Pfing’s Ten – Herr, wirf Hirn vom Himmel
An diesem Wochenende feiern die Christen Pfingsten. Warum eigentlich? Eine eher launige Kolumne von Heinrich Schmitz
Wenn Sie Menschen auf der Straße fragen, warum Pfingsten gefeiert wird, können Sie lustige Antworten erhalten. Neben Menschen, die nun überhaupt nichts mit Religion oder auch nur Bräuchen zu tun haben und Pfing’s Ten für so etwas wie Ocean’s Eleven halten, gibt es auch solche, die meinen, an Pfingsten werde die Geburt des Heiligen Geistes gefeiert.
Schweben
Das ist natürlich Unfug. Betrachten wir das Ganze mal als ewige Netflixserie. Der Heilige Geist, der nach der Lehre der katholischen Kirche Bestandteil der Dreifaltigkeit aus Vater, Sohn und Heiliger Geist ist – sie kennen das von 3in1 Waschmaschinen-Tabs –, war schon zu Beginn der Bibelserie, also in der Urbesetzung, ab Staffel 1, Folge 1 mit dabei. Er machte zunächst das, was man als Geist so macht.
Und die Erde war wüst und leer, und Finsternis lag auf der Tiefe; und der Geist Gottes schwebte über dem Wasser. (Mose 1,2)“
Schwängern
Irgendwann reichte es ihm dann mal mit dem Schweben und der Heilige Geist schwängerte – offenbar berührungslos – ein junges Mädchen. Warum auf diese Tour weiß ich nicht, aber vielleicht nur, weil er es konnte. Der Verlobte des Mädchens fand das dann irgendwie auch okay, nachdem es ihm erklärt wurde, und so bekam Gott durch seinen eigenen Geist sich selbst als Sohn. Da muss man erst mal drauf kommen. Nun ja, dieses „gezeugt, nicht geschaffen“ haben erst die Theologen des Konzils von Nicäa (325) gegen die damals verbreitete Auffassung des Arianismus entschieden. Ist aber letztlich auch egal. Die Geburt dieses wundersamen Menschen/Gottes-Kindes feiern die Christen an Weihnachten.
Gut, wäre das nun eine Netflixserie, bin ich nicht sicher, ob ich das wirklich alles geglaubt hätte, aber immerhin ist die Bibel-Story irre spannend und man wartet auch 2000 Jahre später immer noch voller Ungeduld, ob es weitere Folgen oder gar mal ein Serienfinale gibt.
Taufen
Dieser junge Mann, der den Namen Jesus bekommt, wird von einem Einsiedler namens Johannes dem Täufer getauft. Bei diesem Ritual ist der stolze Vater, sowohl als Stimme aus dem Off und als auch als auch sein Alter Ego Heiliger Geist in Gestalt einer Taube anwesend. Da waren dann mal alles drei zusammen.
Und es begab sich, als alles Volk sich taufen ließ und Jesus auch getauft worden war und betete, da tat sich der Himmel auf, und der Heilige Geist fuhr hernieder auf ihn in leiblicher Gestalt wie eine Taube, und eine Stimme kam aus dem Himmel: Du bist mein lieber Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen. (Lukas 3:21-22)
Und danach taufte dann Jesus nicht wie vorher Johannes mit popeligem Jordanwasser, sondern mit originalem heiligen Geist. So jedenfalls nach der Aussage des Johannes.
Und ich kannte ihn nicht. Aber der mich gesandt hat zu taufen mit Wasser, der sprach zu mir: Auf welchen du siehst den Geist herabfahren und auf ihm bleiben, der ist’s, der mit dem Heiligen Geist tauft.(Johannes 1:33)
Wundern
Und nach einem relativ kurzen Leben mit einer Gruppe von Sidekicks – alle echten Superhelden haben Sidekicks – namens „Jünger“, einer Reihe von krassen Wundern und bemerkenswerten – heute noch bedenkenswerten – Reden, wurde dieser Mensch, der gleichzeitig auch als Bestandteil der Dreifaltigkeit selbst Gott war und nach der Sprechart der Kirche auch weiter ist, am Kreuz hingerichtet. Fragen Sie mich bitte nicht, wie man einen Gott, der von Ewigkeit zu Ewigkeit existiert, hinrichtet. Ich habe diesen Plot nicht geschrieben. Ich hätte mich vermutlich gar nicht getraut, so etwas bei einer Filmproduktionsfirma als Drehbuch einzureichen. Aber bei solchen Geschichten kommt es ja auch gar nicht auf Logik an, sondern es geht um ungeklärte Geheimnisse des Glaubens. Die aufzuklären wäre aus Sicht der Serienmacher geradezu töricht, denn nur die offenen Fragen und finsteren Geheimnisse halten den Zuschauer bei der Stange. Überraschende Wendungen erhalten die Spannung, Transparenz und so ein neumodisches Zeugs sind das Ende der Faszination solcher Serien. Oder wie Augustinus sagte: „Wenn Du begreifst, ist es sicher nicht Gott.“
Auferstehen
Nachdem Jesus also hingerichtet wurde, stieg er nach drei Tagen aus dem Grab und zeigte sich zum Erstaunen seiner Jünger mal hier und mal da. Diese Auferstehung feiert man an Ostern.
