Männer und Patriarchen
Dass Patriarchen meistens Männer sind, heißt nicht, dass Männer meistens Patriarchen sind. Wer Machtstrukturen wirklich abschaffen will, sollte nicht den Mann schlechthin zum Feind erklären.

Unbestritten sind noch immer die meisten Menschen in mächtigen Positionen Männer, sei es in der Politik, in der Wirtschaft, in der Wissenschaft oder im Sport. Ebenso unstrittig ist, dass die meisten Gewalttaten (zumeist gegen Männer) von Männern ausgehen, dass die meisten Morde, von Männern (und an Männern) verübt werden. Aber dass Patriarchen Männer sind, die an der Macht sind, heißt nicht, dass Männer schlechthin Patriarchen sind, dass es Männer sind, die gewalttätig sind, heißt nicht, dass Männer schlechthin gewalttätig sind. Es ist sicherlich eine wichtige Frage, warum an bestimmten Stellen viel häufiger Männer auftauchen als Frauen, aber allein aus dieser Häufung kann man nicht schließen, dass die Männer überhaupt die Herrschenden sind, dass quasi Männer schlechthin gewalttätig sind.
Sind Männer Patriarchen?
Wenn linke Politik Herrschaftsstrukturen bekämpfen will und die Macht von Menschen über andere Menschen begrenzen will, muss sie nüchtern analysieren, wer da wirklich wen beherrscht und darf nicht Leute zu den Mächtigen zählen, die eigentlich ohnmächtig sind. Denn dann kann es passieren, dass die, die sich dann zurecht vor den Kopf gestoßen fühlen, sich anderen politischen Kräften zuwenden, solchen, denen es nicht daran liegt, Machtstrukturen zu beseitigen, die vielmehr Macht durch Populismus stabilisieren wollen.
Die meisten Männer sind gerade nicht in Herrschaftspositionen, sie sind nicht gewalttätig, sie sind keine Mörder. Die meisten Männer haben einen Job, in dem ihnen gesagt wird, was sie tun sollen, sie haben eine Familie, in der sie keine Gewalt ausüben.
Ein durchschnittlicher Mann durchschnittlichen Alters ist kein Herrscher, weder im Privaten noch im Beruf. Er geht acht Stunden am Tag arbeiten, wo er meist das tut, was ihm ein anderer vorschreibt. Er erledigt zu Hause die körperlich anstrengende Gartenarbeit, erledigt die anfallenden Reparaturen, fährt das Auto in die Werkstatt oder wechselt selbst die Winterreifen, er fährt die Familie in den Urlaub. Und um einem schnellen Einwand sogleich zu begegnen: Ja, das machen alles auch Frauen, aber auch Männer machen mit den Kindern Hausaufgaben, bringen die alten Eltern zum Arzt oder erledigen ihnen die schweren Einkäufe. Männer gehen mit den Kindern auf den Fußballplatz, sie streichen die Wände der Wohnung oder des Hauses.
Wenn diese Männer abends den Fernseher anschalten oder im Internet herumsurfen erfahren sie, dass sie zu den Herrschern der Welt gehören und im Übrigen für den Untergang der menschlichen Zivilisation verantwortlich sind: Weil sie nicht genug Care-Arbeit leisten würden, weil sie nicht richtig gendern, weil sie Auto fahren und Fleisch grillen.
Für wen linke Politik da ist
Das finden diese Männer absurd, und ihre Frauen übrigens ebenfalls. Denn die finden die Arbeitsteilung in der Familie ziemlich in Ordnung, im Gegensatz zu den Frauen, die gar keine Familie und jedenfalls keine Kinder haben, die zu weit entfernt von ihren Eltern wohnen, um im Alltag irgendwas für sie erledigen zu können und die dennoch oder deshalb über die ungebrochene Männerherrschaft diskutieren. Männer und Frauen, die zusammen einen Haushalt führen und sich dabei den Aufwand teilen, der nötig ist, von der bezahlten Arbeit über die Betreuung von Kindern und Eltern bis zur Instandhaltung von Wohnung, Fahrrad, Rasenmäher und Auto, die sich freuen, dann abends zusammen auf dem Sofa oder im Garten sitzen und am Wochenende ein paar Freunde treffen zu können, schütteln über die Patriarchats-Debatten in den Medien nur den Kopf. Und die Parteien, die meinen, ausgerechnet diese Debatten seien wichtig für die Zukunft des Landes, mögen und können sie nicht wählen.
Für diese Leute, Männer wie Frauen, war linke Politik mal da. Sie hat ihnen gesagt: Wir machen Politik für euch, und wir wissen, dass ihr es seid, die dieses Land, die Wirtschaft und die Gesellschaft überhaupt am Laufen halten. Und wir tun politisch alles dafür, dass das für euch erträglich ist, dass die Macht, die euch regiert und dirigiert, nicht zu stark ist. Heute scheint es so, als ob die Parteien, die sich als Links bezeichnen, den Druck auf diese Leute noch erhöhen wollen, indem sie ihnen sagen, was sie alles falsch machen. Wer das für linke Politik hält, darf sich nicht wundern, wenn die Wähler weglaufen.
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