Nicht ohne Verteidiger!

Warum es sinnvoll ist, sich bereits im Ermittlungsverfahren von einem/r Strafverteidiger/in verteidigen zu lassen. Eine Kolumne von Heinrich Schmitz.


Bild von Klaus Hausmann auf Pixabay

Die Bedeutung der Verteidigung durch einen Strafverteidiger im Ermittlungsverfahren wird von manchen Menschen unterschätzt. Ih habe in meinem Berufsleben oft genug erlebt, dass Mandanten erst bei mir aufschlugen, wenn sie schon eine Anklageschrift und die Ladung zur Hauptverhandlung in der Hand hatten- Das ist Mist, weil man so keinen Einfluss auf das Ermittlungsverfahren mehr nehmen kann.

Das Ermittlungsverfahren ist aber eine ganz entscheidende Phase im Strafprozess, in der die Weichen für den weiteren Verlauf des Verfahrens gestellt werden. In dieser Phase sammelt die Staatsanwaltschaft Beweise, um zu entscheiden, ob ein hinreichender Tatverdacht besteht und Anklage erhoben wird.

Nun gibt es ja immer noch Zeitgenossen, die die große Erzählung von der Staatsanwaltschaft als objektivster Behörde der Welt glauben. Ja, da braucht man doch keinen Verteidiger, wenn man unschuldig ist, oder? Doch, braucht man. Denn zum einen ist jeder Staatsanwalt froh, wenn er anklagen kann, und zum anderen gibt es keine echte Objektivität.

Für den Beschuldigten kann daher diese Phase existenzielle Auswirkungen haben, da bereits hier wesentliche Weichen gestellt werden. Vor diesem Hintergrund ist es von herausragender Bedeutung, dass sich der Beschuldigte frühzeitig durch einen Strafverteidiger vertreten lässt. Im Folgenden sollen die wesentlichen Gründe für die Notwendigkeit einer Verteidigung im Ermittlungsverfahren dargelegt werden.

Schutz der Rechte des Beschuldigten

Einer der wichtigsten Gründe, sich im Ermittlungsverfahren durch einen Strafverteidiger vertreten zu lassen, ist der Schutz der eigenen Rechte. Das deutsche Strafrecht bietet dem Beschuldigten umfangreiche Rechte, wie das Recht auf Aussageverweigerung oder das Recht auf Akteneinsicht. Ohne juristischen Beistand ist es jedoch oft schwierig, diese Rechte effektiv wahrzunehmen. Ein Strafverteidiger sorgt dafür, dass der Beschuldigte über seine Rechte aufgeklärt wird und diese auch tatsächlich durchsetzen kann. Insbesondere das Recht auf Aussageverweigerung ist von enormer Bedeutung, da unbedachte Äußerungen im Rahmen einer Vernehmung später gegen den Beschuldigten verwendet werden können. Der Verteidiger kann den Beschuldigten dahingehend beraten, ob und in welchem Umfang eine Aussage sinnvoll ist. Besonders Unschuldige, die meinen,  sie hätten „ja nichts zu verbergen“, gucken manchmal ganz schön blöd aus der Wäsche, wenn sie im Nachhinein sehen, was die Ermittlungsbehörden aus ihrem Eigenlaber gemacht haben. Wer nichts sagt, sagt auch nichts Dummes. Leider haben Menschen die Neigung zu reden.

Einfluss auf den Verlauf des Ermittlungsverfahrens

Ein Strafverteidiger kann erheblichen Einfluss auf den Verlauf des Ermittlungsverfahrens nehmen. Durch frühzeitige Intervention kann er beispielsweise dazu beitragen, dass bestimmte Beweismittel zugunsten des Beschuldigten in das Verfahren eingebracht oder entlastende Zeugen gehört werden. I

Nicht selten ist es sogar möglich, das Verfahren bereits im Ermittlungsstadium zu einem positiven Abschluss zu bringen, etwa durch eine Einstellung des Verfahrens mangels hinreichenden Tatverdachts oder durch Verhandlungen über eine mögliche Diversionsmaßnahme. Ohne die Unterstützung eines Verteidigers besteht die Gefahr, dass der Beschuldigte passiv bleibt und somit Chancen zur positiven Beeinflussung des Verfahrensverlaufs ungenutzt bleiben.

