Tabula Rasa
Der Krug geht so lange zum Brunnen, …
bis der Brunnen die Schnauze gestrichen voll hat.
Eine Kolumne von Michael Hendl
Die Union steigert ihre eigene Demontage nach einem
beschämend inkompetenten Wahlkampf, dessen nach X aufgelöstes
Kernproblem ein hochexplosiver Mix aus jahrelanger Ignoranz und Borniertheit ist.
Ich werde diese Abrechnung auf Armin Laschet konzentrieren.
Nicht, weil ich mich etwa an einem am Boden Liegenden abarbeiten wollte und/oder meine sadistische Ader befriedigen wolle (und ich ohnehin nicht der festen Überzeugung wäre, dass, wenn er ein Talent hat, es darin besteht, auch aus der jetzigen Situation den maximalen Gewinn für sich und die Seinen zu schinden), sondern weil er
die personifizierte Quintessenz der finalen Implosion einer gescheiterten Union ist.
Und das schreibe ich selbstverständlich auch im vollen Bewusstsein dessen dass es ohne den geringsten Zweifel auch in anderen Parteien vergleichbare Rohrkrepierer gibt.
Aber es gibt ganz einfach 4 starke Gründe, weshalb ich mich der CDU/CSU zuwende.
Diese lauten:
C für Christlich
D für Demokratisch
S für Sozial
und, Sie können es schon erahnen,
U für Union.
Jeder dieser Begriffe trifft bei mir voll die 12, hievt mich unentkommbar auf den Haken, mit denen Marketingstrategen die Zielgruppe nun mal angeln wollen.
Nun, auch das ließe sich auf das S im Parteinamen der SPD übertragen, gerne auch auf das F der FDP und selbstverständlich auf die Farbe des Ursprungs jedes Lebens der Grünen.
ABER: Da ist ein kleiner, aber bedeutender Unterschied. Und für diesen steht das C.
Lasset uns Tacheles reden, werte Christen
Nicht, dass ich ein Christenmensch wäre, der mehr Kirchenbänke durchsetzen, als er per Kirchensteuerzahlung ausgleichen würde. Meine Rolle als Christ ist eine recht eigenwillige. Wobei ich mehr und mehr erfahre, dass ich damit nicht alleine dastehe. Ich bin evang.-luth. Christ, geboren in der Enklave Bayreuth im rundherum tiefschwarzen Bayern. Kind einer „Mischehe“, wie mich mein, einer führerorientierten Sektierer Gruppe angehörender, Pfarrer im Konfirmationsunterricht wissen ließ. (Er freute sich damals, von den Spenden anlässlich selbiger Konfirmation ein neues Karteisystem zur Ordnung seiner Schäfchen kaufen zu können, in dem er eben solche Mischehen mit einer besonderen Reiterfarbe markieren konnte).
Kurz und gut: Ich bin Protestant, was mir meine Uroma schon im Vorschulalter mit dem Spruch „Des wird noch amoll a klaaner Dutschke!“ mehr als einmal bestätigte.
Mein weiterer Lebensweg führte mich jahrzehntelang in Büros der verschiedensten Couleur, um die Organisation von Prozessen zu optimieren. Daher nehme ich es bei aller Begeisterung für „Jeder nach seiner Fasson“ durchaus schon mal genau.
Also, was ist nun mit dem C?
Da ich nicht sehr bibelfest bin, sollen fürs Erste die 10 Gebote reichen. Nun denn, Herr Laschet, da sehe ich ein paar bedeutende Fragen auf Sie zurollen, beginnend gleich bei Numero 1:
Du sollst keine anderen Götter neben mir haben!
Sind Sie sich sicher, dass Sie nicht den schnöden Mammon mehr anbeten, als den lieben Gott selbst?
Wirtschaft ist natürlich die Grundlage für unseren Fortbestand. Sie meint den gegenseitigen Austausch von Dienstleistungen (längst vor allem von Wissen) und Gütern. Das darf, kann und muss
auch Wohlstand, im Sinne von Rücklagen für Investitionen oder schlechte Zeiten, schaffen. Es ist aber nicht damit gemeint, dass „schneller, höher, weiter“ zum Selbstzweck werden soll, eben geradezu angebetet wird.
Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht missbrauchen.
