„Philippika II“ Oder Die Bestie von Gévaudan
TEIL I. Nein, ich kann´s Euch nicht leicht machen – es wird lang werden und komplex, es wird schwierig den vielen Nebenpfaden, Sackgassen und Hauptwegen zu folgen, die uns ins Herz der rechten Finsternis führen, – dahin wo aus dem Konservativen das Reaktionäre und dann der Faschismus hervorkriechen. Haß, Verachtung …
TEIL I.
Nein, ich kann´s Euch nicht leicht machen – es wird lang werden und komplex, es wird schwierig den vielen Nebenpfaden, Sackgassen und Hauptwegen zu folgen, die uns ins Herz der rechten Finsternis führen, – dahin wo aus dem Konservativen das Reaktionäre und dann der Faschismus hervorkriechen. Haß, Verachtung und Gewalt sind nur in ihrer mörderischen Konsequenz einfach. Das komplizierte Knäuel aus Maaßennahmen, Entschuldigungen, Ausflüchten, Vertuschungen, Rechtfertigungen und Zündelei soll uns davon ablenken, die Mörderbanden, die sich in Parlamente und Behörden geschlichen, gedrängt oder eingekauft haben und die auf den Straßen Menschenjagd machen, als genau das zu sehen, was sie sind. Diese Mordrunst der Faschisten (aus dem Salon und von der Straße) wird geboren aus Angst und Minderwertigkeitsgefühl und unverhohlener Freude daran, sich selbst durch das Zerstören anderer aufzuwerten…es sind die geheimen Träume der „bürgerlichen Mitte“, die sogar den Staatsstreich in Kauf nimmt, um die Macht zu behalten… Suchen wir also der modernen Bestie von Gévaudan auf die Spur zu kommen.
Rund zwanzig Jahre vor der französischen Revolution wütete die Bestie von Gévaudan, eine historische Provinz im Zentralmassiv. Ihr fielen, nach unterschiedlichen Berichten, fast 100 Menschen zum Opfer. An einer Treibjagd waren 20.000 Jäger beteiligt. Zahlreiche Wölfe wurden erlegt, die man für die Bestie ausgab. Wirklich identifiziert wurde das Untier nie. Es ranken sich bis heute Ängste, Vermutungen, Geschichten und Hypothesen um die blutigen Todesfälle. War es ein tollwütiger Wolf, ein ganzes Rudel, eine Hyäne oder ein entlaufener oder gar freigesetzter Löwe aus einem privaten Gehege? Literatur und Film weiteten den Mythos aus und präsentierten sogar einen eigens gezüchteten Trum, der die Region in Verzweifelung, Depression, Angst und Schrecken versetzen sollte und der einen Herrn hatte, der ihn aus Rache oder sogar aus Genuß am Terror als Mittel der Herrschaft auf die Menschen losließ.
Einige Stimmen solcher Genußmenschen:
Mathias Matussek, Twitterjournalist am 28.8. zu den Vorfällen in Chemnitz:
Meine Sicht auf die Dinge: wir steuern auf den Bürgerkrieg zu bzw. werden dahin gesteuert von einer verantwortungslosen und Institutionen zerstörenden Politik, von verbissenen und aggressiven Weltverbesserern, in den Medien. Und einem wachsenden äußerst gerechten Widerstand von unten…
AfD-Granden zur Menschenjagd in Chemnitz:
Markus Frohnmaier, AfD
Heute ist es Bürgerpflicht die todbringende Messermigration zu stoppen!
Alexander Gauland
Selbstverteidigung ist mit Sicherheit nicht Selbstjustiz!
und
Unser Schlachtruf ist töten!
– Schrei des Mobs in Chemnitz
Depression und Macht
Nach meiner Philippika „Ein letzter Blick in die Runde“ wollte ich eigentlich das Tempo wechseln und mit sehr persönlichen Erfahrungen klarmachen, daß das Private selbstverständlich politisch – und die „Depression“, die man mir vor vielen Jahren attestiert hatte, nicht die meine, sondern eine der Gesellschaft ist. Ich bin inzwischen überzeugt, daß es keine Depression gibt. Das ist eine probate Diagnose, die das tatsächliche Leiden – damit wir uns richtig verstehen, das Leiden habe ich nie geleugnet – sehr bequem in die Verantwortung des Einzelnen abschiebt: soll er sich doch Selbstoptimieren, wenn nötig mit Hilfe von „Verhaltenstherapie“ und obligaten Psychopharmaka.
