Der Abschiebeankündigungskanzler
Bundeskanzler Olaf Scholz markiert den harten Mann und kündigt Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien an. Geht das überhaupt? Eine Kolumne von Heinrich Schmitz.
Bild von Gerd Altmann auf Pixabay
Der Tod des jungen Polizisten Rouven Laur ist schrecklich. Daran gibt es nichts zu deuteln oder zu relativieren. Im Dienst von einem (mutmaßlichen) radikalisierten Islamisten abgestochen zu werden, ist grauenhaft und empört einen Jeden, der nicht völlig verblendet ist.
Und so ist es auch kein Wunder, dass eine solche Tat nicht nur die Bevölkerung, sondern auch die Bundesregierung und speziell den Bundeskanzler schockiert. Und immer, wenn man schockiert und wütend ist, neigt man zu voreiligem Handeln. Und wenn es nichts zum Handeln gibt, neigt man halt dazu, ein Handeln anzukündigen.
Der Zauderer
Olaf Scholz, bisher eher als Zauderer verschrien, als ruhiger Zeitgenosse, dem man eine Politik der ruhigen Hand durchaus zugetraut hat und der sich häufig in Schweigen hüllt und ein sibyllinisches Lächeln im Gesicht trägt, markiert nun plötzlich den Law-and-Order-Kanzler. knochenhart und unerbittlich.
Solche Straftäter gehören abgeschoben – auch wenn sie aus Syrien und Afghanistan stammen“, sagte Kanzler im Bundestag. „Schwerstkriminelle und terroristische Gefährder haben hier nichts verloren.“
Okay. Hätte ich den Satz in der Kneipe gehört, dann hätte ich mich vermutlich abgewandt und gesagt, der arme Kerl hat keine Ahnung.
Denn, was Scholz da ein paar Tage vor der Europawahl behauptet, also Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien, dürfte rechtlich kaum möglich sein.
Seehofer war’s
Es waren übrigens nicht linksgrünversiffte Gutmenschen, die die Abschiebungen nach Afghanistan gestoppt haben, sondern der damalige Innenminister Seehofer, bekannt für manches, aber sicher nicht für besondere Milde im Umgang mit Verbrechern.
Aber der Reihe nach: Grundsätzlich können Straftäter in ihr Heimatland abgeschoben werden. Das steht auch schon lange so im Aufenthaltsgesetz. Und dazu braucht es nicht einmal Kapitalverbrechen.
Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet 1) (Aufenthaltsgesetz – AufenthG)
§ 53 Ausweisung
(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.
(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.
(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche
Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.
(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.
(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.
Das wird auch gemacht. Im Jahr 2023 gab es etwas mehr als 16.000 erfolgreiche Abschiebungen. Ungefähr doppelt soviele scheiterten aus den unterschiedlichsten Gründen.
Einer der Gründe ist z.B. dass nicht in Länder abgeschoben werden darf, in denen dem Abgeschobenen Folter oder gar Tod drohen. Also Länder wie Afghanistan oder Syrien..
Ja, dann ändern wir das halt, wird man vielleicht unter Absingen von Gigis wiederbelebtem Ausländer-Raus!-Hit fordern. Und ja, ich kann verstehen , dass schlichte Gemüter sich für diese über Eck gespielte Variante der Todesstrafe begeistern. Aber, aber, was hatten wir nicht erst vor ein paar Tagen gefeiert? Richtig, das Grundgesetz. Schon mal gehört?
Und das setzt die Maßstäbe unseres Rechtsstaats, und nicht Völkischs Stimme noch der Bundeskanzler himself. Der kann zwar die Richtlinen der Politik bestimmen, aber eben nur im Rahmen des GG. Und da gilt nun mal ohne Wenn und Aber der Schutz der Menschenwürde als unantastbar. Bei jedem. Auch bei Arschlöchern, bei Mördern und bei Terroristen. Das mag der ein oder andere bedauern, ist aber so.
Faeser prüft
Und nun zur praktischen Umsetzung. Frau Faeser- man sollte Namenswitze vermeiden, aber wenn ich den Namen höre, höre ich immer Captain Kirk, der sagt, Phaser auf Betäubung – haut in dieselbe Kerbe und kündigt, raten Sie mal was, ja sie kündigt eine Prüfung an, ob es möglich ist, Straftäter mit afghanischem Pass abzuschieben. Diese „Pläne“ werden von FDP,SPD. CDU und – wen wundert’s – der AfD unterstützt.
Gut, die Prüfung wird nicht allzu lange dauern, aber über den Termin der Europawahl werden die Sprüche vielleicht noch ziehen. Man will ja schließlich die durch den Mord aufgeheizte Stimmung nicht in AfD-Stimmen aufgehen lassen.