Genau dies tun Sie und viel zu viele Ihrer beiden Parteien permanent. Nirgendwo im Christentum steht geschrieben, dass sich die Werte der christlichen Kultur nur auf deren Mitglieder beschränken.
Und es steht auch nirgends, dass sich dafür für den christlichen Weg zu Gott ein elitärer Anspruch ableiten ließe.
Du sollst den Feiertag heiligen.
Erinnern Sie Ihre Hysterie, mit der Sie in Corona Zeiten Weihnachten und Ostern instrumentalisiert haben? Das weckt starke Zweifel daran, dass der Herrgott dies mit „Feiertag heiligen“ gemeint haben könnte.
Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren.
Hier sei Ihnen Absolution erteilt! Sie ehren Ihren Vater ja so sehr, dass Sie selbst seine Bergmannsmedaille als Fetisch für innerparteiliche Machtkämpfe einsetzten. Von Ihrer Frau Mutter habe ich jedoch bisher nichts gehört, das mag Ihrem archaischen Frauenbild geschuldet sein, hierzu sei Ihnen ein Blick auf die Verteilung der Geschlechter Ihrer Fraktion empfohlen.
Du sollst nicht töten.
Nun, ich bin kein Jurist. Und dass Sie selbst getötet hätten, ist mir nicht bekannt. Aber dass Sie den Tod Zigtausender durch Corona (auch durch die durchgeboxten Gottesdienste), im Mittelmeer sowie durch
das Überlassen in die Hände der Taliban in Kauf genommen haben, das würde ich behaupten. Für den Gewinn von mehr als unangenehm riechender Stimmen.
Du sollst nicht ehebrechen.
Uns steht auch kein Blick in Ihr Schlafgemach zu. Aber gerade das Thema Ehe ist ja eines, bei dem Sie vor Verklemmtheit und Scheinheiligkeit nur so knirschen. Sie schreiben allen Ernstes Mitmenschen vor, wen Sie heiraten dürfen und wann Sie das tun dürfen, was man in Ihren Kreisen „Vollzug der Ehe“ nennt. Ich kann mir jedoch sehr gut vorstellen, dass mit diesem 6. Gebot vor allem ein Schutz von Ehe und Familie gemeint war.
Du sollst nicht stehlen.
Auch hier bin ich juristisch nicht sattelfest. Aber Maskendeals und verkürzte Steuern, um nur 2 Beispiele zu nennen, nehmen durchaus der Allgemeinheit etwas weg und wandern zu jemandem hin, dem dieser Ertrag nicht zusteht.
Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten.
Während der sog. „Trielle“ haben Sie, offiziell und objektiv gemessen, alleine mehr als Ihre beiden Gegenüber zusammen falsche Informationen von sich gegeben.
(Sollten das keine bewussten Lügen gewesen sein, entlastet Sie das evtl. vor dem lieben Gott, als Kandidat für das Bundeskanzleramt steigert es Ihre Inkompetenz nur noch).
Du sollst nicht begehren deines Nächsten Haus.
Du sollst nicht begehren deines Nächsten Weib, Knecht, Magd, Vieh noch alles, was dein Nächster hat.
Das in den Geboten 9 und 10 zusammengefasste Verbot des Neidens haben Sie ja spätestens ab dem Wahlabend geradezu in Perfektion mit Füßen getreten.
Gott und die Welt
Nun, ich bin weder das jüngste, noch sonst ein Gericht und glaube ohnehin an einen liebenden, konstruktiven und nicht an einen strafenden, Strafzettel schreibenden Gott. Aber für den Gott, den Sie immer wieder zu Ihren Zwecken vor sich hertragen, für den ist der ultimative Antibeweis die Tatsache, dass er Sie und die Ihren noch nicht mit einem Blitz von dieser Erde gefegt hat.
Und exakt bei dieser Erde, unserem Lebensraum, können wir gerne weitermachen:
Letzte Woche tat die EKD aus meiner Sicht zum ersten und einzigen Mal etwas, was mir Respekt abnötigte: Sie engagierte sich für die Verhinderung eines weiteren Klimawandels. Jeder halbwegs vernunftbegabte Mensch würden die Basis für alles irdische Leben durchaus als die innerste Kernkompetenz jedweder Religion sehen.
