Drei Pflanzen für Charlie
Die Ampel stellt Eckpunkte zur Legalisierung von Cannabis vor. Aus Sicht unseres Kolumnisten ein schlechter Scherz. Eine Kolumne von Heinrich Schmitz.
Hach, was hatten sie im Wahlkampf getönt. Legalisierung von Haschisch und Marihuana, Austrocknung des Schwarzmarkts, Verbesserung des Jugendschutzes, Entstigmatisierung der Konsumenten als Kriminelle. Und dann wurde das sogar in den Koalitionsvertrag aufgenommen.
Da standen ganz sinnvolle Ideen drin:
Cannabis und Tetrahydrocannabinol (THC) werden künftig rechtlich nicht mehr als Betäubungsmittel eingestuft. Genusscannabis, Medizinalcannabis und Nutzhanf werden vollständig aus dem Anwendungsbereich des Betäubungsmittelgesetzes ausgenommen und die jeweiligen rechtlichen Rahmenbedingungen in einem gesonderten Gesetz festgelegt.
Die Produktion, die Lieferung und der Vertrieb von Genusscannabis werden innerhalb eines lizenzierten und staatlich kontrollierten Rahmens zugelassen. Der Erwerb und der Besitz bis zu einer Höchstmenge von 20 bis 30 Gramm Genusscannabis zum Eigenkonsum im privaten und öffentlichen Raum werden straffrei ermöglicht; privater Eigenanbau wird in begrenztem Umfang erlaubt.
Mit Inkrafttreten der geplanten Neuregelung sollen laufende Ermittlungs- und Strafverfahren zu
dann nicht mehr strafbaren Handlungen beendet werden.
Durchziehen und Jubel in der Kifferszene.
Blauer Dunst
Aber wie so oft in der Politik folgt nach großen Versprechungen nicht viel mehr als blauer Dunst. Mein Opa sagte immer, wenn ich mit einer vermeintlich guten Idee zu ihm kam:
Oss sinn at esuviel Plän kapott jejange. (Uns sind schon so viele Pläne kaputt gegangen.)
Wohl wahr.
Nun also wieder nicht der große, allseits erwartete Befreiungsschlag für alle Kiffer und die, die es gerne werden wollten, sondern nur ein Tippelschrittchen. Von Säulen spricht Karl Lauterbach. Klingt gut, ist aber heftig übertrieben. Säulen sollen ja irgendetwas tragen. Der Mist hier trägt gar nichts. Vielleicht meinte er auch nur zwei kleine Säule.
Zukunftsmusik
Im Einzelnen:
Wer glaubt, es gebe bereits einen Gesetzentwurf, der täuscht sich. Was es gibt, ist lediglich ein bisher ein nicht kodifiziertes Modell und ob das überhaupt kommt, steht in den Sternen. Die eher der Bier gefüllten Maß frönenden Bajuwaren haben bereits heftigen Widerstand angekündigt. Wer meint, nach dem Becksteinchen Gesetz, er könne mit zwei Maß Bier noch Auto fahren, der muss sich natürlich mit Händen und Füßen gegen so eine Teufelsdroge wie Cannabis zur Wehr setzen. Der weißblaue Himmel soll nicht mit süßlichem Qualm vernebelt werden. Und schließlich heißt Gras rückwärts gelesen Sarg.
Aber gut. Nach den aktuellen Fantasien von Lauterbach und Özdemir soll künftig – also nicht ab heute, sondern irgendwann mal, vielleicht, eventuell, man weiß es nicht, vielleicht auch doch nicht – jeder Erwachsene drei weibliche blühende Pflanzen im Eigenanbau halten dürfen, sofern „sofern sie so angebracht sind, dass Kinder und Jugendliche sie nicht erreichen können“.
Okay, Männliche Pflanzen zu halten ergibt auch wenig Sinn, denn da die nicht viele Cannabinoide oder Terpene enthalten, sind die als Rauschmittel recht ungeeignet. Es müssen also weibliche sein. Vermutlich werden die männlichen einfach bei lebendigem Leib geschreddert wie die Hähnchenküken.
Probleme
Aber da geht’s auch schon los mit den praktischen Problemen. Wie soll ich als bald 65-Jähriger eine Pflanze so anbringen, dass z.B. ein 16-Jähriger die nicht erreichen kann? Wie bringt man überhaupt eine Pflanze an? Soll ich für drei Pflänzchen einen abschließbaren Sicherheitsraum mit einem 256-stelligen Zahlencodeschloss anbauen und mir den Code merken?