Übrigens, auch wer öffentlich eine solche Tat billigt oder gar feiert, wie das wohl im Internet jede Menge islamistischer Vollhonks getan haben, macht sich strfabar und kann bei entsprechender Verurteilung ausgewiesen werden.
§ 140 Belohnung und Billigung von Straftaten
Wer eine der in § 138 Absatz 1 Nummer 2 bis 4 und 5 letzte Alternative oder in § 126 Absatz 1 genannten rechtswidrigen Taten oder eine rechtswidrige Tat nach § 176 Absatz 1 oder nach den §§ 176c und 176d1.
belohnt, nachdem sie begangen oder in strafbarer Weise versucht worden ist, oder
2.
in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) billigt,wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
Nun tun wir mal einen Moment so, als ließe sich, vielleicht weil das Grundgesetz gerade Sommerpause macht, eine Abschiebung von Mördern, Vergewaltigern usw. nach Afghanistan managen.
Zunächst einmal müsste man die Taliban, die dort herrschen wie in der Hölle, davon überzeugen, dass sie die Täter zurücknehmen. Das wird sich sicher mit ein paar hundert Millionen an den richtigen Stellen regeln lassen. Und dann kommt es halt darauf an.
Handelt es sich bei den Abgeschobenen um Gegner der Taliban, wird der Leben ein recht kurzes sein. Vielleicht werden sie erst noch eine Runde öffentlich ausgepeitscht oder gefoltert, doch am Ende sind sie tot. Ja, hurra, rufen die Todestrafenfans, so hatten wir uns das ja auch gedacht.
Oder aber, sie sind keine Feinde des Regimes und werden mit offenen Armen empfangen und herzlich im Kreise der Talibanterroristen aufgenommen, um alsbald wieder mit neuen Papieren ausgestattet nach Europa zu reisen, um mal so richtig zu zeigen, was sie noch so drauf haben.
Irgendiwe beides nicht so knuspernd.
Ich möchte nicht, dass Straftäter, ohne hier ihre Strafe abgesessen zu haben, abgeschoben werden. Die sollen sie mal schön hier verbüßen. Danach kann man ja sehen, wie sich Afghanistan entwickelt hat.
Gegen die von den ausgewiesenen Personen begangenen Straftaten hilft das aber auch herzlich wenig, denn die sind ja schon begangen.
Wenn es also darum gehen würde – also außerhalb von Wahlkampfpropaganda – künftige Taten zu verhindern, müsste man auf andere Maßnahmen setzten.
Ich hab ja da schon x-mal was vorgeschlagen. In Kürze: Zwingende Kindergartenpflicht für alle Kinder ab 3 Jahren, besser ausgestattete Schulen, flächendeckend SchulpsychologInnen und SozialarbeiterInnen, staatliche Ausbildung von Imanen, deutlich mehr Personal in Ausländerbehörden, deutlich bessere finanzielle und personelle Ausstattung bei Polizei und Justiz, besserer Strafvollzug vor allem im Bereich des Jugendstrafvollzugs, bessere Koordination der Geheimdienste. Das sind nur ein paar Möglichkeiten, die unterm Strich was bringen würden.
Wer meint, Sicherheit sei das Wichtigste, der irrt. Wenn man eine Simulation von Sicherheit haben wollte, müsste man eine totale Kontrolle des zivilen Lebens in Kauf nehmen. Dagegen wäre die Stasi ein Witz. Nur wenn man jedes Gespräch, jeden Schriftwechsel und jede Zusammenkunft – und sei es in Moscheen – lückenlos überwacht, dann wäre so etwas theoretisch denkbar. Aber, wer kann das wollen? Und vor allem, auch das würde keine Sicherheit garantieren, denn ein Einzeltäter ohne irgendeine Vorbelastung, der sich spontan mit dem Küchenmesser auf den Weg macht, um jemanden anzugreifen, wäre auch mit diesen Maßnahmen nicht im Vorfeld auszumachen.
DerTäter von Mannheim hätte nicht vor der Tat ausgewiesen werden können, weil vor der Tat gar keine Ausweisungsgrund vorlag. Er war auch nicht ausreisepflichtig und hätte deshalb nicht abgeschoben werden können.
Aber auch hier wie immer: Herr Schmitz, wie können Sie denn so etwas fordern, das kostet doch Milliarden? Ja, stimmt, hilft aber Menschenleben zu schützen und könnte in ruhigere Zeiten führen.
Zum Abschiebeankündigungskanzler würde ein Hamburger sagen, de Sabbelbüddel snackt dumm Tüch.