Tatsächlich ermöglichen die Diagnose Depression und deren angebliche Therapien nebst Medikamenten in Wahrheit das medizinisch abgesegnete und angestrebte Brechen des Einzelnen, um dessen Unterwerfung und Anpassung an Herrschaftsverhältnisse zu erreichen. Wer politisch-ökonomische Macht hat oder anstrebt wird nicht „depressiv“ – es sei denn, sie/er spürt die Ungereimtheiten der Verhältnisse oder wird von des Gedankens Blässe angekränkelt. Die robusteren Charaktere wie Angela Merkel, Hans-Georg Maaßen, Björn Höcke, Frauke Petry oder Christian Lindner (huch, den gibt´s ja auch noch!) werden nicht depressiv. Depression ist ein Zeichen des Unbehagens über das Auseinanderfallen vom Ich und „seiner“ Gesellschaft – was als Therapie anempfohlen wird, ist die Verdrängung dieses Unbehagens und das Wiedereinfügen in die Verhältnisse; zur Zeit in die Verhältnisse des „Sie kennen mich!“- und bald das Einfügen als „Volksgenosse“ unter der Parole „Wir holen uns unser Land zurück!“
In den Untiefen dieser komplexen Zustände, der reflexhaften bürgerlichen Beschwichtigung und des klammheimlichen „mit den Wölfen Heulens“, finden sich die wahren Ursachen der völlig hysterischen und jetzt auch gewalttätigen Lage unserer rechtstoll gewordenen Gesellschaft. Sie fordert vom Einzelnen, paradoxerweise in einer Massenbewegung, die keinen ausläßt, eben jene Unterwerfung, die die Abtötung des natürlichen Gerechtigkeitsempfindens und die Zerstörung des Ich- und des Mitgefühls bedeutet. Hinter der rabiaten Verunglimpfung und dem Drang zur Vernichtung von Mitmenschlichkeit, die unter dem üblen Schimpfwort „Gutmenschentum“ genußvoll zerstört wird, steckt ein rücksichtsloser Zwang zur Normierung und Unterordnung, ja zum Brechen des Individuums. Ist es da ein Wunder, daß Einzelne und die Gesellschaft in Depression oder Aggression verfallen?
Diese Depression und Aggression werden gnadenlos befeuert von denen, die brechen wollen und noch gnadenloser angestachelt von denen, die schon längst gebrochen sind wie es etwa bei Figuren wie Matthias Matussek zu vermuten steht. Oder sie wüten gleich nackt und physisch wie jene SA-Schlägertrupps in Chemnitz und Köthen. Ihr „Endziel“: andere zerstören, die beim Zerstören nicht mitmachen wollen oder können, einfach weil sie anders oder schlicht anständig sind.
Der Faschismus ist eigentlich die Wut auf den Nicht-Gebrochenen, Nicht-Angepaßten, auf jenen, auf den aus klarer Humanität Rücksicht genommen wird/werden sollte und der bereit ist, diese Rücksicht auch selbst auszuüben. Die rechte Gewalt verdrängt allerdings, daß man selbst mit Sicherheit einmal derjenige sein kann, der zu den „Anderen“ gehört und dem Rücksicht, Behutsamkeit und Zuwendung zustehen als Menschenrecht. Dabei geht es nicht um Charity oder Sozialarbeit, die Wohlverhalten, Nackenbeugen und untertänigsten Diener verlangen; denn das ist, wie schon Pestalozzi von solcher Art Wohltätigkeit sagte, das Ersäufen des Rechts im Mistloch der Gnade. Es geht weder um Lebensmitteltafeln, Caritas, Diakonie oder einen Ball der Frau Ohoven, sondern, um es pathetisch zu sagen, das Recht als condition humaine. Gerade dieses Zerschlagen der Menschenrechte, bei einem wird es nicht bleiben, hat die sich tweetend megärenartig aufführende Beatrix von Storch im Sinn, wenn sie fordert, das Recht auf Asyl in eine Gnade, also Willkür, abzuändern.
Persönlicheres zum Thema Depression muß warten, denn was gerade in Deutschland passiert, hat zwar auch mit Depression zu tun, aber vor allem mit der daraus ebenso folgenden lebensgefährlichen Lust an der Zerstörung, die keine Befreiung bietet, sondern bloß eine Explosion.
