Bis dass der Zugewinn uns scheidet
Ein launiger Blick auf den Zugewinnausgleich von Heinrich Schmitz.

TragödieWer in Deutschland heiratet, bekommt vom Gesetz gleich noch einen stillen Mitbewohner ins Eheboot gesetzt: den Zugewinnausgleich. Er sagt nichts, er isst nichts – aber er rechnet mit. Und zwar ganz ohne, dass man einen Vertrag unterzeichnet hat. Das hat den Charme einer Gratis-App – mit In-App-Käufen am Ende.
Zugewinn – Was ist das eigentlich?
Nach §§ 1363 ff. BGB gilt: Wer keinen Ehevertrag schließt, lebt im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Das klingt romantischer, als es ist. Denn es heißt nicht, dass plötzlich alles beiden gehört – das wäre eine Gütergemeinschaft – , sondern:
– Jeder bleibt Eigentümer seines Vermögens (und seiner Schulden).
– Nur am Ende der Ehe – bei Scheidung oder Tod – wird geschaut, wer mehr Vermögenszuwachs („Zugewinn“) erzielt hat.
– Derjenige mit dem höheren Zugewinn muss die Hälfte der Differenz an den anderen zahlen. Dies ist der zentrale Gedanke des Zugewinnausgleichs.
Juristisch ist das also kein gemeinsames Konto, sondern ein nachträglicher Ausgleichsanspruch.
Sinn und Zweck
Der Gesetzgeber wollte verhindern, dass einer am Ende der Ehe reich ist wie Dagobert Duck, und der andere nur mit einem Koffer voller Kassenbons dasteht. Der Gesetzgeber folgt dabei dem Gedanken, dass die Ehe eine Wirtschaftgemeinschaft ist.
Der Zugewinnausgleich soll:
– Fairness schaffen, wenn einer z. B. während der Ehe unbezahlte Care-Arbeit leistet (Kinderbetreuung, Haushaltsführung) und dadurch keine eigenen Vermögenssteigerungen erzielt.
– Partizipation am ehelichen Wirtschaftserfolg sicherstellen – unabhängig davon, wer das Einkommen formell erzielt hat.
Kurz gesagt: Wer zu Hause die Windeln wechselt, soll am Ende nicht in die Röhre gucken, während der andere sich eine Rente in Goldbarren sichert. Blöderweise greift das aber auch, wenn der eine Partner rund um die Uhr rödelt und Vermögen schafft, während der andere keinen Handschlag tut und sich lieber einen hinter die Binde gießt.
Wie wird gerechnet?
Die Mathematik des Zugewinnausgleichs ist einfach – theoretisch. Praktisch sorgt sie für Streitpotenzial, das schon so manche Scheidungsakte auf 500 Seiten und mehr aufgepumpt hat.
– Anfangsvermögen: Was jeder am Tag der Eheschließung hatte (Schulden zählen negativ).
– Endvermögen: Was jeder am Tag der Zustellung des Scheidungsantrags hat.
– Zugewinn = Endvermögen – Anfangsvermögen.
– Differenz ermitteln: Wer mehr Zugewinn hat, muss die Hälfte der Differenz zahlen.
Beispiel light:
– Partner A: Anfang 0 €, Ende 100.000 € → Zugewinn: 100.000 €.
– Partner B: Anfang 10.000 €, Ende 20.000 € → Zugewinn: 10.000 €.
– Differenz: 90.000 €. Hälfte = 45.000 € → Partner A zahlt Partner B. Hier kommt der Zugewinnausgleich ins Spiel.
Das wäre nun aber erstens zu einfach und zweitens ungerecht. Es sind daher einige juristische Feinheiten: eingebaut: Privilegiertes Anfangsvermögen (§ 1374 II BGB): Erbschaften und Schenkungen während der Ehe werden dem Anfangsvermögen zugerechnet – inflationsbereinigt! Der Grund ist einfach. Ausgeglichen werden soll ja die gemeinsame Lebensleistung. Und eine Erbschaft ist wie eine Schenkung eben keine eigene Leistung, falls man beim Erbfall nicht nachgeholfen hat.
Schulden am Anfang werden abgezogen – ja, wer verschuldet in die Ehe geht, startet rein rechnerisch im Plus, wenn er sie abbaut. Bewertungsfragen (Immobilien, Firmenanteile) sind der Lieblingsspielplatz von Gutachtern.
Kritik und Streitfragen
Der Zugewinnausgleich ist nicht unumstritten – aus mehreren Gründen:</p>„Papiere statt Patina“ – Immaterielle Leistungen wie Karrierechancen, Netzwerke oder Bildung werden nicht direkt erfasst.</li>Timing ist alles – Vermögensveränderungen kurz vor Eheende (Stichwort: „Scheidung light durch Vermögenstrip nach Dubai“) sind zwar teilweise durch § 1375 BGB geschützt, aber nicht immer leicht zu beweisen. Manchmal wird der Zugewinnausgleich daher zur Herausforderung. Wertschwankungen – Immobilienblasen, Aktiencrashs oder Firmenpleiten können die Bilanz verzerren.
Tragödie
Ich hatte mal den schönen, tragischen Fall eines Mandanten, der zum Stichtag des Endvermögens über ein Aktienvermögen von über einer Million Euro verfügte, das sich aber leider ein paar Tage später komplett in Luft auflöste, weil die bisher durchaus wertvollen Anteile auf einmal nur noch mit 1 Cent bewertet wurden. Der Ehefrau und auch dem Gericht war das allerdings wegen des Stichtagsprinzips völlig egal. Das Angebot, ihr das ganze Depot zu übertragen, lehnte die gute Frau ab. Der Mandant entzog sich der Riesenpleite, indem er in einem Hotelzimmer einen Holzkohlengrill anzündete und sich dann ins Bett legte.
Internationale Ehen – Bei Auslandsbezug wird’s schnell komplex: Welches Recht gilt überhaupt? Rom-III-Verordnung und EU-Güterrechtsverordnung winken freundlich.li>
Der Zugewinnausgleich ist wie ein automatisches Backup: Man denkt nicht daran, bis es drauf ankommt – und dann ist man froh (oder eben weniger froh), dass es ihn gibt. Sein Ziel ist klar: Vermögensfairness schaffen, ohne ständig während der Ehe zu rechnen. Sein Problem: Das Leben ist komplizierter als jede Formel, und gerade dort, wo Emotionen und Geld zusammentreffen, wird aus der reinen Mathematik schnell ein sehr menschliches Drama. Wer also in den Hafen der Ehe einfährt, sollte wissen: Neben der Liebe fährt auch das BGB mit – und es hat einen Taschenrechner dabei.
Deshalb sollte man sich gründlich überlegen, ob man nicht per Ehevertrag eine individuellere Regelung treffen kann, um den Zugewinnausgleich zu vermeiden.