Oscarbait-Bait? Mank ist mehr gezwungene Hommage als gelungener Film
Kolumnist Sören Heim hat sich den Oscar-Favoriten von Netflix angeschaut und findet: Erzählung und Inszenierung passen nicht zusammen.
Mank ist dann wohl der Film, der sich darum bewirbt, ab jetzt im Wörterbuch neben Oscar-Bait abgebildet zu werden? Also Oscarbait-Bait…?
Damit möchte ich nicht sagen, dass Mank ein schlechter Film ist. Er hat seine Momente. Etwa das Gespräch über Politik zwischen Mank, Stars und Studio-Bossen. Oder die Kennenlern-Szene mit Marion Davies auf dem Scheiterhaufen. Aber dieses geradezu bettelnde “Ich will aber will aber will aber wirklich einen Oscar” ist dem Werk so brutal in jeder Einstellung eingeschrieben, dass es schwer fällt, darüber hinweg zu sehen. Viele Entscheidungen wirken einfach nicht ernsthaft aus dem Material begründet, sondern aus dieser Ambition heraus, sowie aus dem Willen, Citizen Kane möglichst häufig zu zitieren (was letztlich zwei Seiten derselben Medaille darstellt).
Warum so und nicht anders?
Streng genommen beginnt das bei der Entscheidung für den Schwarz-Weiß-Film. Warum muss man aus dem frühen Hollywood in Schwarz-Weiß erzählen? Weil Filme damals schwarz-weiß waren? Keine besonders gute Begründung. Oder weil Citizen Kane, regelmäßig als der beste Film aller Zeiten gehandelt, eben schwarz-weiß war? Auch das ist kein guter Grund. Denn Mank ist ja nicht Citizen Kane. Es ist ein Film über die Entstehung von Citizen Kane.
(Lest die genaue Handlung bei Wikipedia nach. Auch die Artikel zu Raising Kane und Screenplay for Citizen Cane empfehle ich zur Lektüre. Mank scheint besonders auf dem Essay von 1972 zu basieren, der heute in weiten Teilen als widerlegt gilt.)
Es kann auch heute noch gute Gründe dafür geben, einen Film in einer eigentlich überholten Produktionsweise zu erzählen. Aber die bewusste ästhetische Entscheidung, diese Technik wiederzubeleben, sollte begründbar sein. Ein einfaches Beispiel, über das In Depth Cine in dem YouTube Film How To Shoot A Film At 3 Different Budget Levels spricht: Ein Filmemacher mit geringem Budget entscheidet sich für schwarz-weiß, um die Problematik auszugleichen, dass man beim Filmen an öffentlichen Locations die Farbpalette nicht unter Kontrolle hat. Schwarz-weiß hilft hier dabei, ein Kunstwerk mit einheitlicher Bildsprache zu erzeugen. Oder: Ich kann schwarz-weiß für eine besondere Bildsprache der Kontraste benutzen. Wie etwa Citizen Kane in seiner ersten Szene nach der Presseschau-Montage. Hier wir über „shady business“ gesprochen, die Tricks, eine Story zu erzeugen, und Staub, Licht und Schatten untermalen das aufs Treffendste. Oder, oder, oder. Das Problem mit Mank ist, dass der Film aus seiner schwarz-weiß Ästhetik nichts Besonderes macht. Es bleibt bei dem Erzeugen eines „historischen“ Eindrucks sowie einer Hommage an Citizen Kane.