Und davon habe ich jetzt die Nase…nein, ganz deutlich: Ich habe die Schnauze voll! Was sich in Chemnitz, Kandel oder Köthen, in Internetforen, Parlamenten und Berliner Hinterzimmern an Gewalt und grinsend zur Schau getragenen Zynismus fläzt, hat Auswirkungen bis in die gesellschaftlichen Kapillargefäße. Wir erleben eine zivilisatorische Enthemmung – noch deutlicher: eine Dezivilisierung – wie seit Beginn der 30er Jahre nicht mehr. Und in der Tat, hier stimmt die Floskel, sie kommt nicht von den Rändern diese Enthemmung, sondern direkt aus der Mitte; von beschwichtigenden Verfassungsschützern oder wird en passent als konservatives Mantra: jaja, die Rechten können sich nicht benehmen, aber die Linken, die Linken bedrohen Eigentum und Staat… heruntergeleiert.
Einen Tag vor den Menschenjagden in Chemnitz lugte das Politikkindergartenkind Kristina Schröder, die mal Familienministerin sein durfte, wohl damit sie kusch war im CDU-Laufstall – nach solchen Kriterien besetzt die Kanzlerin Posten mit Leuten, die sie entweder einhegen muß oder gleich kaltstellt, dutzi-dutzi! – …es lugte also Kristina Schröder mit einem Geplapper in die Öffentlichkeit, das ihr ohne Zweifel von den erzreaktionären Männern der CDU eingeflüstert worden war: eine emanzipatorisch denkende Frau kann gar nicht so dumm sein. In der WELT ließ Schröder verlauten:
Der Kampf gegen rechts zielt auf die bürgerliche Mitte.
Aha – die Mitte ist also bedroht von jenen, die sich gegen Faschisten wehren, doch nicht von jenen, die mit allergrößter Lust die Demokratie zuschanden reiten? Demokratie ist aber keine Veranstaltung für konservative Bürger. Deutschland ist, wie Frau Schröder leider zurecht wähnt, noch immer das Zipfelmützenland, das weiterschlafen will. Der Kampf für die Demokratie und die notwendige Wachsamkeit wecken, stören und überfordern die Bräsigen, die Gefolgschaft der Mitte und des Mittelmäßigen, die Spießbürger – ach was, Bürgerliche sind immer spießig!!!, die Kurzsichtigen und Kurzatmigen, jene satten Sofasitzer der zweiten Spitzweg-, der Kohl-Merkelzeit, jene Leute also, die ich schon vor fast zwei Jahren einmal beschrieben hatte: die Vampirgrafen Koks und Krolock, die sich einen Ausputzer halten, einen Caliban (wie treffend, daß sich „Taliban“ darauf reimt), einen verwachsenen Kukul, der die Drecks- und Blutvorbereitungsarbeit für sie macht und dann mit Bröckchen abgespeist wird, damit er still hält.
Aber Kukul, der Trumm, Kukul-Weidel, Kukul-Gauland, Kukul-Höcke halten nicht mehr still; die Bluthunde sind von der Leine gelassen. Auch eine Emanzipation; sie sind die Abfall-Produkte der Bürgerlichkeit und des Konservativen.
Gewiß sind die klammheimlichen bis lautsprecherischen Anstifter und Nutznießer der Gewalt (von Frohnmaier bis Meuthen, von Kubitschek bis Klonovsky) fraglos übler als jene Maulhelden und Schlägertypen, die auf den Straßen von Chemnitz marodierten. Noch schlimmer jedoch sind jene, die mit Geifer zuschauen und sich quasi daran aufgeilen, weil Chemnitz ihnen noch Grausameres verhieß und ihre Freßgier weckte. – Die AfD-Adepten kobolzen bereits in den KZ-Gedenkstätten…und frohlocken in den Parlamenten:
Stefan Läpple und Hans Peter Stauch, beide AfD-Mitglieder des Landtags in Baden-Württemberg, ließen auf Twitter verlauten und kamen sich dabei wie alle agents provocateurs ganz großartig vor:
Falls ich später mal gefragt werden sollte, wo ich am 27. 8. 2018 war, als die Stimmung in Deutschland kippte. Ja, ich war in Chemnitz dabei!
