Integrationspolitik & Islamkritik! Den Rechtsstaat nicht zu Tode retten
Enttäuschte Willkommenseuphorie trifft auf die lange verdrängte Tatsache, dass nicht alle Flüchtlinge gute Menschen sind. Nach Köln dringt die Forderung „Grenzen zu“ weit ins linksliberale Spektrum vor. „Asylkritiker“ wittern ebenfalls Morgenluft. Nur über das hausgemachte Islamismusproblem will keiner reden.
Vorgestern verglich hier Kolumnist Jörg Friedrich die politische Signifikanz der Übergriffe von Köln mit jener der Reaktorkatastrophe von Fukushima. Was die Reaktionen betrifft könnte er Recht haben. Köln kann jene Wende in der Flüchtlingspolitik bedeuten, die Matthias Matussek bereits vergeblich nach den Anschlägen in der Pariser Innenstadt digital herbeigelächelt hat. Plötzlich ist der Schritt von der Ablehnung sogenannter Transitzonen hin zu immerhin dann ganz uneuphemistisch so bezeichneten Internierungslagern ein kleiner. Der Fukushimavergleich ist dabei sogar gut gewählt: Denn auch damals stand die Reaktion in keinem Verhältnis zum Ausmaß des tatsächlichen Unfalls.
Sau durch Erschießen vorm Ertrinken gerettet
Bisher existieren höchst widersprüchliche Aussagen darüber, ob es sich bei den Kölner Delinquenten vor allem, kaum oder teils um Flüchtlinge dieses Sommers und Herbstes gehandelt hat. Aber wenn nicht? Mindestens ebenso schlimm: Die These vertrat Anfang der Woche Alexander Wallasch:
„Aber noch bedenklicher: Es wäre furchtbarer, wenn es so ist, wie Henriette Reker erklärt. Das würde nämlich heißen, dass sich dort Menschen zum Frauen belästigen, vergewaltigen und beklauen zusammentelefoniert haben, die hier schon mitunter jahrelang zu Hause sind “
So oder so. Eine partielle Aufhebung der Rechtsstaatlichkeit scheint nun mindestens geboten, wenn nicht gar überfällig. Das flüstert zumindest allenthalben der Blätterwald. Zur „Sicherung unserer friedlichen Gesellschaft, die wir in Jahrzehnten aufgebaut haben“ (Friedrich), mithin des Rechtsstaates also. „Sau durch Erschießen vorm Ertrinken gerettet“ – das ist bis heute meine Lieblingsmeldung im Hohlspiegel. Derzeitiger Rechtsstaatsrettungsversuche gehen in diese Richtung.
Willkommenskultur und Rassismus
Ehe nun die „Gutmensch, Gutmensch“ Chöre anheben: Ja. Es gibt Probleme. Gravierende Probleme sogar, nicht erst seit gestern oder vorgestern. Schauen wir uns mal drei hausgemachte an, aus dramaturgischen Gründen geordnet von „politisch rechts“ über die sogenannte „Mitte“ bis nach „politisch links“:
1 – Das Rassismusproblem. Menschen reagieren abweisend auf Fremde, brüllen „Ausländer raus“ oder die jeweils saisional beliebteste freundliche Umschreibung, rotten sich zusammen und protestieren, was das Zeug hält – noch immer dort besonders lautstark, wo man weitestgehend unter sich ist und von der angstbesetzten „Überfremdung“ wenig zu spüren bekommt. Das Problem mit den freundlichen Asylkritikern, die sich etwa am 5. Januar verabredet hatten, um Jagd auf arabisch aussehende Kölner zu machen, wird man nicht lösen, indem man ihnen entgegenkommt. Vorfälle wie Köln sind für sie Anlass, nicht Ursache.
Es bleibt dabei: Wer dem Nazi den kleinen Finger gibt, hat trotzdem irgendwann die ganze Luger am Kopp. Die „Flüchtlingskrise“ ist nur die getriebene Sau der Stunde, mittels derer Alte und Neue Rechte nach der Macht greifen. Die nach Köln weiter aufflammende Hysterie bürgerlicher Kreise hilft Ihnen.
2 – Das Bericherstattungsproblem. Mittlerweile häufen sich Hinweise darauf, dass sowohl Polizei als auch Presse Informationen nicht einfach in Absehen von der Herkunft der Verdächtigen herausgaben, sondern bewusst falsch informierten oder Spuren in falsche Richtungen streuten. Ich möchte mich dazu, solange die Lage weiter unübersichtlich bleibt, nicht breit auslassen, aber: Eine bewusst verschleiernde Informationspolitik ist nicht nur unredlich, sondern welche Ziele auch immer damit verfolgt werden – grundsätzlich Bullshit!
3 – Das Willkommenskulturproblem. Die Flüchtlingskrise wurde wie das Oder-Hochwasser 2002 als großes Happening inszeniert, in dem die unterschiedlichsten Zeremonienmeister der Willkommenskultur im Flüchtling eine willkommene Tabula Rasa ihrer eigenen Projektionen entdeckten. Ein paar alte Linke erkannten den zigtausendsten Wiedergänger des verzweifelt gesuchten revolutionären Subjektes, Liberale und Konservative die endliche Verfleischlichung ihres menschlichen Zerrbildes des Unternehmer-Subjekts, jenen ehrgeizigen, strebsamen Einzelkämpfer der jede Chance nutzen wird, um nach oben zu kommen, und viele sahen vor allem Geknechtete, Verlorene, die in die Arme genommen werden müssen – dass unter 1 Million Flüchtlingen nicht nur edle gute Menschen sein würden, eigentlich eine banale Erkenntnis, die mit einkalkulieren muss, wer sich ernsthaft für Flüchtlinge engagiert, wurde dafür verdrängt. Nun schlägt die Realität zu, und wer zuvor aus Idealismus oder Opportunismus „willkommen!“ rief, wendet sich enttäuscht ab.
