Verleumdung – Wenn Worte wie Pfeile sind
Eine Kolumne von Heinrich Schmitz über den Straftatbestand des § 187 StGB (Verleumdung).

Wer kennt ihn nicht – den Moment, in dem ein scheinbar harmloses „Ich hab gehört…“ zur recht unheilvollen Kanonade wird. Wenn Gerüchte sich verselbständigen, gegen Fakten trotzen und plötzlich ein Strafverfahren winkt. Genau da greift der Tatbestand der Verleumdung ein. Und nein: Es geht nicht (nur) um rüde Beleidigungen – sondern um das gezielte Streuen von unwahren Tatsachenbehauptungen, gewissermaßen verbal gezündete Feuerwerkskörper im sozialen Miteinander.
Was steckt drin im Gesetz?
§ 187 Verleumdung
Wer wider besseres Wissen in Beziehung auf einen anderen eine unwahre Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen oder dessen Kredit zu gefährden geeignet ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe und, wenn die Tat öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) begangen ist, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
Die wichtigsten Tatbestandselemente im Überblick:
Unwahre Tatsache:
Nicht einfach eine Meinung („Ich finde, er ist unfähig“) sondern eine behauptete Tatsache („Er hat gestohlen“) – die sich als falsch herausstellen muss.
Wider besseres Wissens:
Der Täter muss wissen (oder zumindest ernsthaft vermuten), dass seine Behauptung nicht stimmt.
Eignung zur Herabwürdigung / Kredit-Gefährdung:
Es muss sich um eine Aussage handeln, die geeignet ist, die betroffene Person in der öffentlichen Meinung oder gesellschaftlichen Stellung zu schädigen. Also z.B. „Mein Anwalt hat mit der Gegenseite zusammengarbeitet, wodurch ich mein Sorgerecht verloren habe.“
Verbreitungsumstände:
Speziell schwer wiegt die Tat, wenn sie öffentlich oder mittels Verbreiten von Inhalten z.B. in sozialen Medien begangen wurde (statt nur im kleinen Kreis).
Abgrenzung:
Wichtig zu unterscheiden von der nahe verwandten üblen Nachrede (§ 186 StGB) – dort genügt, dass die Tatsachenbehauptung nicht erweislich wahr ist; bei der Verleumdung muss der Täter wissen oder zumindest bewusst riskieren, dass die Tatsache falsch ist.
Strafantrag / Verfolgung:
Der Betroffene muss in der Regel einen Strafantrag stellen – außer es liegt eine öffentliche Verbreitung vor.
Warum eigentlich so streng?
Weil Vertrauen und Reputation gesellschaftlich einen hohen Wert haben – und eine gezielt unwahre Tatsachenbehauptung diesen Wert mit einem Kanonenboot-Geschütz angreift. Das Recht der persönlichen Ehre (unter anderem Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) schützt das Individuum davor, durch falsche Angriffe gesellschaftlich ausgegrenzt oder in seiner Lebensgrundlage beeinträchtigt zu werden.
Kurz gesagt: Wenn jemand wissentlich „Fakten“ erfindet, die geeignet sind, dich gesellschaftlich zu verschrotten – dann sagt das Gesetz: Halt – Stop! Und es reagiert mit einer Strafe.
Die Kraft der Lüge:
Ein falscher Vorwurf kann schneller verbreitet werden, als man „Widerruf“ sagen kann. Wer einmal in Internet, WhatsApp-Gruppen oder am Stammtisch die falsche Anschuldigung loslässt, streut Pulver – und das Gesetz kennt Feuer-Schutzmaßnahmen.
Meinungen vs. Tatsachen:
Vorsicht mit „Er hat X getan!“ – wenn die Wahrheit unklar ist, könnte es nicht mehr nur zynische Stichelei sein, sondern juristisch heikel. Wer sagt „Meiner Ansicht nach ist er ein Betrüger“ (Werturteil) ist anders gestellt als „Er hat definitiv betrogen“ (Tatsachenbehauptung). Die Grenze verläuft nicht immer klar, aber sie existiert.
Öffentliche Verbreitung:
Ob Facebook – oder Instagram-Post, Kommentar unter YouTube oder WhatsApp-Kettenbrief – je größer die Verbreitung, desto schwerer wiegt die Tat.
„Ich wusste es nicht“ ist keine Rettung. Wenn sich herausstellt, dass man die Unwahrheit kannte oder zumindest leichtfertig verfahren ist, dann wird aus übler Nachrede leicht eine Verleumdung. Vorsicht also im Kreis der Gerüchte-Alarm-Knöpfe.
Ein paar Beispiele:
David Bendels — Meme mit Nancy Faeser (Amtsgericht Bamberg, April 2025)
Der Chefredakteur des „Deutschland-Kurier“ hatte ein manipuliertes Meme der Bundesinnenministerin Nancy Faeser online verbreitet (sog. „Faeser-Meme“). Das Amtsgericht Bamberg verurteilte ihn wegen Verleumdung (gegen Personen des politischen Lebens) zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten auf Bewährung; das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig.
Veleumdung von Göring-Eckart
Ein Nutzer schrieb auf Facebook ein falsches Zitat und beleidigende Zusätze zur Politikerin Katrin Göring-Eckardt. Das Amtsgericht verurteilte ihn wegen Beleidigung und Verleumdung zu sieben Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung (Urteil/Verhandlung 22.11.2021; über Berufung/Weiteres wurde berichtet). Dieser Fall ist ein klassisches Beispiel: falsches Zitat + hartnäckige öffentliche Verbreitung = strafrechtliche Konsequenz.
„Sascha Stammer“ — erfundene Affären / intime Chat-Fälschungen (Prozess Heilbronn, 2024/2025)
Kurzfassung: Ein 24-Jähriger gab sich online als wohlhabender Prominenter aus und veröffentlichte erfundene intime Chatverläufe mit einer bekannten TV-Persönlichkeit (Shania Geiss). Er wurde vor Gericht gestellt und zu Geldstrafe und Schadensersatz verurteilt; die Berichte nennen straf-/zivilrechtliche Sanktionen. Das ist ein Beispiel, wie fingierte private «Beweise» auf Social Media zu straf- und zivilrechtlicher Haftung führen
Influencerin verbreitet angebliche Missbrauchsvorwürfe gegen Kitas (Freiburg, 2024) —
In Freiburg verbreitete eine Influencerin via TikTok/Instagram schwerwiegende Missbrauchsvorwürfe gegen städtische Kitas; Polizei und Stadt widersprachen, die Stadt erstattete Strafanzeige (üble Nachrede, Verleumdung u. a.). In solchen Fällen führt die große Reichweite von Social-Media-Videos schnell zu ernsthaften strafrechtlichen Ermittlungen — und ggf. später zu Verurteilungen, je nach Ermittlungsergebnis.
Keine Nebensache
Reputation ist keine Nebensache Für Einzelne kann eine falsche Anschuldigung existenzvernichtend sein: Jobverlust, soziale Ächtung, psychischerund finanzieller Schaden. Das Gesetz schützt dieses Gut – und das mache ich hiermit auch metaphorisch mit einer Kolumne (also behalten Sie bitte Ihren guten Ruf).
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