Ein zynischer Blick auf den Gefangenenaustausch

Russland und der Westen tauschen Menschen aus. Jeder behauptet, für sich einen guten Deal gemacht zu haben. Aber kann ein Deal mit einem Verbrecher letztlich gut sein? Eine Kolumne von Heinrich Schmitz.


Bild von Kirstine Rosas auf Pixabay

In der Welt des modernen Krieges gibt es wenig Raum für Menschlichkeit. Stattdessen tanzen wir auf der Bühne der Geheimdiplomatie, wo selbst Strafgefangene zu Schachfiguren in einem zynischen Machtspiel werden.

Ach, die noble Idee des Austauschprogramms von Gefangenen – eine Veranstaltung, die ebenso sinnlos wie heuchlerisch ist. Wie die Absurdität eines schlechten Theaterstücks ist sie nur dazu da, das Gesicht derjenigen zu wahren, die sich als zivilisierte Akteure ausgeben, während sie die Welt in Schutt und Asche legen. Und nun sind es nicht mal mehr die klassischen Kriegsgefangenen, die ausgetauscht werden, sondern ein Auftragskiller gegen russische Geiseln.

Tauschobjekte

Da sitzen sie, die Anzugträger und Militärs, in ihren klimatisierten Räumen, kalkulieren kaltblütig den Wert menschlichen Lebens in harten Zahlen. Wer hätte gedacht, dass die Existenz eines Menschen in „Tauschwerten“ gemessen werden kann? Aber ja, wir sprechen hier von der Ratio eines Offiziers zu fünf Soldaten oder der Gleichwertigkeit eines gefangenen Diplomaten zu einem halben Dutzend einfacher Zivilisten oder halt eines Profikillers gegen ein paar russische Oppositionelle, Es ist eine Auktion der Ehre, die auf einem schmutzigen Basar verhandelt wird, wo Würde und Anstand schon lange keinen Platz mehr haben. Eine ekelhafte Veranstaltung im Sinne Putins.

Währenddessen sind die Gefangenen selbst nur Randfiguren in diesem makaberen Spiel. Sie werden in die Arena der Propaganda gezerrt, vorgeführt als lebende Trophäen oder als lebendiger Beweis für die „Güte“ des Feindes, der sie ja schließlich nicht einfach exekutiert hat. Oh, welch ein Ehrenmann! Wir applaudieren, dass sie am Leben gelassen werden, als wäre das schon ein Geschenk und kein grundlegendes Menschenrecht. Allerdings hat Medwedew, der stellvertretende Vorsitzende des Sicherheitsrates der russischen Föderation den von Russland überstellten Geiseln gleich einmal mit auf den Weg gegeben, dass sie wohl nicht lange zu leben haben. Der Arm des russischen Geheimdienstes ist halt lang.

Rührende Bilder

Die Medien lieben diese Geschichten natürlich. Sie malen Bilder von familiären Wiedervereinigungen, wo Tränen fließen und glückliche Gesichter die Bildschirme füllen. Aber was bleibt ungesagt? Dass diese Menschen oft traumatisiert, gebrochen und voller Misstrauen zurückkehren. Dass ihre Freilassung nichts mit Humanität, sondern nur mit taktischem Kalkül zu tun hat. Ein Schachzug, der nichts mit Gnade und alles mit geopolitischen Interessen zu tun hat. Die Wiederkehrer sind nichts weiter als Figuren in einem abscheulichen Spiel, in dem der Mensch als Mittel zum Zweck degradiert wird.

Show must go on

Und so wird das Spiel weitergehen. Neue Geiseln werden von Putin genommen werden, neue Killer ins Ausland geschickt, neue Verhandlungen beginnen, und die Maschinerie des kalten Krieges schluckt unaufhörlich menschliches Leben und speit sie als Zahlensalat aus. Die Protagonisten, unsere lieben Führer und Entscheider, spielen ihre Rollen perfekt. Doch in diesem Theaterstück gibt es keine Helden, nur Marionetten, die tanzen, solange die Strippen gezogen werden.

Am Ende bleibt die bittere Erkenntnis: Der Austausch von Gefangenen ist keine noble Tat, sondern eine Farce, ein erbärmlicher Akt, der uns lediglich daran erinnert, wie weit wir als Gesellschaft gefallen sind. Es ist ein Spiegel, der uns unsere eigene Hässlichkeit zeigt – eine Welt, in der selbst das Leben, das Recht und die Freiheit zu verhandelbaren Gütern geworden sind. Aber was erwartet man schon von einer Welt, die sich längst von Menschlichkeit und Anstand verabschiedet hat?

Helmut Schmidt hat mal gesagt: „Mit Terroristen verhandeln wir nicht.“ Aber das ist lange her. Jetzt hat wohl ein Massenmörder ein Angebot gemacht, dass der Westen nicht ablehnen wollte.

Und ja, zur Rettung der westlichen Geiseln war der Deal irgendwie alternativlos und für die nun freigelassenen Geiseln freut es mich auch. Allein, es sei jedem, der seine Sinne beisammen hat, geraten, künftig auf Ausflüge in den russisch beherrschten Raum zu verzichten, sich stets entfernt von offenen Fenstern und sonstigen Abgründen aufzuhalten und ansonsten aus jedem Tag das Beste zu machen. Das Ende kommt früh genug.

Heinrich Schmitz

Heinrich Schmitz ist Rechtsanwalt, Strafverteidiger und Blogger. In seiner Kolumne "Recht klar" erklärt er rechtlich interessante Sachverhalte allgemeinverständlich und unterhaltsam. Außerdem kommentiert er Bücher, TV-Sendungen und alles was ihn interessiert- und das ist so einiges. Nach einer mit seinen Freital/Heidenau-Kolumnen zusammenhängenden Swatting-Attacke gegen ihn und seine Familie hat er im August 2015 eine Kapitulationserklärung abgegeben, die auf bundesweites Medienecho stieß. Seit dem schreibt er keine explizit politische Kolumnen gegen Rechtsextreme mehr. Sein Hauptthema ist das Grundgesetz, die Menschenrechte und deren Gefährdung aus verschiedenen Richtungen.

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