4 – Das Islamismusproblem.
Zuletzt gibt es in europäischen Gesellschaften ein ebenfalls hausgemachtes Problem mit den verschiedenen Spielarten des politischen Islam. Hier kamen zuerst ein religiöser Konservativismus und ein aufs wirtschaftliche beschränkter (Neo)Liberalismus Thatcherscher Machart zusammen, wie es sich im Umfeld der Rushdie-Affaire beobachten ließ. Schon bald stieß vor allem ein linker, anti-individualistischer Multikulturalismus in die Lücke, die die Konservativen nicht länger ausfüllen konnten. Die Ergebnisse einer Melange aus falscher Toleranz gegenüber als „Kultur“ verbrämter Repression und staatlicher Spar- bzw. Rückzugspolitik, die man als „Kommunitarismus“ schön redete, kann in ihrer radikalsten Fassung in den Pariser Banlieus (vgl. u.a.) oder im Brüssler Viertel Molenbeek begutachtet werden. In solchen „Soziotopen“ setzten sich, und nicht selten von der Mehrheitsgesellschaft gefördert oder zumindest toleriert – ist ja einfach, ist ja billig – gern radikale Kräfte fest. In Deutschland war neben den bekannten lokalen Hegemonien von Ditib nahestehenden Moscheenverbänden (man lese für den Fall Österreich auch Heiko Heinischs Stück zu den Muslimbrüdern) einst vor allem die partielle Zusammenarbeit der CDU mit den Grauen Wölfen bemerkenswert, die sich seit den 80ern immer stärker von einer radikal kemalistisch-nationalistischen zu einer islamisch-nationalistischen Gruppierung gewandelt haben. Und dennoch (oder deshalb) sitzen Wölfe mittlerweile für ganz unterschiedliche Parteien in deutschen Stadträten und bekleiden die Spitze so manchen Migrationsbeirates.
Bedenkenswertes aus den Milieus, die so entstehenden, berichteten zuletzt die EMMA und das linke Blog Schwerer Sand. Auch Güner Yasemin Balcıs bei Erscheinen hochumstrittene Dokumentation „Kampf im Klassenzimmer“ verschafft Einblicke in ein Milieu, das aufgrund politischer (Fehl) Entscheidungen aus der dritten Generation (!) von Kindern einst relativ säkular eingestellter und gut in die Gesellschaft integrierter Deutscher mit Migrationshintergrund entstehen konnte.
Politisch handeln, nicht post-politisch!
Alles schön und gut, sagen Sie? Aber stellt sich die Frage dann nicht trotzdem zurecht:
„Wird sich dieses Millionenheer junger Männer die jetzt ankommen in spätestens zwei Jahren ebenfalls in diese menschen- und frauenverachtenden Subjekte verwandeln?“
Nein. Beziehungsweise: Es liegt in unserer Hand. In der nun so verbreiteten Forderung, entweder sich einzuigeln und den Kopf in den Sand zu stecken oder gleich den Rechtsstaat für einen Teil der Bevölkerung auszusetzen, kommt ein tiefer Fatalismus, eine Abkehr vom Glauben an die politische Veränderbarkeit der Welt zum Ausdruck, ohne den eine demokratische Gesellschaft doch nicht funktioniert. Stolze „ewig Gestrige“ und eherne Konservative können sich das leisten, Linke, Liberale, anderweitig im Selbstverständnis fortschrittlich Gesinnte nicht. Lieber über geschlossene Grenzen und Lager nachzudenken als über eine Lösung der hausgemachten Probleme, ist nicht nur faul, es führt auch zu nichts: Man zeichnet letztlich nur eine direkte Linie in ein Europa, in dem immer mehr, nach innen immer homogenere, Communities dem politischen Islam ausgeliefert werden, was Polizei und „autochthone“ Bevölkerung sporadisch interessieren wird, wann immer auch einmal blonde blauäugige Deutsche, und besonders Frauen darunter zu leiden haben. Lager an den Außengrenzen – Spaltung und Fortschreiben der derzeitigen Lage im Inneren – wenn nicht am Ende doch gar eine Machtübernahme der Höckes und Konsorten ansteht.
GAUland Europa?
Gegen das GAUland, das dann nicht nur Deutschland zu werden droht, war Fukushima der kleinste anzunehmende Unfall. Klar: Für eine vernünftige Integrationspolitik müsste man einiges Geld in die Hand nehmen und den Fetisch der schwarzen Null endlich aufgeben (Wallasch selbst nennt ja „immer unbarmherzigeres soziales Netz“ und „eine massiv ansteigende Leistungsabfrage“ als Stellschrauben, an denen man durchaus drehen könnte). Ich füge sogar gern noch hinzu – investiert in ein paar experimentelle Fusionsreaktoren. Aber die günstige Alternative der Abschottungspolitik könnte am Ende verdammt teuer werden.
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