Eine Bundespräsidentin, aber was für eine Kandidatin?

Es ist Zeit für eine Diskussion um die Frage, wer als Nächstes ins Schloss Bellevue einziehen soll. Aber bevor es um Namen geht, sollte darüber diskutiert werden, was für eine Person es sein sollte.

Eine Kandidatin als Bundespräsidentin?
Nicht die zukünftige Bundespräsidentin - Graffiti in Chareroy Foto: Jörg Phil Friedrich

Der aktuelle Bundespräsident hat noch zwei Jahre im Schloss Bellevue vor sich, aber die Debatte um die Kandidaten für seine Nachfolge ist bereits im Gange. Vor allem wird darüber diskutiert, ob nicht endlich eine Frau Kandidatin und dann Bundespräsidentin werden sollte. Man könnte sagen, dass es in der Tat höchste Zeit dafür ist. Man könnte auch einwenden, dass ausgerechnet ein Amt, von dem man im Allgemeinen sagt, dass es eher repräsentative Funktion hat, das letzte ist, was der Gleichstellung der Frauen im politischen Leben dient.

Was macht eine gute Bundespräsidentin-Kandidatin aus?

Bevor wir über das Geschlecht der Person an der Staatspitze verhandeln, sollte deshalb geklärt werden, was man von ihr eigentlich erwartet. Was für eine Kandidatin sollte Bundespräsidentin werden? Sie gehört zu keiner der Staatsgewalten, die sich die Macht teilen sollen, aber sie ist nicht machtlos. Nicht nur, dass sie in bestimmten Momenten des politischen Geschehens eben doch etwas entscheiden kann. Gerade weil sie jenseits der Gewalten steht, hat sie eine Bedeutung, wenn sie die Richtige ist. Denn wer im Schloss residiert, hat die störende Macht des Worts, auch wenn die, die im Tagesgeschäft der Politik ungern gestört werden wollen, den unbequemen Bundespräsidenten gern das Wort verbieten würden. Man denke an die Sternstunden des Amts, etwa an die Worte Roman Herzogs, dass ein Ruck durch Deutschland gehen müsse.

Deshalb hat die politische Klasse, deren Vertreter über die Besetzung des Amtes entscheiden, das Amt auch am liebsten als Altersruhesitz für einen der ihren bestimmt. Eine ehemalige Politikerin, die Verständnis dafür hat, dass niemand durch das öffentliche präsidiale Wort aufgescheucht werden möchte, kommt da als Kandidatin und als Bundespräsidentin in Frage. Eine Person, die die Verbindlichkeiten, die sie gegen diejenigen hat, die ihn an diesen schönen Platz gestellt haben, von allzu kritischen oder provozierenden Reden abhalten, ist gern gesehener Sonntagsredner bei den Anlässen der erhebenden Selbstvergewisserung der Politik. Deshalb suchen die Parteien, und mit ihnen die geneigte Öffentlichkeit, nun auch unter ehemaligen und amtierenden Ministerpräsidentinnen und Parlamentsvorsitzenden nach einer geeigneten Dame.

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Die besten, nachhaltig eindrucksvollsten und unvergessenen Präsidenten waren aber bisher die, die nie oder kaum im politischen Geschäft waren. Deshalb sollte auch nach einer Präsidentin außerhalb der Riege der Ministerinnen und Abgeordneten gesucht werden. Was für Menschen kämen in Frage?

Das Amt verlangt nach der Bereitschaft zu kritischer Reflexion und nach der Fähigkeit zur offensiven, eindringlichen und verständlichen Rede, die alle anspricht, die Mut machen kann, gerade weil sie auch Versäumnisse und Risiken benennt. Zugleich soll eine Kandidatin für die Position der Bundespräsidentin aber in der Lage sein, Gründe für Zuversicht zu nennen. Solche Leute findet man vermutlich am ehesten an den Universitäten und den Forschungsinstituten.

Gute Kandidatinnen: Professorinnen und Publizistinnen

Historikerinnen, Kunstwissenschaftlerinnen, Soziologinnen und Politikwissenschaftlerinnen oder Juristinnen kommen in Frage, aber auch Schriftstellerinnen, Künstlerinnen mit wachem Blick auf gesellschaftliche Zusammenhänge. Von ihnen gibt es viele im Lande. Sie äußern sich schon heute zugleich kritisch wie auch im Geiste der Demokratie und der Republik in den Medien. Sie schreiben Bücher über die Herausforderungen und über die Zukunftschancen unserer Gesellschaft.

Die Parteien sollten den Mut haben, Kandidatinnen für das Amt der Bundespräsidentin außerhalb ihrer eigenen engen Zirkel zu suchen. Wenn sie Radio hören, wenn sie auf die Sachbuch-Neuerscheinungen der letzten Jahre schauen, wenn sie zuhören, wer sich öffentlich um die Demokratie im Lande, um die europäische Integration und um den Frieden in der Welt sorgt, werden sie die richtige Frau fürs Amt finden. Es muss keine Politikerin sein. Der politischen Stimmung im Lande würde das gut tun.

In der letzten Kolumne von Jörg Phil Friedrich ging es um Fragen der medizinischen Lebensverlängerung und den assistierten Suizid.

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