Tschüss 2015, ich werde dich nicht vermissen

In wenigen Stunden heißt es Abschied nehmen. Tränenreich wird es sicherlich nicht. Im Gegenteil, unsere Kolumnistin gibt 2015 einen gehörigen Arschtritt zum Abschied und lässt noch ein paar Worte zu persönlichen Ärgernissen da.


Ich versuche mich mal indem, was auch unsere wehrte Kanzlerin der Herzen nicht kann, 2015 in wenigen Worten auf den Punkt zu bringen: Das Jahr ohne Grauzonen. Egal ob Flüchtlingsthematik oder der unfassbare Terror in Paris, es kristallisierten sich lediglich zwei Lager heraus. Die Einen zeigten im zweit genannten Flagge, die anderen mokierten sich mit einem Copy-Paste-Text über Anteilnahme per Mausklick. Wo wir schon bei meinem Lieblingsthema Nr. 1 in diesem Jahr wären.

Flagge zeigen vs. sich darüber echauffieren

Zugegeben, ich mag die Form der Anteilnahme 2.0 nicht. Natürlich habe auch ich „Je suis Charlie“ gepostet, als Zeichen für die Meinungsfreiheit, das offene Wort. Facebook macht den Trend zur schnellen Anteilnahme nun noch einfacher – mit der Änderung des Profilbilds. Geht auch für Bekenner-Belange, wie Pro-Gay. Her mit dem Regenbogen. Wird auch verhältnismäßig länger als Profilbild eingesetzt, als die französische Flagge.

Doch was mich vielmehr störte, war der Text eines Studenten oder selbsternannten Moralpapstes. Ich möchte ihn nicht 1:1 wiedergeben, da käme mir die Kotze hoch, es sei nur so viel zitiert:

… Ich werde mein Facebookprofil nicht in eine Solidaritätsbekundung für die Opfer der Pariser Anschläge umwandeln. Nicht, weil ich mich nicht mit den Opfern von Paris solidarisieren möchte… …Nein, weil ich dadurch nicht diese Opfer über alle anderen Opfer stellen möchte, die *täglich* durch den IS sterben.

Wie heißt es so schön: Einfach mal die Fresse halten! Moralische Überlegenheit war noch nie so deplatziert.

Die Müllermilch-Sexismus-Rassimuss-Whatever-Debatte

Wo wir schon beim nächsten Thema wären, der Müllermilch-Debatte. Auch ich machte die ungewöhnliche Entdeckung im Kühlregal und meine erste Reaktion war „Mein Gott, sind das hässliche Pinups!“

Ein Aufschrei hingegen gab es in den sozialen Medien, wo sich die feministischen Meckermaschinen genauso beschwerten, wie die Berufsempörer, die gerne bei jeder Gelegenheit „Rassismus!“ brüllen. Oh Gott, eine farbige Frau auf einer Flasche mit Schokoplörre, dass es auf der Vanille-Variante eine weiße Frau zu bewundern gab – weiß, wie Milch – schien niemanden zu stören.

Junge Mütter, fleischgewordene Aliens

Nun zu einer eher unpopulären, dennoch störenden Beobachtung: frischgebackene Mütter. Liebe Mamas, bitte fühlt euch von dem, das nun kommt nicht angegriffen. Natürlich dürft ihr euch ärgern, auch aufregen und mich wüst in der Kommentarspalte beschimpfen. Ich bitte euch sogar darum.
Vielleicht verstehe ich anschließend, warum Ihr am Ende der Schwangerschaft, der Geburt eures Kindes, diese Transformation durchlebt. Denn hier erblickt nicht nur neues Leben das Licht der Welt, auch euer Dasein ändert sich von einer Sekunde auf die andere – und ihr kennt nur noch ein Thema: euer Baby.
Während ihr früher mit Freundinnen über die Farbe eures neuen Kleides spracht, philosophiert ihr nun nur noch über den Dünnpfiff eures Babys. Ocker oder doch Nussnougatbraun? Selbst beim Kuchenessen macht ihr nicht vor solchen Gesprächen halt und in euren Handtaschen türmen sich Windeln und Feuchttücher, statt Make-up und Fitnessriegel.
Und habt ihr euch erst von eurem neuen Hab und Gut losgerissen, geht es auch auf dem Weg zur Party mit dem Lieblingsthema weiter. „Letztens hat Lilly aufgestoßen, das roch ganz komisch!“, „Ja, Max hat manchmal auch so was, die Kinderärztin meinte…“, yeah, da kommt Stimmung auf. Auch auf der Tanzfläche wird weiter über Rulpsverhalten und Eigenarten gesprochen, auch wenn es die Bässe kaum zulassen. Macht nichts, haben auch die anderen um euch herum was von.
Doch ich möchte euch kein Unrecht tun, euer Liebster hat in eurem Feuerwerk an knuffigen Anekdoten auch noch Platz. Der mutiert im Erzählstil schnell mal zu Baby Nr. 2 und verliert dabei noch den letzten Funken Männlichkeit. Braucht er ja auch nicht mehr, er ist ja nun Papa und darf in genau der selben Babysprech-Manier vor sich hin vegetieren, wie Mama selbst.
Na, schon sauer? Vielleicht beginnt ihr mal zu reflektieren, wenn ihr das nächste Mal zu einem selten gewordenen Drink mit der besten Freundin aufbrechen möchtet. Eventuell möchte sie nichts über den wunden Po oder die Koliken wissen, auch wenn sie beim Erzählen ihr zuckersüßestes Mitleidsgesicht aufsetzt.
Der Text kann nur von jemandem stammen, der keine Kinder hat. Richtig! Nur ich hoffe inständig, dass ich nicht zur Frau mit dem einen Thema mutiere. Prost Neujahr, haut euch mal so richtig einen hinter die Windel.

Das Merkel-Phänomen

Was passt zu vollen Windeln besonders gut – richtig, unsere Politiker. Die haben nicht nur wegen der AfD die Hosen voll, sondern stimmen, medial begleitet und wie von Sinnen, in den Merkel-Kanon mit ein. Selbst Scripted-Reality macht vor der Kanzlerin nicht halt oder glauben Sie etwa wirklich diese inszenierte Geschichte, mit „Merkels Mädchen“ und dem tränenreichen Auftritt?

Das war’s, tschüss 2015, ich werde dich nicht vermissen.

Alissia Passia

Die gebürtige Berlinerin blieb bis heute der Hauptstadt treu, obwohl sie zu ihr eine gewisse Hassliebe pflegt. Kein Wunder, dass sie diesen inneren Konflikt auch gerne in ihrer Kolumne thematisiert. Passia hospitierte im Hause Axel Springer, wo sie ebenfalls nebenberuflich tätig war. Seit 2006 ist sie im Bereich Werbetext für verschiedene namhafte Agenturen, wie Jung von Matt oder BBDO, tätig. Sie konzipierte ebenfalls mehrjährig auf Kundenseite und zuletzt in der Berliner Agentur für digitale Transformation. Dem Digitalen bleibt Passia auch zukünftig treu und macht "irgendwas mit Medien".

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