Nun nähern wir uns langsam der Staffel, in der es um Pfingsten geht. Exakt 50 Tage nach der Auferstehung Jesu trafen sich die Jünger am jüdischen Feiertag Schawuot in voller Besetzung in Jerusalem. Das ist zum einen eine Art Erntedankfest, zum anderen erinnert es an den Empfang der Zehn Gebote am Berg Sinai, also den Bundesschluss Gottes mit dem Volk Israel.
2,1 Als der Pfingsttag gekommen war, befanden sich alle am gleichen Ort. 2,2 Da kam plötzlich vom Himmel her ein Brausen, wie wenn ein heftiger Sturm daherfährt, und erfüllte das ganze Haus, in dem sie waren. 2,3 Und es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich verteilten; auf jeden von ihnen ließ sich eine nieder. 2,4 Alle wurden mit dem Heiligen Geist erfüllt und begannen, in fremden Sprachen zu reden, wie es der Geist ihnen eingab. ( Apostelgeschichte 2,1 -2,4)
Züngeln
Geile Szene. Flammen, die vom Himmel regnen, lassen sich auf den Jüngern nieder und dann beherrschen diese auf einmal aus dem Stegreif Sprachen, die sie vorher gar nicht kannten. Durch dieses plützliche Sprechen in fremden Sprachen wurden die Jünger zunächst für bekloppt oder zumindest für besoffen gehalten. Weil aber – warum auch immer – genügend unterschiedliche Muttersprachler vor Ort waren, bemerkten diese, dass der fremd klingende Sound durchaus Hand und Fuß hatte. Wunder gibt es immer wieder.
Die Jünger bekamen damit den Auftrag, die Worte und Taten ihres Meisters in alle Welt und in allen Sprachen zu verbreiten. Und weil das ganze 50 Tage nach der Auferstehung stattfand, also am „pentēkostē hēméra“ („fünfzigster Tag“), heißt das christliche Fest, davon abgeleitet, jetzt halt Pfingsten oder auf Englisch Pentecoste.
Wie in jeder guten Serien änderten die Macher den Namen der neuen Heldengruppe von „Jünger“ in „Die Apostel“, und die begannen unter diesem Namen ihr Werk. Und wenn sie nicht gestorben sind, Sie wissen schon.
Schade, dass diese Serie nicht wirklich fortgesetzt wurde. So ein alttestamentarischer Wüterich, der ab und an mal den Menschen nicht nur in Form von Naturkatastrophen zeigt, wo der Hammer hängt, sondern auch mittels Heiligem Geist, egal ob als Zungen, Tauben oder was auch immer, eine Ladung ungewöhnlicher Fähigkeiten liefert, wäre doch toll. Aber aktuell erfüllt der nicht mal so fromme Wünsche, wie dass er Putin zu sich ruft und dann zur Hölle schickt. Oder wenigstens mal ein paar Portionen Hirn vom Himmel wirft.
Vor ein paar Jahren hatte ich mal ein PsychKG-Verfahren, bei dem ein junger Mann sich nur wie folgt äußerte: IOOOIIIIOIOIOOIIOIIIIOIOIOOOIII usw. oder so ähnlich. Alle dachten, der wäre völlig durch. Auf meine Frage hin, ob er sich auch Normalsterblichen wie mir verständlich machen können, sagte er: “Selbstverständlich, ich nahm an, Sie würden mich verstehen. Der binäre Code ist doch eigentlich recht simpel zu verstehen.“ Entgegen meiner schwachen Hoffnung hatte der aber keine Überdosis Heiliger Geist, sondern nur eine durch eine Allergie ausgelöste vorübergehende Psychose, die nach ein paar Tage verschwand, wie sie gekommen war. Er war Programmierer und hatte rund um die Uhr an seiner Promotion gearbeitet.
Ich würde mir wünschen, dass diese Bibelserie bald mal weitergeht oder meinetwegen auch mit den seit 2000 Jahren angekündigten finalen Staffeln „Die Apokalypse“ und „Das jüngste Gericht“ beendet wird. Kann zwar täglich passieren, aber wetten würde ich nicht drauf.
Ihnen wünsche ich nun erst einmal Frohe Pfingsten.
Schreibe einen Kommentar