Make Grönland Great Again – oder: Wenn Imperialismus ein Immobilienproblem wird

Donald Trump will Grönland. Nicht metaphorisch, nicht emotional, sondern ganz konkret: kaufen, schlucken, einverleiben. Wie ein besonders großes Filetstück im geopolitischen Tiefkühlregal. „It’s just real estate“, könnte man meinen – nur dass auf diesem Grundstück Menschen leben, ein Parlament existiert und das 21. Jahrhundert bereits seit über zwei Jahrzehnten läuft. Eine eiskalte Kolumne von Heinrich Schmitz.

Eisbär Grönland

Die Idee, Grönland den USA einzuverleiben, wirkt wie ein Flashback aus einer Zeit, in der Kolonialherren mit Tropenhelm und Zirkel die Welt unter sich aufteilten. Damals, als man Länder noch „erwarb“, als wären sie unbewohnte Parkplätze. Trump, ganz der Mann von gestern, scheint diese Epoche für eine Art verpasste goldene Immobilienära zu halten.

Nicht herrenlos

Nun ist Grönland allerdings kein herrenloser Eiswürfel mit strategischem Mehrwert, sondern ein autonomes Gebiet innerhalb des Königreichs Dänemark. Und vor allem: Grönland hat ein Volk. Mit Sprache, Kultur, politischen Rechten und – wie es der moderne Rechtsstaat vorsieht – einer eigenen Meinung. Schon das macht den Annexionswunsch unerquicklich. Völkerrechtlich macht es ihn jedoch unhaltbar.

Denn das Völkerrecht ist für Eroberer wie den FIFA-Pisspreisträger ein notorischer Spielverderber. Es besteht darauf, dass Staaten souverän sind und ihre Grenzen nicht nach Lust und Laune verschoben werden dürfen. Artikel 2 Absatz 4 der UN-Charta verbietet nicht nur militärische Gewalt, sondern grundsätzlich die gewaltsame Aneignung fremden Territoriums.

Artikel 2

Die Organisation und ihre Mitglieder handeln im Verfolg der in Artikel 1 dargelegten Ziele nach folgenden Grundsätzen:

1. Die Organisation beruht auf dem Grundsatz der souveränen Gleichheit aller ihrer Mitglieder.

2. Alle Mitglieder erfüllen, um ihnen allen die aus der Mitgliedschaft erwachsenden Rechte und Vorteile zu sichern, nach Treu und Glauben die Verpflichtungen, die sie mit dieser Charta übernehmen.

3. Alle Mitglieder legen ihre internationalen Streitigkeiten durch friedliche Mittel so bei, daß der Weltfriede, die internationale Sicherheit und die Gerechtigkeit nicht gefährdet werden.

4. Alle Mitglieder unterlassen in ihren internationalen Beziehungen jede gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete oder sonst mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbare Androhung oder Anwendung von Gewalt.

5. Alle Mitglieder leisten den Vereinten Nationen jeglichen Beistand bei jeder Maßnahme, welche die Organisation im Einklang mit dieser Charta ergreift; sie leisten einem Staat, gegen den die Organisation Vorbeugungs- oder Zwangsmaßnahmen ergreift, keinen Beistand.

6. Die Organisation trägt dafür Sorge, daß Staaten, die nicht Mitglieder der Vereinten Nationen sind, insoweit nach diesen Grundsätzen handeln, als dies zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit erforderlich ist.

7. Aus dieser Charta kann eine Befugnis der Vereinten Nationen zum Eingreifen in Angelegenheiten, die ihrem Wesen nach zur inneren Zuständigkeit eines Staates gehören, oder eine Verpflichtung der Mitglieder, solche Angelegenheiten einer Regelung auf Grund dieser Charta zu unterwerfen, nicht abgeleitet werden; die Anwendung von Zwangsmaßnahmen nach Kapitel VII wird durch diesen Grundsatz nicht berührt.

Kein Weltmachtpuzzle

Kurz gesagt: Man darf keine Länder klauen. Auch nicht, wenn sie strategisch günstig liegen, seltene Erden vermuten lassen oder einfach gut ins Weltmacht-Puzzle passen.

Aber, könnte Trump einwenden, was ist mit Kauf? Louisiana! Alaska! Historische Deals! Richtig – nur fanden diese „Transaktionen“ in einer Zeit statt, in der Völkerrecht eher ein loses Gerücht war. Heute gilt zusätzlich das Selbstbestimmungsrecht der Völker. Und das bedeutet: Nicht Washington entscheidet über die Zukunft Grönlands, nicht Kopenhagen – sondern die Grönländerinnen und Grönländer selbst. Ohne deren ausdrückliche Zustimmung, idealerweise in Form eines freien Referendums, ist jede Annexion schlicht rechtswidrig. Punkt.

Selbst wenn Dänemark – rein hypothetisch und unter massivem Lachkrampf – zustimmen würde, bliebe Grönland kein Möbelstück, das man beim Auszug mitnimmt. Es ist ein politisches Subjekt mit Rechten. Das Völkerrecht erkennt keine Eigentumsübertragung von Territorien über die Köpfe der Bevölkerung hinweg mehr an. Imperiale Schnäppchenjagd ist out. Partizipation ist in.

Amerika First

Dass Trump davon wenig hält, passt ins Bild. Wer multilaterale Verträge wie Kündigungsvorschläge behandelt und internationale Institutionen für dekoratives Beiwerk hält, dem erscheint das Völkerrecht vermutlich wie eine unverbindliche Hausordnung. Doch gerade deshalb ist die Vorstellung gefährlich: Wenn Großmächte wieder anfangen, Landkarten wie Wunschzettel zu betrachten, dann wird aus „America First“ sehr schnell „Recht des Stärkeren“.

Grönland bleibt also, wo es ist. Nicht, weil Eis so rutschig ist ,oder weil Trump sich verrechnet hätte, sondern weil die Welt – mühsam, fehlerhaft, aber entschieden – nach 1945 Regeln aufgestellt hat, um genau solche Fantasien einzuhegen. Regeln, die sagen: Länder sind keine Ware. Völker sind kein Beiwerk. Und Imperien gehören ins Museum.

Dort übrigens, gleich neben der goldenen Trump-Tower-Schneekugel: Property of Nobody.

Sollte Trump sich einfach so darüber hinwegsetzen, brechen alle Dämme des internationalen Rechts. Dann möge ihn ein Polarbär erschlagen.

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