Die klassischste aller Hollywood-Geschichten
Eine solche Hommage stellt letztlich auch die fragmentierte Erzählweise dar, über die sich viele Kritiker etwa bei IMDB beschweren. Der Film zitiert natürlich die Aussage seines Protagonisten und Mitautors von Citizen Kane, Herman J. Mankiewicz, man könne so ein komplexes Leben wie das Kanes nicht linear erzählen, sondern nur Schlaglichter setzen. Klingt plausibel. Allerdings erzählt Mank kein besonders komplexes Leben. Es ist eine sehr einfache Geschichte: Typ ist erfolgreicher Drehbuchautor. Typ trinkt zu viel. Typ bekommt noch einmal die Chance, an einem großen Buch mitzuwirken. Typ hat Erfolg, aber andere ernten den Erfolg. Irrelevant, wie viel das mit dem realen Verhältnis zwischen Herman J. Mankiewicz und Orson Welles tatsächlich zu tun hat. Das ist DIE klassische Hollywood-Story. Ähnliche Geschichten wurden schon oft und durchaus fesselnder in deutlich linearerer Weise erzählt. Es wird nie wirklich deutlich, warum die Geschichte von „Mank“ Mankiewicz eben so erzählt werden muss wie Citizen Kane. Dass Mankiewicz einer der Autoren von Citizen Kane ist, ist kein besonders guter Grund, denn die Geschichte ist eine ganz andere.
Auf Sicherheit bedacht
Mank ist, anders als Citizen Kane in seiner Zeit, damit vor allem ein absolut auf Sicherheit bedachtes Kunstwerk. Nichts, was nicht schon tausend Mal so oder so ähnlich gemacht worden wäre. Nun ist Neuheit natürlich allein kein künstlerisches Qualitätskriterium. Und Mank hätte das Rad nicht neu erfinden müssen, um ein deutlich besserer Film zu werden. Denn der Film unterläuft leider geradezu das vorhandene Potenzial seiner fragmentierten Erzählweise. Es gibt für 100 Minuten praktisch keine Handlung, nur Geschehen. Und der zentrale Konflikt zwischen Mank und Welles wird erst ganz gegen Ende überhaupt angerissen und in einem kleinen Schreiduell auch gleich wieder abgefrühstückt.
Hier hätte man anfangen können: Mank und Welles total zerstritten über das Drehbuch. Jeder hat Wege, den anderen unter Druck zu setzen. Welles ist ein junges Genie mit einer Carte blanche in Hollywood. Aber Mank weiß, wie man die alte Garde manipuliert und wie man mit der Presse spielt. Also in etwa das, was die beiden sich gegen Ende des Films an den Kopf werfen. Dann hätte man produktiv mit den Rückblenden einsetzen und die Entwicklung dieses Konflikts mit der größeren Entwicklung, die Mank in die Situation gebracht hat, für einen anderen Autoren ein Drehbuch zu schreiben, an dem er alle Rechte abgibt, selbst die Namensrechte, beleuchten können. Nein, das ist auch nicht super innovativ. Aber es wäre mindestens eine Geschichte, die mir tatsächlich einen Grund gibt, all diese einzelnen sprunghaften Szenen anzuschauen, ohne mich bei den langwierigen, handlungsarmen Passagen, von denen dieser Film auch einige hat, zu langweilen. Ich muss mich korrigieren: Ich möchte sagen, dass Mank ein schlechter Film ist. Allerdings ein besonders von Gary Oldman hervorragend gespielter mit einigen tollen Szenen.
Ich fände es wirklich schade, wenn die Oscars so abliefen, wie von Netflix erhofft und Mank in einigen Kategorien abstauben darf. Denn David Fincher hat ja schon mehrfach gezeigt, dass er fähig ist einen komplexen Plot in einer einfachen eleganten Weise zu erzählen, sodass sich eine durchaus breite Zuschauerschaft von einer gehoben anspruchsvollen Erzählweise und ebensolchen Themen einfangen lässt. Das ist durchaus eine künstlerische Leistung. Mank ist genau das Gegenteil. Es erzählt einen unglaublich einfachen Plot unnötig kompliziert. Ich wünsche Fincher nicht, dass sein Name für die Ewigkeit nun vor allem mit diesem all zu offensichtlichen Oscar-Bait in Verbindung gebracht wird, der doch, egal wie erfolgreich er werden mag, immer im Schatten von Citizen Kane stehen wird.
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