Was weiß denn ich?
Ein Geschichtslehrer wird wegen der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen angeklagt. Was ist das eigentlich? Eine Kolumne von Heinrich Schmitz.
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§ 86a Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen
(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer1.
im Inland Kennzeichen einer der in § 86 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 oder Absatz 2 bezeichneten Parteien oder Vereinigungen verbreitet oder öffentlich, in einer Versammlung oder in einem von ihm verbreiteten Inhalt (§ 11 Absatz 3) verwendet oder
2.
einen Inhalt (§ 11 Absatz 3), der ein derartiges Kennzeichen darstellt oder enthält, zur Verbreitung oder Verwendung im Inland oder Ausland in der in Nummer 1 bezeichneten Art und Weise herstellt, vorrätig hält, einführt oder ausführt.(2) Kennzeichen im Sinne des Absatzes 1 sind namentlich Fahnen, Abzeichen, Uniformstücke, Parolen und Grußformen. Den in Satz 1 genannten Kennzeichen stehen solche gleich, die ihnen zum Verwechseln ähnlich sind.
(3) § 86 Abs. 4 und 5 gilt entsprechend.
Der Straftatbestand
bezweckt den Schutz der verfassungsmäßigen Ordnung und den Schutz des politischen Friedens in der Bundesrepublik Deutschland. Durch das Verbot von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen soll dem Eindruck entgegengewirkt werden, in Deutschland gebe es ernst zu nehmende rechtsstaatswidrige, verfassungsfeindliche politische Tendenzen (vgl. LK/Steinsiek § 86a Rn. 1). Bekämpft werden soll aber auch eine allmähliche Akzeptanz von verfassungsfeindlichen Kennzeichen durch die Bevölkerung. – Satzger / Schluckebier / Werner, StGB – Kommentar, 6. Auflage 2024, § 86a StGB, Rn. 1 –
Aha. Haben Sie das jetzt verstanden? Wer diesen Tatbestand liest, weiß allerdings nicht unbedingt, mit welcher Handlung genau er sich strafbar macht, denn die Vorschrift umschreibt die verbotenen Kennzeichen und Parolen lediglich abstrakt. Der Blick ins Gesetz lässt also nicht auf den ersten Blick erkennen, welche Zeichen oder Parolen strafbar sind und welche nicht. Das ist bedenklich.
Vielleicht wäre es ja sinnvoll, den Paragrafen um eine Liste verbotener Parolen und Kennzeichen zu ergänzen, damit auch der letzte Depp klar erkennen kann, was erlaubt und was verboten ist. So wird das ja beim Betäubungsmittelgesetz auch gehandhabt, wo es Anlagen gibt, in denen die nicht verkehrsfähigen Betäubungsmittel einzeln aufgezählt sind. Der Satz „Alles für Deutschland“ könnte ja auch das Motto eines Fussballnationalspielers sein, ach nee, doch nicht.
Parolen
Zwar kann man sich auf Informationesseiten wie https://www.bige.bayern.de/infos_zu_extremismus/rechtsextremismus/zeichen_und_symbole/grussarten_und_parolen/index.html schlau machen, aber eigentlich hat ein klarer Straftatbestand von sich aus verständlich zu sein und nicht erst über Bande.
Die dortige Aufstellung ist zwar auch nicht vollständig, aber schon mal ein Anhaltspunkt:
Sieg Heil
Parteitags- und Massenparole.
Die Verwendung ist strafbar.
Ein Volk, ein Reich, ein Führer
Losung der NSDAP.
Die Verwendung ist strafbar.
Deutschland erwache
Losung der NSDAP.
Die Verwendung ist strafbar.
Alles für Deutschland
Losung der SA.
Die Verwendung ist strafbar.
Meine/Unsere Ehre heißt Treue
Losung der SS.
Die Verwendung ist strafbar.
Blut und Ehre
Losung der Hitler-Jugend.
Die Verwendung ist strafbar.
Rotfront verrecke
Gegen den kommunistischen Roten Frontkämpferbund in der Weimarer Republik gerichtete Hassparole.
Die Verwendung ist strafbar.
Der Begriff Losung hat übrigens nichts mit der Jägersprache zu tun.
Dumm wie Brot
Sonst kommt nachher noch so ein Oberstudienrat für Geschichte daher und erzählt dem Gericht treudoof, sozusagen dumm wie Bernd das Brot, ihm sei die Verwendung dieser Parole durch die SA nicht bekannnt gewesen. Was sei überhaupt diese SA, er habe dies stets für die Abkürzung des Landes Sachsen-Anhalt gehalten. Während seines Studiums habe er in den Vorlesungen zum sogenannten 3. Reich häufiger gefehlt und stattdessen mit Kameraden aus der Mundorgel gesungen. Außerdem habe er angenommen, Alles für Deutschland, sei ein Parteiname, der auf Wahlplakaten mit AfD abgekürzt würde. Man könne sich ja nicht mit jedem Fliegenschiss auskennen. Im Übrigen sei die Justiz viel zu sehr auf einem unheilvollen Kuschelkurs, er hingegen sehe einem Freispruch wegen erwiesener Dummheit entgegen.
Das Problem ist, dass man auch bei der Verwendung von verbotenen Parolen einen Vorsatz nachweisen muss. Das bedeutet, dass derjenige, der gar nicht weiß, dass er eine verbotene Parole rumblökt auch nicht vorsätzlich handelt und damit straffrei bleibt – falls ihm das jemand abnimmt.
Ich habe mal eine KI gefragt:
Kann man einem Oberstudienrat für Geschichte glauben, dass er die Parole „Alles für Deutschland“ nicht kennt?
Die Antwort hätte auch von einer natürlichen Intelligenz stammen können:
Es wäre ungewöhnlich, wenn ein Oberstudienrat für Geschichte die Parole „Alles für Deutschland“ nicht kennen würde, da sie eine bedeutende Rolle in der deutschen Geschichte, insbesondere während der Zeit des Nationalsozialismus, gespielt hat. Diese Parole war eng mit der NSDAP, der SA und anderen nationalsozialistischen Organisationen verbunden und wurde während dieser Zeit weit verbreitet. Historische Parolen wie diese sind oft wichtige Themen im Geschichtsunterricht und werden normalerweise von Lehrkräften behandelt.
Es ist möglich, dass es sich um eine unglückliche Verwechslung oder Missverständnis handelt. Es ist jedoch auch denkbar, dass der Oberstudienrat aus irgendeinem Grund nicht über diese spezifische Parole informiert ist oder dass sie im Unterricht nicht ausdrücklich behandelt wurde. Letztendlich hängt es von verschiedenen Faktoren ab, einschließlich der individuellen Kenntnisse und Schwerpunkte des Lehrers sowie des Lehrplans der Schule.
Na ja, schaun wir mal, was das Gericht glaubt oder nicht glaubt.