Wir müssen nicht zum siebenundachtzigsten Male die Lügen von der „Mutter aller Probleme“, der angeblichen Überfremdung, den kriminellen Ausländern, den massenhaften Messermördern und Vergewaltigern widerlegen. Es sind und bleiben Lügen, die zugeschüttet werden mit dem Dreck von Heimat und Vaterland, von angeblichem Schutz vor der Kriminalität der Fremden, der Andersartigen – denn nach den Flüchtlingen nehmen sie sich wieder die Juden vor und die Schwulen, die Roma und Sinti und hören nicht auf, bis alles in Scherben fällt…
Wer von Heimat und Vaterland anfängt und das sogar aus einem eigenen Verdummungsministerium heraus, der soll schon mal die neu-alte Gedenktafel in massenhaften Bildhauerauftrag geben, jene für die, die bei Sparta gefallen sind, wie das Gesetz es befahl.
Wer Björn Höckes mörderische Visionen von der neuen „Führer“rolle Deutschlands in Europa nur ansatzweise vor seinem geistigen Augen erstehen lassen kann – Höcke verbreitet sie in seinem Interviewbuch „Nie zweimal in denselben Fluß“, – Manuskriptum-Verlag“ – der muß mit Ekel spüren, daß wir uns bei deren Folgen Gewalt, Unrechtsherrschaft und „arische Kriegerdenkmäler“ einhandeln werden.
Wenn der Horstminister das Vaterland, die Söderheimat und den Leitkulturbeutel noch jenen in die grölenden Rachen stopfen würde, die wie vor 90 Jahren geschlagen waren von Elend und Inflation oder heute von neoliberaler Tollwut zerbissen sind, könnte man noch sinistren Ruhigstellungsinn dahinter vermuten – doch selbst diesen Heimataffenzirkus veranstaltet man nicht für sie, sondern für die bürgerliche Mitte, damit sie Talmi zum Spielen hat. Die anderen, die Deklassierten, sind eh wurscht, diese Effizienzsaboteure, denen man das sonst verpflichtende „enrichissez-vous“ sowieso verweigert.
Gewiß gibt es ein Millionenheer an HartzIV-Abgehängten (von wegen Vollbeschäftigung und „das Land brummt“) – die sind allerdings durch den Papierkrieg, den sie für jeden müden Euro, um sich ein Paar Schuhe leisten zu können oder den Zuschuß für ihre Diabetesdiät oder 80 Cent für monatliche Schnittblumen, so zermürbt, daß sie nicht mehr rebellieren. Und sie hocken ängstlich zitternd wie das fortwährend geschlagene Kind unterm Treppenabsatz, um bloß nicht unter die Zwangsmaßnahmen der Sanktionen zu geraten – die nichts anderes sind als jener uralte Nahrungsentzug mit dem die Schwarzpädagogen unfolgsame Kinder bestraften. Diese Menschen machen keinen Lärm mehr, weil sie den nächsten Nackenschlag zur Disziplinierung fürchten. Und der autoritäre Mittelstandbürger nickt dazu beifällig und murmelt was von Arbeitsdrückebergern und den Verweigerern der Maschmeyer- Lebensversicherungsindustrie.
Wer wirklich schreit und nölt, das ist jener pappsatte Sachse, der neulich in „Panorama“ jeimelte, er habe keine Freiheit mehr. In der DDR, da habe er noch gekämpft und sei auf die Straße gegangen! So sah er auch aus!: – um „seine Freiheit“ besorgt, als wäre die erstens ein Besitz und der seine – und zweitens war ihm seine Freiheit auf Nachfrage deshalb wichtig, weil er „reisen“ wollte – mit TUI! Es ging ihm gar nicht darum, die Welt kennenzulernen – nein, die Mallorca-Welt mußte ihm sein tägliches Schnitzel liefern und zwar überall und jederzeit, die Welt, die Fremden, sollten sich ihm „anpassen“ – und er hatte das Recht solche Unterwerfung zu fordern, denn er war ja deutsch und das genügt – ob er ein Mensch unter vielen anderen war, daß Freiheit immer auch die dieser anderen ist, das kam an zweiter Stelle, wenn überhaupt. Menschliche Gleichwertigkeit kennt so ein auserwählter Deutscher nicht! – Wobei hierher noch die Fußnote gehört, daß das Schnitzel ja aus Österreich stammt – aber Sch…egal, das holt dieser Deutsche ja bald wieder als Ostmark IN DAS DEUTSCHE REICH unter Applausgebraus am Heldenplatz, auf dem zuvor sicher so schöne Jagdgesellschaften wie in Chemnitz stattfanden. Und der Herr Kurz wird Ostmarkverweser und Herr Savini wirft dem Politjüngling verliebte Kußhändchen zu; es sei denn, es geht um Südtirol.