Nun raten Sie aber mal, welche Klientel laut schreiend dagegen zu Felde zog? Bei den „Argumenten“ hatte das fehlende Kreuz um den Hals von Heinrich Bedford-Strohm ja schon an sich einen ganz guten Unterhaltungswert. Aber wie immer, lässt sich dies mit möglichst wenig Bodenhaftung noch toppen, indem von aktiven Mitgliedern der C-Parteien doch tatsächlich angeführt wurde, Kirchliches und Politisches sei nicht zu vermischen!
Nichts, aber auch rein gar nichts, spricht dagegen, ein Engagement für das abzuleiten, das einmalig und unersetzlich ist: Unsere Umwelt. Diese ist übrigens ebenso eindeutig wie simpel die unersetzbare Basis für das, was Sie im Weiteren anstreben: Erfolgreiche Wirtschaft und Wohlstand.
Gleich und gleich gesellt sich gern
Mit der katholischen Kirche, in der ja Ihr aus dem tiefsten Inneren kommendes, selbstloses Bedürfnis, sich zu kümmern, geboren wurde, nähern wir uns Ihrem eigentlichen Drama:
Nicht nur, dass ich mich frage, wieso Sie nicht noch Kardinal Woelki in Ihr „Zukunftsteam“ aufgenommen haben: Der Ansatz dieser Organisation, ihren Anhängern nicht zu dienen, sondern sie zu belehren und zu erziehen, in eine autoritär geprägte Abhängigkeit zu manövrieren, scheint auch bei den allermeisten Mitglieder Ihrer Partei als Blaupause für politisches Management anno 2021 gesehen zu werden. Und hier unterscheiden Sie sich von anderen politischen Parteien, die auf existentielle Grundbedürfnisse von Menschen wie soziale Gerechtigkeit, Freiheit oder Umweltbewusstsein eingehen. Probleme lösen und nicht neue schaffen.
Werfen Sie einfach einen Blick auf die Mitgliederentwicklung der katholischen Kirche, dann können Sie gleich Diagramme für die Ihre Partei für die allernächste Zukunft davon ableiten.
Wer trifft, hat Recht
Sowie der Köder an der Angel den Geschmack des Fisches und nicht den des Anglers treffen muss, so sind Wahlergebnisse der erklärte Wille des Souverän, der von den Parteien umzusetzen ist. Punkt. Fertig. Aus.
Und da stellen Sie sich nach der Wahl hin und bezweifeln ein Ergebnis, das eine ebenso klare Sprache spricht wie ein 26:24 im Handball-WM-Finale oder ein 103:96 im Basketball.
Als was würden Sie den jeweiligen Mannschaftskapitän des Verlierers bezeichnen, der mit dem Schlusspfiff auf die Ehrentribüne hochstürmt und verkündet:
Ich bin bereit, den Siegerpokal zu übernehmen, ‚We are the Champions´ singend im Konfettiregen zu schwenken und ne Ehrenrunde laufe ich dann auch noch (aber dann muss es mit Arbeit für heute genug sein)“?
So, und spätestens jetzt sind wir am Punkt:
Das ist nicht gestern, nicht vor- und auch nicht vorvorgestern. Das ist schlicht und einfach out of any time. So tickt die Welt schon lange nicht mehr. (Und so hat sie, nebenbei bemerkt, in Demokratien noch nie getickt).
Eine Stilfrage
Es sind gar nicht die Themen, hier wiederhole ich mich gerne: Mit Attributen wie christlich, sozial, demokratisch und gemeinsam, holen Sie mich da ab. Was das schier greifbare Verlangen nach Wandel wie selten zuvor hervorruft, ist die ebenso inkompetente wie bornierte Form Ihrer Arbeit und Ihres Auftretens.
Während Sie im Sinne der deutschen Sprache völlig sinn- und inhaltslose, absurde Sätze wie „….digitale Dichter und Denker“ von sich geben, während die Infrastruktur einer der führenden Industrienationen auf Steinzeitniveau verharrt, ist die Realität längst eine andere geworden.
Die jungen Menschen, die sie nach allen Regeln der Kunst herabwürdigen, die für ihre Zukunft, und damit gleichzeitig für unsere Umwelt, auf die Straße gehen, haben Idee und Initiative. Und was tun Sie? Sie stürzen sich auf die paar Fehlerchen, die diese, durch uns geprägte Jugend, in der Ausführung tun mag. Und am schlimmsten (und zugleich destruktivsten für Sie selbst):
Sie sprechen nicht einmal mit diesen Menschen!
