Weihnachtsmarkt mit Sicherheitskonzept?
Kein Weihnachtsmarkt ohne Sicherheitskonzept. Das ist teuer, aufwändig und verdirbt die Freude an der Sache. Höchste Zeit, umzudenken.

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Die Meldungen häufen sich: Weihnachtsmärkte werden abgesagt, weil die notwendigen Sicherheitsmaßnahmen zu teuer sind, oder sie werden nicht genehmigt, weil das Sicherheitskonzept der Veranstalter nicht ausreichend ist. Schaut man auf die Kommentare zu diesen Nachrichten, erkennt man zwei Muster: die einen spielen die Sacher herunter, indem sie darauf hinweisen, dass es sich um Einzelfälle handelt. Die anderen sehen unsere Kultur am Abgrund, sie meinen, wir knicken vor dem Terror ein, der unser Land überziehen würde.
Nicht nur Weihnachtsmärkte brauchen ein Sicherheitskonzept
Das Phänomen ist beileibe nicht auf Weihnachtsmärkte beschränkt. Jede Veranstaltung, bei der viele Menschen zusammenkommen, braucht heute ein ausgefeiltes Sicherheitskonzept. Der Aufwand dafür beschränkt sich längst nicht mehr darauf, möglichen Amokfahrern oder Attentätern einen schweren LKW in den Weg zu stellen und an den Eingängen Sicherheitspersonal zu platzieren.
Es geht schon damit los, dass Veranstalter ein ausgefeiltes Sicherheitskonzept zu erstellen haben, das dann behördlich geprüft und mit weiteren Auflagen zurückgegeben wird. Bis es zu einem genehmigten Konzept kommt, ist ein enormer bürokratischer und konzeptioneller Aufwand zu treiben, der wiederum Expertise voraussetzt, die Weihnachtsmarktveranstalter normalerweise nicht haben. Spezialisten müssen sich mit den lokalen Gegebenheiten beschäftigen und Konzepte erarbeiten, die abgestimmt werden müssen, das kostet Geld und Zeit. Das macht die Veranstaltung nicht nur teurer – was die Gefahr mit sich bringt, am Ende Verlust zu machen –, es verdirbt auch den Spaß an der Sache.
Wenn das Konzept genehmigt wird, ist dann eine Ausrüstung zu beschaffen, die teuer und technisch nicht einfach zu installieren ist. Am Ende wird der Veranstaltungsort zur Festung, Barrieren werden notdürftig mit Schmuck kaschiert, trüben dennoch die Stimmung und werden zugleich zu Hindernissen für Alte, Familien mit Kinderwagen und Gehbehinderte. All das schon vorab im Sicherheitskonzept zu bedenken, erhöht wieder den Aufwand, die Anzahl der einzubeziehenden Experten und Behörden sowie die Kosten, von denen keiner weiß, ob die Besucher bereit sind, diese durch eine Preiserhöhung beim Glühwein oder bei der Bratwurst zu tragen.
Natürlich gäbe es noch eine andere Möglichkeit: Man könnte sagen, dass die Terrorabwehr doch eine staatliche Aufgabe sei, und dass der Staat, und nicht der Veranstalter, dafür Sorge zu tragen hat, dass die Weihnachtsmärkte sicher sind. Vermutlich würde dann die Polizei aber mitteilen, dass sie dazu, gerade in der Weihnachtszeit, personell nicht in der Lage sei, was dann erst recht zu Absagen von Veranstaltungen führen würde. Ganz davon abgesehen, dass es die weihnachtliche Stimmung kaum begünstigen würde, wenn schwer bewaffnete Polizisten mit gepanzerten Fahrzeugen die Buden und Karussells bewachen.
Weihnachtsmarktbesuch – ein allgemeines Lebensrisiko?
Da stellt sich die Frage, ob es nicht besser wäre, die Gefahr eines Anschlags als allgemeines Lebensrisiko zu betrachten, das man als Besucher eingeht und für das der Veranstalter nicht haftbar zu machen ist. Aber das passt leider nicht mit der Entwicklung der modernen Gesellschaft zusammen, die das Konzept des allgemeinen Lebensrisikos aus ihrem Denken verbannt hat. Dass es Risiken gibt, die man als einzelner Mensch kennt und beurteilt und bei denen man sich eigenverantwortlich entscheidet, ob man sie eingeht oder nicht, kommt uns eigentlich gar nicht mehr in den Sinn. Vielmehr läuft die Sache so ab: irgendwo passiert irgendwas Schreckliches in einer Situation, in die man selbst gelangen könnte. Sogleich ruft man nach staatlichen Vorschriften, die dieses Geschehen, koste es, was es wolle, verhindern. Und es wird nicht geruht, bevor nicht das letzte kleine Risiko, dass es doch geschehen könnte, ausgeschlossen wird.
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