältigen zu gewinnen, um dann als nächstes die Kritiker mundtot zu machen und letztlich zu beseitigen.
Ein Kampf gegen die Veröffentlichung von „Mein Kampf“ ist nutzloser Aktivismus. Wer das lesen möchte, sollte das tun.
Hitlers bösen Geist kann man nur mit Argumenten und viel Humor, nicht aber mit Verboten bekämpfen. Verbote machen das Buch des toten Tünnes nur interessanter und spannender als es ist. Und man wird nicht umhin kommen, gerade mit denen zu reden, deren geistiges Niveau locker unter der niedrigsten Limbostange durchrutscht. Dabei wäre es hilfreich, sie nicht gleich spüren zu lassen, dass man sie für die Idioten hält, für die auch EinEiAdolf sie gehalten hat. Das ist dann der wahre Kampf.
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