Es wird wieder geschehen
Im neuseeländischen Christchurch erschießt ein Massenmörder mindestens 49 Menschen und verletzt weitere. Ein Verbrechen, das sich jederzeit wiederholen kann.
Foto: pixabay
Nein, wir sollten diesem Mörder nicht den Gefallen tun, ausführlich über die in einem Manifest niedergelegten Beweggründe zu diskutieren. Wir sollten ihm auch nicht den Gefallen tun, diesen Dreck zu verbreiten oder gar das ekelhafte Livevideo von diesem Massaker zu teilen. Dieser Täter verdient es nicht.
Die erschütternde Erkenntnis dieses Ereignisses ist allerdings, dass die Propaganda von der „Umvolkung“, die auch in Deutschland seit einigen Jahren verbreitet wird, auf furchtbar fruchtbaren Boden gefallen ist. Und es ist zu befürchten, dass dieser Täter, ganz ähnlich wie Breivik, auf den er sich bezieht, zu einer Ikone bestimmter Menschen werden und es Nachahmungstäter geben wird.
Es ist nicht der erste Ethnopluralist, der tötet und es wird nicht der letzte bleiben. Die Idee des Ethnopluralismus geistert seit geraumer Zeit durch die Welt. In Europa sind es insbesondere die Identitären, die diese Ideologie vertreten. Und obwohl der Begriff ja durchaus positiv nach Pluralismus klingt, ist es letztlich nichts anderes als purer Rassismus. Die „Überlegenheit der weißen Rasse“ wollte der Mörder demonstrieren, sagt er. Tatsächlich demonstrierte er die monströse Fratze eines Wahns, den auch die Nationalisten aller Länder teilen.
Gebildete Hetzer
Es sind dabei die gebildeten Hetzer, die mit wohl formulierten Worten und freundlichem Lächeln im Gesicht, dieses Gift verbreiten, auf das sich dann solche Mörder berufen. Neuerdings werden die auch schon zu Geburtstagsfeiern bei Intelektuellen eingeladen. Ich nehme den Tätern sogar ab, dass sie glauben, mit ihren grässlichen Verbrechen etwas zu tun, was sie tun müssen. Solch irre geleitete Menschen sind auch nicht zwingend geisteskrank, wie gerne behauptet wird. Sie sind vielmehr meistens Überzeugungstäter, die meinen, einer größeren Sache zu dienen. Bei dem Einen ist diese größere Sache eine Religion und bei dem Anderen der Glaube an irgendeine Ideologie, die es rechtfertigen soll, andere Menschen zu töten. Dabei sind diese „Kämpfer“, denn für solche halten sie sich, in der Regel ziemlich feige Vögel, die gar keinen Kampf suchen, sondern ihre Taten vorwiegend an harm-, wehr- und arglosen Menschen verüben, die entweder fröhlich in einer Diskothek tanzen, ein Konzert, einen Weihnachtsmarkt besuchen oder wie nun in Neuseeland, friedlich in einer Moschee beten. Vermutlich geht es diesen „Helden“ ähnlich wie den SS-Schergen, die sich einbildeten, trotz ihrer Menschenvernichtung immer „anständig“ geblieben zu sein.
Was diese Mörder erreichen wollen, ist im Prinzip nichts anderes als das, was ein quengelndes Kind oder ein Autor erreichen will. Aufmerksamkeit. Für ein paar Tage weltbekannt. Das lässt sich leider nicht vermeiden, denn das man über eine solche Tat nicht weltweit berichten würde, ist nicht vorstellbar. Die Frage ist allerdings, ob man das ausufernd mit Sondersendungen etc. tun muss. Man muss auch nicht den Namen nennen. Welche Bedeutung soll der für die Tat haben?
Nach jedem dieser Anschläge schlagen die Wellen hoch. Die Frage, wie man derartiges künftig verhindern kann, kommt zwangsläufig auf. Da wird reflexartig nach neuen Überwachungsmöglichkeiten, härteren, schärferen Gesetzen gerufen. Kennen wir schon. Letztlich eine sinnfreie Diskussion, denn ganz gleich, was man sich da ausdenken mag, einen entschlossenen Täter kann letztlich niemand aufhalten.
„Merkel muss weg“
Was man allerdings tun könnte, wäre sichtbar zu machen, dass zwar der Mörder die letzte Verantwortung für seine Tat hat, diese aber nicht ohne Grund geschieht. Da mögen individuelle Gründe eine Rolle spielen, was man bei den meisten Attentätern nicht genau erforschen kann, weil diese meistens darauf achten, am Ende der Tat selbst zu sterben, wie echte Märtyrer das halt machen. Es spielen aber eben auch die gesellschaftlichen Diskussionen eine Rolle. Schon irre, dass der beliebte Pegida-Ruf, Merkel muss weg, offenbar so erfolgreich um die Welt gegangen ist, dass selbst ein Australier, der auch Europa bereist hat, meint, die Bundeskanzlerin müsse getötet werden. Natürlich werden die mit Galgen demonstrierenden „Volker“ behaupten, das sei doch nur metaphorisch gemeint, aber selbst wenn das so sein sollte, mag nun dem ein oder anderen der Gedanke kommen, dass auch verbaler Hass am Ende in ganz realen Mord münden kann.