Es hilft nichts: ich muß ihn mal loswerden, diesen Ekel, über jene unerträglich duckmäuserische Chemnitzerin, die am Rande der Ausschreitungen von RTL nach „ihrer Meinung“ gefragt wurde:
Jo, scheen is dit nich´, aber die Aousländer sollten sisch doch auch hier aonpassen an unsere Sitten und Gebreuche, dann würde das nich´ paossieren!“
Damit wir uns recht verstehen: sowas wie Thüringische Geistesklöße und sächsischen Bliemchengaffeersatz, nämlich ruhrgebietliche Büdchenjammerei, kriegt man auch in Westländern vorgesetzt, wie uns der SPD-Deserteur, Guido Reil, der jetzt großmäulig bei der AfD herumturnt, gezeigt hat – oder siehe auch die bereits erwähnten Schandflecke im Baden-Württembergischen Landtag.
Thomas Bernhard ist tot – ich muß für ihn einspringen: Das ganze Land ist durchsetzt von gefühlsstumpfen Dummköpfen, Stänkerern, destruktiven Charakteren, die Urständ feiern wie Kannibalen kurz bevor das Wasser kocht. Aber das ist das Ergebnis, wenn Mutti brave und gehorsame Kinder erwartet, deren Unbehagen darüber am Ende explodiert. Der ganze neofaschistische Unrat brodelt direkt aus den überschwemmt-übersättigten Gullys der Kleinbürgerlichkeit – und meinethalben auch der Großbürgerlichkeit, die via Schweiz die AfD finanziert, deshalb laufen die Geschäfte ja auch so gut!
Es ist das Bürgerlich-Konservative, das mit Zähnen und Klauen von Kristina Schröder bis Markus Söder verteidigt wird, von Bild und Focus und Cicero und dergl. Unratsanpreisern. Das Bürgerlich-Konservative ist nichts weiter als ein Bremsklotz der Zukunft und des Neuen – ein Embonpoint mit Bügelfalten und Tischsitten. Die konservative Mitte, das sind patriarchal-autoritäre Dummköpfe, die das Lebendige aufhalten, unterdrücken, weil sie sich davor fürchten wie das Kind, das zum ersten Male allein in den Keller soll. Und das Geschwätz von Konservativen Revolutionen und Aufbrüchen ist in Wahrheit nichts anderes als das „Müde bin ich, geh zur Ruh, schließe beide Äuglein zu!“
Was habe ich Luise Hensel, deren Gartenhaus damals in Sichtweite lag, schon in meiner Kindheit verachtet und gespürt, wie verlogen diese folgsame Frömmigkeit war, denn ich erlebte doch am eigenen Leibe, daß die Leiden des Tages in der Nacht als Alpträume zurückkehrten und daß das Augenschließen nichts veränderte, sondern diese Leiden noch verstärkte. Die Hensel gerierte sich als armselige Taschenausgabe der Droste – Annette aber wußte, daß das Wegschauen nicht den Himmel, sondern ganze Höllen aufschließen konnte.
Das Augenschließen ist wieder probates Mittel der Bürgerlichen, speziell des Herrn MP Kretschmer oder des Ex-Verfassungsschutzchefs Maaßen, damit sie nicht ansehen müssen, wie die von der Leine gelassenen Carnivoren sich blutig-gütlich tun. Kinder halten sich beim Heranrücken einer Bedrohung die Augen zu, weil sie glauben, dann würden sie nicht gesehen und kämen davon. Auch Toten schließt man ja die Augen, damit wir vor ihren Blicken die Grabesruhe haben – Grabesruhe ist die erste Bürgerpflicht – während die Zombies – und zwar die rabiate Sorte – über den Deutschlandfriedhof rast. Na, und wenn dabei ein paar sowieso fremde Ausländer draufgehen, ein paar Juden, Roma, Sinti, Feministinnen, Genderbeauftragte, Klimabesorgte, Gutmenschen, Homo- und Transsexuelle, nicht Leistungsfähige, Behinderte, Nachdenkliche, Unangepaßte sind sie selbst schuld. Denn wie sagten unsere Großväter und Väter doch so treffend: ja, das mit den Juden hätte der Hitler vielleicht nicht machen sollen, aber es wird schon was dran sein, was man ihnen nachsagt. Die sind nicht so wie wir. Aber wir sind wir!
