Der Fährmann und die Dame

Zum 70 Geburtstag Chris de Burghs ehrt Ulf Kubanke den Musiker mit einer Hörmal-Kolumne.


„Bring my gun
and a handful of silver“
(Chris de Burgh)

„Lady in red is dancing with me.“ Diesen Zeile kennen Alt und Jung auf allen Kontinenten. Bis in den letzten Winkel des Planeten spülen die Radios dieser Welt Chris de Burghs Signatursong seit gut 30 Jahren. Nun feiert der Musiker seinen 70. Geburtstag.

Ist so ein Überhit Fluch oder Segen? Sicherlich ein bisschen von beidem. Ein Segen, weil solch eine ewige Visitenkarte nicht vielen Musikern vergönnt ist. Burgh meißelte sich damit in die Musikgeschichte. Simultan erweist sich das Lied als Nemesis. Seitdem misst man jedes seiner Stücke, besonders die Balladen, an diesem Meilenstein. Auch medial reduziert man den in Argentinien geborenen Christopher John Davison zu oft auf den Spottnamen „der irische Weichspüler“.

Geschichtenerzähler vom alten Schlag

Das ist in zweifacher Hinsicht unverdient. Zum einen wurzelt de Burgh gleichermaßen in britischen wie irischen Ahnenreihen. Die Familiengeschichte ist hochinteressant und wartet mit bedeutenden Persönlichkeiten auf. Zum anderen ist er trotz manch entbehrlicher Spätwerke einer der prägnantesten Songwriter seiner Ära. Von knackigen Melodic Rock-Hymnen bis zu schmachtende Balladen reicht die Bandbreite.

Seine Zeilen weisen ihn als Geschichtenerzähler vom alten Schlag aus. Historische Themen oder Mythen greift er oft auf. Auch das eigene Leben findet mitunter eine Nische. Besonders pikant: Während „Lady In Red“ die Preisung seiner Frau ist, behandelt „Blond Hair, Blue Jeans“ indirekt seinen Seitensprung mit dem Kindermädchen.

Nach über 20 Studioalben und 70 Singles stellt sich die Frage, welche Platten man unbedingt benötigt. Höchst empfehlenswert sind frühe LPs aus den 70ern. Obgleich de Burgh hier eine Perle an die andere reihte, wurden selbige zunächst sträflich übersehen, verfehlten die Charts und erlangten erst im Zuge des späteren Erfolgs rückwirkenden Klassikerstatus. Das 1975er Album „Spanish Train And Other Stories“ bietet mit dem Titelsong das Protokoll eines dramatischen Schachspiels zwischen Gott und Lucifer, bei dem es um das Schicksal der Menschheit geht. De Burghs Perspektive pendelt zwischen nüchternem Erzähler und bangender Seele. Nicht minder anrührend gerät „A Spaceman Came Travelling“. Es erzählt die Geschichte eines verloren wirkenden Außerirdischen, der als Beobachter der Menschheit an deren Verrohung und Herzkälte verzweifelt. Die Ironie: Obwohl in seiner Zeit ein veritabler Flop und eher inspiriert von Erich von Däniken als von christlichen Gedanken, genießt der Song in Großbritannien und Irland mittlerweile Kultstatus als Weihnachtslied.
Mit einiger Berechtigung halten viele den „Crusader“ vom gleichnamigen 1979er Album für seinen künstlerischen Höhepunkt. Textlich behandelt es die Kreuzzüge aus beiderlei Sicht und spielt dabei geschickt mit der Umkehr großer Herrscher zu Narren und Narren zu weisen Männern. Musikalisch erscheint das Lied als mehrteilige Suite, die auch Freunde des Progrock begeistert. Auf knapp 10 Minuten liefert er das zugespitzte, perfekte Epos.

Goldene Jahre

Goldene Jahre markieren zwischen 1982 und 1988 höchst erfolgreiche Alben, die weltweit in die Top Ten gehen. In Deutschland gehört de Burgh in dieser Phase zu den erfolgreichsten Solokünstzlern aller Zeiten. Der Club jener, die binnen weniger Jahre vier Nr 1-Album und eine „2“ aus der Hüfte schießen, dürfte recht einsam sein. Es hagelt Singlehits; darunter „Don’t Pay The Ferryman“, „Revolution/Light A Fire“ und „High On Emotion“ als drei der besten AOR-Numern überhaupt. In dieser Zeit bekam er jeden Wunschgast ins Studio, darunter Tina Turner.

Als qualitativ geschlossenste LP überzeugt 1986 „Into The Light“. Neben „Lady In Red“ gibt es dort etliche melodische Ohrwürmer, die zeigen, wie packend Stadionrock sein kann. Man höre nur, welch virtuose und inspirierte Klavierfigur „One Word“ im Verlauf des ersten Refrains auftischt. Diese Fähigkeit, komplexe Details stimmig ins eingängige Gesamtbild ein zu bauen, ist eine de Burgh auszeichnende Fähigkit. Es gibt dort perfekt arrangierte Spannungsbögen wie „Last Night“ (mit toller spanischer Gitarre), „Fire on The Water“ oder „Say Goodbye To It All“. Als daramurgischer Höhepunkt in Tradition des „Crusader“ fungiert „The Leader/The Vison/What About Me“. Besonders Einsteigern sei dieses Kernalbum wärmstens empfohlen.

 

 

Ulf Kubanke

Ehemaliger Anwalt; nun Publizist, Gesprächspartner und Biograph; u.a. für Deutschlands größtes Online-Musikmagazin laut.de.

More Posts

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert