PKS – Kein Grund zur Panik
Anfang der Woche wurde die neue polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) veröffentlicht und war gleich in aller Munde. Die Kriminalität ist danach angestiegen. Aber ist das ein Grund zur Aufregung? Eine Kolumne von Heinrich Schmitz.
Bild von un-perfekt auf Pixabay
„Hast Du schon gehört? Die Kriminalität hat zugenommen. Und besonders schlimm sind die Ausländer. Und erst die Gewalttaten. Und gerade die Gewalttaten durch Ausländer. Das steht alles in der polizeilichen Kriminalstatistik. Haben sie auch im Fernsehen gesagt. Das kommt doch alles durch die Asylanten. Merkel hätte die nicht reinlassen dürfen. Früher war Alles besser. Vor allem sicherer.“
Kommt Ihnen das bekannt vor? Haben Sie solche Äußerungen auch gehört? Ich könnte ja platzen ,wenn ich so etwas höre. Denn die wenigsten Menschen, die derartige Äußerungen abgeben, haben auch nur einen Schimmer davon, was die PKS ist, und was sie aussagt bzw. überhaupt aussagen kann.
PKS
Die Systematik der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) ist zweifellos ein wichtiger Bestandteil der deutschen Kriminalitätsbekämpfung, jedoch eben nicht frei von Kritik. Ein zentraler Kritikpunkt betrifft dabei die Art und Weise, wie bestimmte Kriminalitätsphänomene erfasst und dargestellt werden.
Zunächst einmal basiert die PKS alleine auf den von den Polizeibehörden gemeldeten Straftaten. Dies kann schon zu Verzerrungen führen, da nicht alle Straftaten zur Anzeige gebracht werden und somit nicht in die Statistik einfließen. Opfer von Straftaten, insbesondere solche, die aus verschiedenen Gründen keine Anzeige erstatten, bleiben in der PKS unsichtbar, was zu einer Unterrepräsentation bestimmter Kriminalitätsformen führen kann. Es handelt sich um eine sogenannte Hellfeldstatistik, die keine Angaben über das Dunkelfeld machen kann.
Des Weiteren wird die PKS oft kritisiert, weil sie keine differenzierte Betrachtung der Täter und ihrer Motive ermöglicht. Die Statistik liefert zwar Zahlen zu bestimmten Straftaten, aber oft fehlen kontextuelle Informationen, die für eine umfassende Analyse notwendig wären. Es wäre aber wichtig zu verstehen, warum bestimmte Straftaten begangen werden und welche gesellschaftlichen Ursachen und Hintergründe ihnen zugrunde liegen. Ohne diese Informationen bleibt die PKS oft oberflächlich und kann zu falschen Schlussfolgerungen führen, bzw. politisch bewusst zu falschen Schlüssen benutzt werden. Wenn z.B. die BILD bezüglich der PKS für das Jahr 2023 von schockierenden Zahlen spricht, ist das zumindest übertrieben.
Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die Kategorisierung der Straftaten in der PKS. Die Einteilung in bestimmte Deliktsbereiche kann dazu führen, dass bestimmte Formen von Kriminalität übersehen oder unterschätzt werden. Insbesondere moderne Formen der Kriminalität, wie Cyberkriminalität oder Wirtschaftskriminalität, werden möglicherweise nicht angemessen erfasst, da sie bisher nicht in die traditionellen Kategorien der PKS passen.
Insgesamt besteht die Kritik darin, dass die PKS zwar ein wichtiges Instrument zur Erfassung und Analyse von Kriminalität darstellt, aber ihre Systematik und Methodik anfällig für Verzerrungen und unvollständige Darstellungen sind. Eine Weiterentwicklung und Verbesserung der PKS könnte dazu beitragen, ein genaueres Bild von Kriminalität zu erhalten und effektivere Maßnahmen zur Kriminalitätsbekämpfung zu entwickeln.
Ausgangsstatistik
Die PKS ist eine sogenannte Ausgangsstatistik. Das bedeutet, sie enthält nur die „endbearbeiteten“ Straftaten. Das heißt, nur die Fälle finden Eingang in die Statistik, bei denen die polizeilichen Ermittlungen abgeschlossen sind und die Akten an die Staatsanwaltschaft abgegeben wurden.
Wenn wir uns die Gesamtzahlen für 2023 anschauen, haben wir in der Tat gegenüber 2022 einen Anstieg der Straftaten zu verzeichnen. Vom Jahr 2022 auf das Jahr 2023 stiegen die Fallzahlen um 5,5 Prozent an; von 5.628.584 Fällen in 2022 auf 5.940.667. Das ist eine Tatsache, aber es ist nicht wirklich eine Katastrophe. Das, was die Endzeitpropheten, die den Untergang der Sicherheit, der Rechtsstaats und überhaupt den Untergang beschwören, entweder nicht wissen oder aber geflissentlich verschweigen ist, dass das nun nicht etwa das absolute Kriminalitätshoch ist.
2013 z.B. betrug die Gesamtzahl der Straftaten laut PKS 5.961.662 ,lag also höher als 2023. Außerdem lag die Bevölkjerung 2013 bei 80,65 Millionen, während sie 2023 im September 84,607 Millionen betrug. Dass also Frau Merkel und die Asylbewerber schuld sind, ist schon mal Quatsch, denn die kamen ja bekanntlich erst 2015.
Wenn Sie sich mal spaßeshalber die Entwicklung ab 2013 ansehen, werden Sie feststellen, dass mit der Ankunft der Flüchtlinge die Zahlen sanken. Aber wen kümmert das schon.
Mehr Statistiken finden Sie bei Statista
Kein Grund zur Panik
Lassen Sie sich nicht ins Bockshorn jagen. Es besteht kein Grund zur Panik. Mit Angst und Panik fängt man Wählerstimmen, sonst aber auch nichts.
Täter ohne deutschen Pass, die rund 40% der Tatverdächtigen ausmachen, sind überigens nicht alles Asylsuchende. Da sind auch Menschen dabei, die lediglich zur Begehung von Straftaten mal eben über die Grenze kommen. Hier in unserer Region sind es häufig Bankautomatensprenger, die aus den benachbarten Niederlanden rüberkommen, einen Automaten in die Luft jagen, sich die Beute krallen und über die A 61 flink wieder nach Hause brausen. Aber auch andere Menschen, die hier zum Teil seit Jahrzehnten leben, haben einfach keinen deutschen Pass und wollen den auch gar nicht.
Die Zahl der Tatverdächtigen ohne deutschen Pass mit den Flüchtlingen gleichzusetzen, ist ein durchsichtiges Manöver derjenigen, die am liebsten jeden, der eine andere Hautfarbe hat, sofort abschieben würden.
Was man auch nicht aus dem Blick verlieren darf, ist, dass die Aufführung als Tatverdächtiger nun keineswegs etwas über die Schuld aussagt. Schaut man sich einmal die Zahlen der von der Staatsanwaltschaft bearbeiteten Ermittlungsverfahren an ( Zahlen für 2021 – neuere habe ich nicht gefunden, ergibt sich Folgendes = Wie in den Vorjahren wurden die meisten Ermittlungsverfahren im Jahr 2021 jedoch eingestellt und es kam nicht zur Anklage. So machten Einstellungen mit Auflage (3,1 %), Einstellungen ohne Auflage (23,6 %) und Einstellungen mangels Tatverdacht (29,9 %) oder wegen Schuldunfähigkeit (0,3 %) zusammen 56,9 % aller Verfahrenserledigungen aus. Nur knapp ein Fünftel (18,1 %) der Verfahren endete mit einer Anklage beziehungsweise einem Strafbefehlsantrag oder einem Antrag auf ein besonderes Verfahren und ein Viertel (25,0 %) auf andere Art, zum Beispiel mit der Abgabe an eine andere Staatsanwaltschaft.
Also nicht jeder, den die Polizei für einen Straftäter hält, ist auch einer. Wenn knapp 30% der Verfahren mangels Tatverdacht, also nach § 170 II StPO, eingestellt werden, sagt das schon einiges über den Wert bzw. Nichtwert der PKS aus.
Aber Obacht
Das bedeutet übrigens nicht, dass man die Entwicklung nicht mit der gebührenden Aufmerksamkeit beobachten sollte. Und es bedeutet auch nicht, dass man Polizei und Justiz – wie ich seit Jahren immer wieer predige (ja, mir gegenüber wurde unlängst behauptet, ich hätte Jünger, da kann ich ja auch mal predigen) –: Wahrlich wahrlich ich sage Euch, besser personell und materiell ausstatten muss, um den Rechtsstaat zu stärken.
Der Rechtsstaat ist allerding kein rechter Staat, sondern ein solcher, der auf dem Boden der Verfassung agiert. Wer jetzt wieder meint, er müsse aus Gründen des Wahlkampfs mit Hilfe der PKS Panik in der Bevölkerung schüren, der soll sich einfach was schämen. Es gibt keinen Grund zur Panik, allerdings allen Grund mit Prävention dafür zu sorgen, dass Menschen erst gar nicht auf die Idee kommen, Straftaten zu begehen. Man wird die Kriminalität nicht gänzlich wegbekommen, aber man kann sie reduzieren. In einem Land, in dem Armut für bestimmte Menschen leider ein Dauerzustand ist, darf man sich über bestimmte Arten von Kriminalität einfach nicht wundern.
Aber es ist natürlich leichter, von der Justiz Härte, klare Kante und was auch immer sonst noch zu fordern – das kostet ja nichts – als zum Beispiel genügend Geld für die Kindergundsicherung in die Hand zu nehmen. Ich wette, dass Kinder, die nicht in Armut aufwachsen, ein wesentliche geringeres Risiko haben, später kriminell zu werden.