Eine Pflanze bringt bei gutem Gelingen, also nach einiger Zeit der Fehlversuche, etwa 20–30 Gramm Marihuana, drei demnach 60-90 Gramm. Und das auch nur bei einem Indoor-Anbau mit dem entsprechenden Equipment. Man braucht dafür als Minimum:
/ ein Growzelt
/ ein Beleuchtungssystem
/ eine Be- und Entlüftung
/ verschiedene Messgeräte für Feuchtigkeit und Temperatur
/ weitere Messgeräte für pH-Wert und EC-Wert
/ diverse Substrate und Düngemittel
/ eine geignete Anzahl und Größe an Töpfen (klein ca. 0,3l & groß ca. 7l – 11l)
/ gute Cannabis Samen
/ und auch noch Insektizide
Dass sich das für drei Pflanzen nicht wirklich lohnt, können Sie sich ja selbst mal ausrechnen. Vergessen Sie dabei nicht den Stromverbrauch. Im Idealfall erreichen Sie also vielleicht für jeden Tag eine Konsumeinheit, wenn, ja wenn Sie das Zeug optimal lagern. Aber vielleicht darf man ja auch drei Pflanzen für die Schwiegermutter im Altenheim mitbetreuen, oder darf die das dann da selbst in ihrem Zimmer machen?
Ein Outdoor-Anbau ist in unseren Breiten ziemlich sinnlos, bevor der Klimawandel uns Cannabis freundlichere Konditionen bringt. Da kommt ein Kiffer nicht weit mit, falls er nicht gleich eine ganze Pflanze in die Tüte baut.
Millionen
Immerhin könnten nun die rund 65 Millionen Erwachsenen in Deutschland legal 195 Millionen Pflanzen großziehen. Das wird vielleicht so was wie beim Tamagotschi. Auch da sind die meisten nach spätestens 20 Tagen hinüber gewesen. Gut, tatsächlich gibt es nur 4,5 Millionen Kiffer. Aber woher nun plötzlich auf legalem Wege 13,5 Millionen Pflanzen herkommen sollen, weiß ich jetzt auch nicht. Wo kann man die denn dann legal erwerben?
Eine Alternative könnten dann noch die neu geplanten Kiffer-Vereine sein, die als Cannabis-Social-Clubs (CSC) bezeichnet werden. Der Name ist womöglich beim ESC angelehnt und turnt schon gewaltig ab. Da sollen sich bis zu 500 Menschen als Vereinsmitglieder mit 25gr am Tag oder 50gr im Monat – unter 21-Jährige nur 30gr – versorgen können. Man bräuchte also 9000 solcher Vereine, um alle Kiffer rudimentär zu versorgen. Der Verein muss den Stoff selbst anbauen, in den Vereinsräumen darf nicht konsumiert werden, die CSC müssen weit von Schulen entfernt liegen und es darf kein Alkohol ausgeschenkt werden. Außerdem darf man nur in 1 solchen Verein Mitglied werden, und ein finanzielles Interesse dürfen die Vereine nicht verfolgen. Wie hoch da der Monatsbeitrag werden wird, will ich gar nicht wissen. Das Ganze klingt nicht besonders genußfreundlich. Der normale Kiffer wird wohl weiter lieber bei Palmer im Boga Park oder ähnlichen bekannten Anlaufstellen kaufen.
Nicht erwachsene Personen, die mit Cannabis erwischt werden, sollen mit Präventionsmaßnahmen gestoppt werden. Na gut, kann man machen. Besser jedenfalls, als sie zu bestrafen und zu kriminalisieren. Erwachsene dürfen auch im Freien kiffen, aber nur nach 20 Uhr. Warum weiß der Geier.
Quatsch
Ganz ehrlich. Diesen Quatsch kann man sich auch sparen. Mit Legalisierung von Cannabis hat das beim besten Willen nichts mehr zu tun. Das ist reine Augenwischerei.
Damit dörrt man weder den Schwarzmarkt aus, noch tut man etwas gegen die Stigmatisierung der Konsumenten. Wenn Lauterbach sagt:
Wir schaffen kein Problem, sondern wir versuchen, ein ungelöstes Problem zu lösen,
dann mag er das zwar redlich versuchen, seine Säulen sind aber ganz sicher keine Lösung für irgendein Problem.
Und wenn Bundesjustizminister Marco Buschmann sagt:
Der bisherige restriktive Umgang in Deutschland mit Cannabis ist gescheitert. Das Verbot von Cannabis kriminalisiert unzählige Menschen, drängt sie in kriminelle Strukturen und bindet immense Ressourcen bei den Strafverfolgungsbehörden. Es ist Zeit für einen neuen Ansatz, der mehr Eigenverantwortung zulässt, den Schwarzmarkt zurückdrängt und Polizei und Staatsanwaltschaften entlastet. Wir trauen den Menschen mehr zu- ohne dabei die Gefahren, die vom Cannabiskonsum ausgehen können zu verharmlosen.“
dann hat er zwar mit dem Hinweis auf das Scheitern der bisherigen Drogenpolitik vollkommen recht, dass aber die beiden Säulen daran etwas ändern sollten, wird er wohl selbst nicht glauben. Blöd ist der ja nicht. Ja, es ist Zeit für einen ganz neuen Ansatz, denn der jetzige ist es eigentlich nicht wert, überhaupt darüber zu reden, weil er keines der propagierten Ziele erreichen kann.
Ich fürchte, dass es in dieser Legislaturperiode keine vernünftige Reform mehr geben wird. Die aktuelle Regierung macht’s wie Kiffer: sie verschieben’s entspannt auf morgen oder übermorgen. Und dass die nächste Regierung das Thema überhaupt noch mal anpackt, wage ich zu bezweifeln. Sauft’s also weiter.