Also, hör mal Jude, da vorne an der Kante, da ist es noch dreckig, da mußt Du mit deiner Zahnbürste noch mal ordentlich schrubben. Sowas können wir nicht durchgehen lassen. Hier herrscht deutsche Sauberkeit! Höhö, guckt mal, wie der flott wienert, wenn ein Deutscher ihm Bescheid stößt.
Sauberkeit und Ruhe und Ordnung und die Freiheit mit Ryan-Air und freie Fahrt für freie Bürger – übrigens einer der wichtigsten Punkte im AfD-Parteiprogramm und Herr Scheuer nickt dazu…
Trotz des augenblicklichen Geraffels und Getöses der Kukuls – das dahinter steckende Bürgertum ist und bleibt rückständig und rümpft höchstens wegen des mangelnden Benimms die Nase; es will nicht wirklich Veränderung und Zukunft. Es will den ungestörten Schlaf und zwar unter der warmen Decke, die man anderen nicht gönnt. Anstatt aber für die Zukunft notwendige Unsicherheiten zu riskieren, bedient man sich, um Wohlgenährtheit und Schlummer zu sichern, der Risiken der Vergangenheit: man hält und beschützt Wachhunde, die schon mehrmals ausgebrochen sind und Blutbäder angerichtet haben. Naja, denkt man sich: wenn die Hunde genug Fleisch für sich finden, bleibt uns das unsere umso sicherer.
Die AfD mit ihren Volksgenossen, eine Zusammenrottung schmerzbefreiter Reaktionäre, macht blutigen Ernst; das Ziel aller zynischen Grausamkeit ist immer das Gleiche. Das sahen wir bei den „Trauermärschen“ von Köthen und von Chemnitz – als Spießbürger im Beerdigungsanzug verkleidet zeigte dort allen voran Björn Höcke, wie wichtig für Faschisten Trauermärsche und Beisetzungen sind, tote „Helden“ mucken nicht mehr auf! Wie hieß es in einem der frühen Propagandafilme der Nazizeit, „Morgenrot“ (1933):
Wir Deutschen mögen vielleicht nicht zu leben verstehen, aber sterben, das können wir.
Davon zeugte die künstlich aufgesetzte Leichenbittermiene des Goebbelsimitators: ein Gesicht wie von Arno Breker modelliert. Faschisten sehnen sich insgeheim wie schon der Bürger, der sie beauftragt, nur noch fanatischer, nach Unveränderbarkeit, nach dem ewig gleichen Oben und Unten, nach menschenverachtender Hierarchie und wieder nach Thanatos-Grabesruhe. Davor darf´s ein bißchen Menschenjagd sein wie beim Herrn Gauland, Weihepomp und Redengeschwinge wie bei Björn Höcke, eine Menge Raffgier wie bei Alice Weidel – und bei allen das Vergnügen daran, Unterlegene über die Klinge springen zu lassen. Tief innen drin wissen sie, daß ihre Handlungen zum Tode führen.
Das Gequake von Volk und Vaterland des Führers nahmen auch die Obernazis spätestens seit Stalingrad nicht mehr Ernst. Das einzige Ziel des Faschismus, der auf den zwangsläufigen Tod von allen und allem, aller Ideale und Menschen hinauslaufen muß, hat keiner aus der Verbrecherbande ehrlicher formuliert als Hermann Göring. Als er das Todesurteil von Nürnberg vernahm, kommentierte er „Wenigstens ein paar Jahre anständig gelebt…“ – und er meinte natürlich „hemmungslos“: hemmungslos gejagt, hemmungslos geraubt, ausgebeutet, gefoltert, ungestraft gemordet und vernichtet; er meinte „sein“ Vergnügen vor dem Tode. Und selbst als er „wie Hannibal starb“ – so schrieb er in seinen letzten Zeilen – bereitete ihm auch das noch tödliches Vergnügen, seine Richter auszutricksen.
Hat sich bis heute etwas wirklich verändert? Das Bürgertum, die Konservativen und die Liberalen nicht zu vergessen, ein Rhizom des Bürgertums, sind eine mafiose, präfaschistische Veranstaltung, die von allem den Preis kennt, aber von nichts den Wert – und nebenbei dem Pöbel Glasperlen verscherbelt wie Heimat und Vaterland, Volksmusik und Trachtenjanker und wie Pizarro Kreuze verteilt und damit die Naiven missioniert, nur um sie später doch hopps gehen zu lassen. Warum sollte Söder sonst Dauergrinsen?