Gucken Sie sich führende Mitglieder Ihrer „Jungen Union“ an, dann wissen Sie, wie Nachwuchs aussieht, der bestenfalls den Status Quo halbwegs fehlerfrei zu verwalten im Stande ist.
Sie sind im wahrsten Sinn des Wortes nicht in der Lage einen Wahlschein zu Ihrer eigenen Wahl fehlerfrei zu falten und stecken diesen fotogen in eine Wahlurne, deren Schloss offen steht.
Wie wollen Sie das denn den Menschen verkaufen, die auf eine Nation wie Deutschland bauen, um die Ungerechtigkeiten in ihren Ländern zu beseitigen?
Dieses Gefühl, dass das Land Ihren Ideen entsprechen müsse und an sich Ihnen gehöre. Dass Wahrheit gemacht werden könne und Unwahrheit immer nur, und dann noch möglichst schwammig umschrieben, maximal so viel zugegeben werden müsse, wie man ohnehin schon überführt ist.
Sie bezeichnen andere Parteien als Verbotsparteien, wollen aber u.a. darüber bestimmen, wer wen heiraten und wem man gegenüber Nächstenliebe zeigen solle.
Wenn ich Ihre Altvorderen wie Friedrich Merz sehe, dann habe ich zugleich so einen besonderen Geruch in der Nase: So ein Mix der warmgetretenen Ledersohlen des edlen Schuhwerks, Mundgeruch nach erkaltetem Kaffee, der im Übermaß getrunken wurde und einem Rasierwasser, das zu allem, aber nicht zu dem passt, der es am Morgen zur Demonstration omnipräsenter Frische im Übermaß über sich gekippt hat.
Ob Sie es wahr haben wollen, oder nicht, werter Armin Laschet:
Die Mehrheit des Souverän hat genau das satt. Mehr als satt. Ganz genau davon weg von möchte die Mehrheit der Deutschen den Wandel.
Auf zu neuen Ufern
Von den Entwicklungen, die unsere Demokratie nimmt, haben Sie nicht den Hauch einer Ahnung, weil die Gegenwart bereits wie ein D-Zug an Ihnen vorbeirauschte. Während Sie noch von „Volksparteien“ schwadronieren, sind Politiker zu Staatsmanagern geworden. Unabhängig, ob ich nun von den Parteiprogrammen in jedem Punkt überzeugt bin oder nicht, führen es Ihnen FDP und Grüne bei den laufenden Sondierungen live vor, während Sie sich intern nicht einig werden, auf welchem Feld die größten Kartoffeln zu finden sein könnten.
Unsere gesamte interagierende Umwelt ist von einem permanenten Servicegedanken geprägt:
Für nichts geben Anbieter so viel aus, wie dafür, die Bedürfnisse ihrer Zielgruppe zu ermitteln und ihre Produkte, aber vor allem Dienstleistungen, danach auszurichten.
Einzig und allein aus diesem Grund z.B. gibt es Facebook und andere soziale Medien.
Es muss gar nicht darüber diskutiert werden, es ist schlicht und einfach ein längst eingetretener Fakt, dass die Staatsführung moderner und erfolgreicher Nationen exakt so ticken muss.
Es wird vielleicht nicht mehr lange dauern und Parteien werden an die Stelle von Ministern Experten vom freien Markt headhunten. Das wäre evtl. zig mal konsequenter, als sich ohnehin mehr als 90% der Organisation scheibchenweise und teuer einzukaufen. Abgestimmt wird in Zukunft vielleicht nicht mehr nicht nur über Parteien, sondern auch über Schwerpunktthemen der anstehenden Legislaturperiode werden. So wie jetzt eben nach der Wahl der Wählerwille zur Regierungsbildung demoskopisch erforscht wird.
„Tabula Rasa“ ist eine wieder in den unbeschriebenen, jungfräulichen Zustand versetzte Schreibtafel.
Vielleicht sollten Sie als erstes über Ihre Parteinamen nachdenken: Wenn Sie z.B. das C durch ein D wie Deutschland ersetzen, dann integriert das den im Grundgesetz verankerten Gedanken der Religionsfreiheit und spricht Ihre Zielgruppe perfekt an:
Ein Deutschland, das längst bunt ist – und nebenbei bemerkt sein muss, wenn es nicht nur seine Führungsposition behaupten, sondern schlicht und einfach existieren will.
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