Linnemanns Listen

Der CDU-Generalsekretär fordert Listen für psychisch kranke Gewalttäter. Was soll das? Eine Kolumne von Heinrich Schmitz.


Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Linnemann hat recht. Eine solche Liste gibt es nicht. Ansonsten hat er aber alles andere als recht. Eine solche Liste ist nämlich nicht nur völlig überflüssig, sondern sie wäre sogar schädlich.

Scheinkompetenz

Es ist ja nun wahrlich nichts Neues, dass nach jedem Anschlag Politiker aller Couleur meinen, sie müssten das Wahlvolk mit markigen Sprüchen oder tollen Ideen beglücken. Damit soll Kompetenz suggeriert und der Eindruck erweckt werden, man könne solche Anschläge vorhersehen und dann auch noch vermeiden.

Wie die Vergangenheit gezeigt hat, ist das aber nicht möglich. Auch nicht mit irgendwelchen komischen Listen, Registern oder was auch immer den Schwätzern dazu so einfällt. Wenn ein potenzieller Täter fest entschlossen ist, einen Anschlag zu begehen, dann hilft das alles nichts. Man muss ja weder eine Bombe bauen, noch eine Schusswaffe besitzen. Ein ganz normales Auto reicht als Tatwerkzeug, wie mehrfach bewiesen wurde.

Nun, tun wir einmal so, als hätte es Linnemanns lustige  Psycholiste bereits vor dem Anschlag gegeben. Was hätte das geändert? Der Mörder von Magdeburg war als Psychiater in der forensischen Psychiatrie, kurz Forensik, tätig. Die forensische Psychiatrie ist ein Teilgebiet der Psychiatrie, das sich mit der Begutachtung, der Unterbringung und der Behandlung von psychisch kranken Straftätern befasst.

Und obwohl er dort schon einige Zeit tätig war und auch Patientenüber seine wunderlichen Therapieempfehlungen (Alkohol sei gut für Muslime) staunten, wurde er von den KollegInnen in der Einrichtung offenbar nicht als psychisch krank erkannt. Und das sollten doch gerade diejenigen Spezialisten sein, die noch am ehesten beurteilen können, ob jemand psychisch auffällig oder gar gefährlich ist. Er hätte also gar nicht auf Linnenamns Liste stehen können.

Als aktiver Gewalttäter war er bisher auch nicht aufgefallen; also auch die Liste der Gewalttäter hätte seinen Namen nicht enthalten. Allerdings hatte er mehrfach mit Gewalttaten gedroht. Das tun aber viele Menschen und die wenigsten machen ihre Drohungen auch wahr.

Stigmatisierung

Was also hätte Linnemanns Liste für einen Effekt? Wer psychisch Kranke in einem Register sammeln will, verhindert keine Straftaten, er verhindert allenfalls, dass Menschen mit psychischen Erkrankungen sich Hilfe suchen. Wer will schon freiwillig auf solch eine Liste? Das aber könnte den fatalen Effekt haben, dass jemand ein Straftäter wird, weil er ein Outing vermieden hat, um nicht auf die Liste zu kommen. Ein Generalverdacht gegen psychisch Kranke istt genauso bescheuert wie ein solcher gegen alle Psychiater oder alle Männer.

Listen mit psychisch auffälligen Personen gibt es im übrigen schon. Das sind die Wartelisten bei den PsychologInnen und PsychiaterInnen. Die sind elend lang. Akute Hilfe ist fast nur möglich, wenn man irgendeine  selbst- oder fremdverletzende Scheiße baut und dann nach dem PsychKG geschlossen untergebracht wird. Die Unterbringung dauert allerdings auch nur so lange, wie einen ein Psychiater – also bspw. der Täter von Magdeburg – noch als gefährlich einstuft.

Psychisch Kranke begehen im Übrigen nicht mehr oder schlimmere Straftaten als vermeintlich Gesunde. Linnemanns Liste ist demnach komplett für den Arsch, zumal jeder dritte Europäer im Laufe eines Jahres an einer psychischen Erkrankung leidet.

Wenn Herr Linnemann, dessen Expertise sich eher auf wirtschaftspolitische Themen beschränkt, also etwas gegen Kriminalität tun möchte, dann mag er sich dafür einsetzen, dass psychisch Kranke schnellere Hilfe bei der Suche nach einem Therapieplatz bekommen, und dass sie nicht als „gefährliche Irre“ stigmatisiert werden. Ach, kostet Geld? Ach was. Ja, Listen sind billiger, belasten den Haushalt nicht. Kann ich verstehen.

Heinrich Schmitz

Heinrich Schmitz ist Rechtsanwalt, Strafverteidiger und Blogger. In seiner Kolumne "Recht klar" erklärt er rechtlich interessante Sachverhalte allgemeinverständlich und unterhaltsam. Außerdem kommentiert er Bücher, TV-Sendungen und alles was ihn interessiert- und das ist so einiges. Nach einer mit seinen Freital/Heidenau-Kolumnen zusammenhängenden Swatting-Attacke gegen ihn und seine Familie hat er im August 2015 eine Kapitulationserklärung abgegeben, die auf bundesweites Medienecho stieß. Seit dem schreibt er keine explizit politische Kolumnen gegen Rechtsextreme mehr. Sein Hauptthema ist das Grundgesetz, die Menschenrechte und deren Gefährdung aus verschiedenen Richtungen.

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