Wenn uns der „Liberalen-Flügel“ vormacht, mit der „marktkonformen Demokratie“ (Angela Merkel), der gleisnerischen „sozialen Marktwirtschaft“ oder mit der Befreiung von Erwerbshindernissen (aktuell: Mietpreisbremse), werde die Zukunft vorbereitet, so lügen sie schlicht. Denn auch sie wollen die Machtverhältnisse nicht ändern, nicht die Beherrschung des Einzelnen, nicht die Ausbeutung von allem: Gefühlen und Vernunft, Wissen und Gemeinschaft, Individualität, Leben und Tod, Liebe, Sexualität, Schwangerschaft und Sterben, sie wollen nur meistbietend verscherbeln.
Manchmal erfährt man von Nebenfiguren in Nebenbemerkungen unbeabsichtigt die Wahrheit. Christoph Giesa, erfolgloser Spitzenkandidat der FDP in Rheinland-Pfalz im Jahre 2010, der sich tapfer als AfD-Aufklärer müht, zeigte in einem Kommentar unbewußt nicht bloß die neoliberalen Gemeinsamkeiten von FDP und AfD, gegen deren Nachweis er sich wehrt wie der Teufel gegen´s Weihwasser, sondern auch die gemeinsame neoliberale Menschenverachtung, die Anpassung und bedingungslose Unterwerfung fordert.
Das also ist die bürgerliche Liberalität, die das unbedingte, blindwütige Mitmachen fordert und nur den Ausweg des Verreckens übrig läßt – anders als die AfD verkauft der Liberal-Bürgerliche dieses Mitmachen aber als Verlockung; der einzige Unterschied liegt also im Vokabular, in den Tischsitten.
Das Liberal-Bürgerliche ist reaktionär bis zum Tode – es verändert die angeblich unausweichliche Totalität des Ökonomischen nur wie ein Taschenspieler seine Requisiten – wie ein Zauberer, der aus der zerrissenen Zeitung dann doch wieder genau die gleiche vollständige Seite herausholt und sie ein zweites Mal verkauft. Und wenn die Menschenrechte Umsatz bringen, dann sind sie halt gelitten bis sie keinen mehr generieren! Wenn alles so bleiben soll wie es ist, muß sich alles augentäuschend ändern wie beim Taschenspielertrick mit der zerrissenen Zeitung!
Meine Güte – stecken wir mit unserem Konservatismus, dem Goldenen Kalb der Mitte, das nichts weiter ist als ein Verdauungsprodukt der Angst und Bequemlichkeit, der Selbstbereicherung, der verlogenen Moral in eben demselben. Das sei Kristina Schröder mal ganz drastisch aufgetischt und Andrea Nahles sowieso.
In der Tat kann man die erneute rasend schnelle Ausbreitung des Faschismus im deutschen Klein- bis Großbürgertum (die anderen spielen sowieso keine Rolle oder hecheln in Sahra Wagenknechts „Aufstehen-Bewegung“ der Post-Honneckervollverspießerung hinterher) als Symptom des Unbehagens an sich selbst verstehen, von dem ich zu Beginn sprach – aber dieses schmerzhafte Unbehagen wird in der Regel ganz schnell verdrängt durch das imaginierte Unbehagen am Anderen. Der Lügenaufschrei des rechten Mobs in Chemnitz und Köthen, das Geplärre von AfD, PEGIDA und wie die anderen faschistischen Rotten alle heißen, über bedrohte Sicherheit, Sauberkeit, Heimatland und Deutsches Wesen, gleicht der Klage der vorgeblichen Verteidiger der Unschuld, über die Karl Kraus sagte: ihr Virginitätsideal sei das Ideal derer, die entjungfern wollen. Und sie wollen noch mehr: sie wollen nicht bloß entjungfern, sondern auch noch alles, was seit 1789, dem Beginn der französischen Revolution, seit 1948 mit der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und seit 1968, dem Versuch, dem restriktiven Patriarchat endlich die Macht zu entreißen, an Bestrebungen zur Humanität, und der Verwirklichung von Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – die ganz wilde, neue, zukünftige Dinge sind – zerstören.