Vermeidung von Verfahrensfehlern

Das Strafverfahren ist durch komplexe Regelungen und formale Anforderungen geprägt, die kein Laie wirklich durchschaut. Verfahrensfehler können schwerwiegende Konsequenzen haben, die bis hin zu einer unrechtmäßigen Verurteilung reichen. Ein Strafverteidiger stellt im Idealfall sicher, dass das Verfahren korrekt und fair abläuft. Er achtet darauf, dass keine unzulässigen Beweismittel verwendet werden, dass die Rechte des Beschuldigten gewahrt bleiben, und dass die Ermittlungsbehörden ihre Befugnisse nicht überschreiten. Durch die Überwachung des Verfahrens kann der Verteidiger mögliche Fehler aufdecken und diese gegebenenfalls gerichtlich geltend machen. Auch dies kann entscheidend für den Ausgang des Verfahrens sein.

Psychologische Unterstützung und Entlastung

Das Ermittlungsverfahren ist für den Beschuldigten häufig mit erheblichen psychischen Belastungen verbunden. Die Ungewissheit über den Ausgang des Verfahrens, die Angst vor einer möglichen Verurteilung und die Belastung durch Vernehmungen und Untersuchungen können zu erheblichem Stress führen. Ein Strafverteidiger kann in dieser Situation eine wichtige Unterstützung sein, indem er dem Beschuldigten Sicherheit und Orientierung bietet. Durch die Übernahme der Kommunikation mit den Ermittlungsbehörden und die Vertretung in Vernehmungen entlastet der Verteidiger den Beschuldigten und hilft ihm, die Situation besser zu bewältigen.

Vorbereitung auf das Hauptverfahren

Sollte es nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens zu einer Anklage und damit zu einem Hauptverfahren kommen, ist es von Vorteil, wenn der Beschuldigte bereits im Ermittlungsverfahren durch einen Strafverteidiger vertreten war. Der Verteidiger ist dann mit dem Fall und den Beweismitteln vertraut und kann die Verteidigungsstrategie im Hauptverfahren entsprechend planen und umsetzen. Die Zusammenarbeit zwischen dem Beschuldigten und dem Verteidiger im Ermittlungsverfahren bildet somit die Grundlage für eine effektive Verteidigung im weiteren Verlauf des Strafverfahrens.

Fazit

Die Verteidigung durch einen Strafverteidiger im Ermittlungsverfahren ist aus verschiedenen Gründen dringend zu empfehlen. Sie gewährleistet den Schutz der Rechte des Beschuldigten, ermöglicht eine aktive Einflussnahme auf den Verlauf des Verfahrens, hilft Verfahrensfehler zu vermeiden, bietet psychologische Unterstützung und dient der optimalen Vorbereitung auf ein mögliches Hauptverfahren. Angesichts der potentiellen Konsequenzen eines Strafverfahrens ist es daher ratsam, bereits im frühen Stadium eines Ermittlungsverfahrens professionellen juristischen Beistand in Anspruch zu nehmen.

Heinrich Schmitz

Heinrich Schmitz ist Rechtsanwalt, Strafverteidiger und Blogger. In seiner Kolumne "Recht klar" erklärt er rechtlich interessante Sachverhalte allgemeinverständlich und unterhaltsam. Außerdem kommentiert er Bücher, TV-Sendungen und alles was ihn interessiert- und das ist so einiges. Nach einer mit seinen Freital/Heidenau-Kolumnen zusammenhängenden Swatting-Attacke gegen ihn und seine Familie hat er im August 2015 eine Kapitulationserklärung abgegeben, die auf bundesweites Medienecho stieß. Seit dem schreibt er keine explizit politische Kolumnen gegen Rechtsextreme mehr. Sein Hauptthema ist das Grundgesetz, die Menschenrechte und deren Gefährdung aus verschiedenen Richtungen.

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