Die Helden der – meist nur eigenen – Meinungsfreiheit meinen, ihre Hassreden seien durch das Grundrecht der Meinungsfreiheit gedeckt. Damit haben sie sogar weitgehend recht, sofern sie sich nicht eindeutig volksverhetzend äußern. Das Grundgesetz lässt dem Beklopptenund Bösartigen seine Meinung. Das ändert aber nichts daran, dass auch Äußerungen unterhalb der Strafbarkeitsschwelle durchaus dazu geeignet sind, den Nährboden für extremistische Straftaten zu bilden. Nun wäre es allerdings fatal, daraus den Schluss zu ziehen, man müsse die Meinungsfreiheit weiter einschränken. Damit macht man die geschickten Hetzer allenfalls zu Opfern. Das bedeutet nun aber auch nicht, dass man auf solche Reden und Kommentare in den sozialen Netzwerken gar nicht reagieren brauche. Ganz im Gegenteil. Es ist wichtig, sich bewusst zu machen, was zu extremistischen Taten führt. Das fängt immer mit Worten an und endet mit Taten. Es ist und bleibt wichtig, den Hetzern zu widersprechen. Es ist wichtig, aufzuzeigen, wo sie mit Lügen operieren, um die öffentliche Debatte in ihre Richtung zu bewegen und schlichtere Gemüter als Anhänger zu gewinnen. Lassen Sie sich nicht durch Grinsen oder einen feinen Anzug täuschen.
Zwillinge
Obwohl es so aussieht, als handele es sich bei den Massenmördern aus der nationalistischen und der salafistischen Szene um Antipoden, sind beide sich doch so ähnlich wie eineiige Zwillinge. Das Prinzip ist stets das gleiche. Man verkündet die eine wahre Wahrheit und verteufelt alle, die dieser Wahrheit nicht folgen wollen. Man ordnet die Gesellschaft in Gesinnungsgenossen und Feinde und unterstellt den Feinden, die Macht ergreifen und die eigene Gruppe vernichten zu wollen. Tatsächlich will man das für sich selbst. Am Ende dieses Gedankenganges steht der logisch klingende Schluss, es wäre doch am besten, wenn die Feinde alle vernichtet würden. Kommen solche Extremisten dann tatsächlich an die Macht in einem Staat, tun sie genau das. Das mag dem einen als Vogelschiss in der Geschichte erscheinen, allen anderen war es das schrecklichste Verbrechen der Menschheitsgeschichte. Bis zur Machtergreifung werden es stets Einzelne sein, die zu Massenmördern werden. Später machen dann auch brave Bürger mit gutem Gewissen mit. Aber vielleicht begreift der ein oder andere Mitläufer und „Protestwähler“ ja nun doch, wohin eine Ideologie führt, die meint, bestimmte Menschen seien mehr wert als andere und manche seien gar nichts wert. Vielleicht reift da die Einsicht, dass Hass auf Andersdenkende, Andersglaubende oder einfach nur Andersaussehende am Ende nur Verlierer sehen wird.
Es ist zu befürchten, dass nun auch islamistische Täter den Massenmord von Christchurch zum Anlass nehmen, wieder zuzuschlagen und dann wieder ein anderer Identitärer zu Waffe greift und Muslime tötet oder irgendein Staat ein paar Bomben wirft. Und so geht das dann immer hin und her.
Es bringt jetzt auch nicht weiter, den Täter mit vollmundigen Hasstiraden zu beschimpfen. Der wird seinen Prozess und seine Strafe bekommen. Mehr Hirnschmalz sollte der uns nicht kosten.
Wir können vielleicht ein wenig damit ausrichten, dass wir in Bildung und Herzensbildung investieren, aber auch das wird künftige Massenmorde nicht verhindern. Vielleicht sollten wir uns ja angewöhnen, diese wie Naturkatastrophen zu betrachten und nicht immer noch den Täter medial aufzuwerten. Bei Naturkatastrophen betrauern wir auch die Opfer und deren Angehörige ohne gegenüber dem Sturm oder dem Tsunami Rachegelüste zu hegen. Vielleicht sollte wir ein wenig mehr als bisher hinhören, wenn Menschen verbal verachtet werden. Vielleicht können wir da etwas deutlicher widersprechen. Das alles mag ein ganz klein wenig dazu beitragen, dass es vielleicht einen künftigen Täter weniger geben könnte. Erst wenn der Hass aus der Welt verschwindet, werden auch solche Taten verschwinden. Aber der Hass hat viele Quellen und wird wohl niemals verschwinden. Das Böse ist fester Bestandteil des Menschen. Insofern können wir leider sicher sein: Es wird wieder geschehen.
Schreibe einen Kommentar