Meuthen, Gauland, Höcke und ihre Spießgesellen und die dumpfe Menge, die gar nicht will, daß man mit ihr redet, sondern zerschlagen, kaputthauen, weil das nicht so anstrengend ist wie auf einander zugehen, wirklich miteinander sprechen und gemeinsam eine Zukunft zu gestalten, setzen sich fatalerweise zumeist aus alten Männer zusammen, die noch mal die Sau rauslassen und das Leben, das sie nicht begriffen haben, zuschanden hauen wollen.
Diese komplexen Tatsachen, die wahren Antriebe für Haß, Hetze und Gewalt – ja, das Unbehagen an sich selbst, die Sehnsucht nach Stillstand und Zombietod werden leider von gewissen Figuren und Institutionen verschleiert, Akteuren, die den Menschen Bilsenkraut der Sinnestrübung ins Ohr träufeln wie Hamlets Onkel Claudius seinem eigenen Bruder.
Ich meine Politiker, denen es um die eigene Macht geht, nicht das politische Gestalten – solche Zweitbesetzungen meine ich wie Jens Spahn, Christin Lindner oder Philipp Amthor; ich spreche von Politberatern und Meinungsforschern wie Werner Patzelt oder von Faktenklitterern wie Thilo Sarazzin, die ihr eigenes Süppchen kochen; ich meine schamlose Philosophen der Selbstbeweihräucherung wie Peter Sloterdijk oder der Eitelkeit und Arroganz wie Daniel-Pascal Zorn, der sich und anderen Illusionen macht über eine Redekur für Rechte.
Die „bürgerlichen“ Parteien (CDU, SPD, Grüne und sogar die Linke) und ihre Politiker stehen ratlos der aufbrechenden Gewalt und Demokratiemißachtung gegenüber, weil Demokratie, Ökonomie und allgegenwärtiger Konsum für sie das Gleiche sind. Da sie die Gründe für das demokratische Desinteresse, den Widerwillen an Demokratie nur im Ökonomischen suchen – und kläglich entsprechende Lösungen, also materielle Dressurhäppchen fürs Stillhalten anbieten – Mindestlohn, Herdprämie, HartzIV-Erhörung um 5, 75 Euro etc. – schwafeln sie von den ökonomisch und sozial Depravierten. Dabei merken sie gar nicht mehr, daß die Rechten und ihre kaum verkleideten Ausläufer ins Bürgertum, ihr Geifern, Wüten, ihren Haß und ihre Gewalt orgiastisch genießen. Man beobachte nur einmal die orgasmusentspannten Gesichter von Alice Weidel oder Björn Höcke nach einer bejubelten Rede. Es ist ein Orgasmus der Destruktion.
Diese Destruktion meint die Vernichtung dessen, wofür die gerade genannten drei epochalen Daten stehen. Was da geschah, waren Anfänge von Paradigmenwechseln: Wechsel von der Beherrschung vieler durch wenige zum Mitgefühl. Wechsel, die durchaus verunsichern und den Wunsch wecken, alles möge so bleiben wie es ist; und damit es so bleibt, ist man willens und fähig zu zerstören. Man wehrt sich unverständig und trotzig gegen einen evolutionären Schritt des Menschlichen raus aus dem Sozialdarwinismus. Ein Paradigmenwechsel, den viele fürchten, denn er bedeutet auch Privilegienverlust – als Mann, als Deutscher, als Besitzender…
Das Wehren gegen diesen evolutionären Schritt gleicht dem Widerstand, der bis heute, selbst in Bayern oder Sachsen, von Texas oder Idaho ganz zu schweigen, der Evolutionsidee entgegengebracht wird; und Evolution ist eben nicht nur eine biologische Tatsache, sondern auch eine soziale und kulturelle. Es ist wohl immer noch leichter, sich eine ad-hoc Schöpfung vorzustellen, die aber totalitäre Machtverhältnisse voraussetzt, als eine Welt, in der der Mensch ein Tier unter Tieren ist und damit alles Leben gleichwertig – und vor allem alle Menschen gleichwertig sind. Das leugnen Faschisten stets! Und die braven Bürger kammheimlich auch. Sie halten sich für Götter; auf diesen Irrglauben werde ich noch zu sprechen kommen.
Pause – Ihr könnt einen Kaffee trinken…rauchen aber nur draußen!
Teil II folgt demnächst bei DieKolumnisten
Schreibe einen Kommentar