Akif Pirincci – Der Strafbefehl
Wegen Volksverhetzung stellte das Amtsgericht Dresden dem Autor Akif Pirincci einen Strafbefehl über insgesamt 11700.–€ zu. Das ist keine Verurteilung. Aber was ist eigentlich ein Strafbefehl?
Ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren kann auf verschiedene Arten beendet werden. Stellt die Staatsanwaltschaft fest, dass die dem Verfahren zugrunde liegende Beschuldigung und der sich daraus ergebende Verdacht sich nicht nachweisen lässt, stellt sie das Verfahren ein.
Meint sie, dass zwar eine Schuld feststellbar sein könnte, diese aber dann doch sehr gering wäre, kann sie das Verfahren ebenfalls sanktionslos einstellen. Stellt sie eine geringe Schuld fest, bei der aber das öffentliche Interesse an einer Strafverfolgung auch durch Erfüllung einer Auflage, meistens einer Geldzahlung an einen gemeinnützigen Verein oder auch an die Staatskasse, beseitigen ließe, kann sie mit Zustimmung des Gerichts ebenfalls einstellen, wenn der Beschuldigte damit einverstanden ist.
Wenn die Staatsanwaltschaft davon ausgeht, dass die Ermittlungen eine Verurteilung wahrscheinlich erscheinen lassen, dann klagt sie die Tat an und es gibt eine Hauptverhandlung. Oder aber, sie versucht es mit einem Strafbefehl. Klingt ja martialisch. Zu Befehl! Jawoll! Stillgestanden! Tatsächlich klingt das aber viel mächtiger als es in Wirklichkeit ist.
Ein Angebot mit Tücken
Mit so einem Strafbefehl, den die Staatsanwaltschaft beim zuständigen Gericht beantragt, wird dem Beschuldigten lediglich ein Angebot unterbreitet, eine Strafe ganz ohne Hauptverhandlung zu akzeptieren. Das geht nicht bei allen Straftaten, sondern nur bei Vergehen, also nicht bei Verbrechen. Klingt vielleicht gut, ist aber nicht ohne Tücken.
Der Beschuldigte bekommt ein Zwitterding aus Anklageschrift und Urteil zugestellt. Im Falle des „kleinen Akif“ also das freundliche oder auch unsittliche Angebot, wegen Volksverhetzung mit einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen à 65 Euro belegt zu werden. Das kann der jetzt akzeptieren oder auch nicht.
Auch wenn diverse Zeitungen und Onlinemedien bereits von einer Verurteilung Pirinccis sprachen, genau das ist ein Strafbefehl nicht. Wie auch? Es gibt ja gar kein Urteil. Vielmehr macht das Gericht dem Beschuldigten mit dem Strafbefehl nur klar, dass es ihn bezüglich der ihm vorgeworfenen Straftat für hinreichend verdächtig hält. Nicht mehr und nicht weniger.
Die Uhr tickt
Ab der Zustellung des Strafbefehls hat der Beschuldigten nun zwei Wochen Zeit, sich gegen diesen zu wehren. Er kann selbst oder auch durch einen Verteidiger Einspruch einlegen. Der Einspruch muss innerhalb der zwei Wochen beim Gericht eingegangen sein. Es reicht also nicht, den am letzten Tag der Frist in einen Briefkasten zu werfen, es sei denn es sei der Fristenbriefkasten des Gerichts. Am sichersten macht man das, indem man den Einspruch selbst beim Gericht abgibt und sich den Empfang bestätigen lässt oder per Fax, was ausreicht.
Hat man den Einspruch rechtzeitig eingelegt, dann verwandelt sich der Strafbefehl automatisch in eine Anklageschrift und das Verfahren geht seinen ganz normalen Gang mit Hauptverhandlung inklusive Beweisaufnahme, Plädoyers und Urteil.
Keine Pussy
Wieso Staatsanwaltschaft und Gericht in Dresden im Fall Pirincci ernsthaft annehmen konnten, dieser würde sich einfach so und völlig geräuschlos bestrafen lassen, ist mir schleierhaft. Ein Beschuldigter wie Pirincci, der gerne auf großer Bühne mit starken Worten kräftig austeilt und meint, alles was er an Fäkalvokabular aus seinem Kopf sprudeln lässt, müsse von der Meinungs- oder der Kunstfreiheit gedeckt sein, wird wohl kaum vor einem Amtsgericht in die Knie gehen. Da würden seine Fans den Katzenkrimiautor doch für eine Pussy halten.
Nö, der wird das Ding mit Freuden durchziehen. Wenn es sein muss, bis zum Bundesverfassungsgericht oder gar zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.
Dass er sich gegen den Strafbefehl wehren wird, hat er auch schon vollmundig auf seiner Facebookseite verkündet.
Sollte er tatsächlich „Widerspruch“ statt „Einspruch“ eingelegt haben, macht das nichts. So pingelig ist die Justiz da nicht. Hauptsache, man macht deutlich, dass man den Strafbefehl nicht akzeptiert. Das Gericht legt das schon richtig aus. Sprüche wie, Sie können sich Ihren Wisch in den Arsch schieben, könnten allerdings möglicherweise missverstanden werden.
Ob Pirincci mit seiner Kampfansage einen erfolgversprechenden Weg beschreitet, ist schwer zu sagen. Eine Kampfverteidigung muss nicht unbedingt die schlechteste sein.Eine „einzig schreiende Anklage des deutschen Volkes gegen seine Abschaffer“, nun ja. Manch einer glaubt ja er sei das Volk. Spannend wird das allemal.
Den Vorwurf der Volksverhetzung hat die Staatsanwaltschaft damit begründet, dass der Angeklagte bewusst das gesellschaftliche Klima gegen in Deutschland lebende Muslime aufgeheizt habe. Außerdem habe er diesen absprechen wollen, als gleichwertige Persönlichkeiten in der staatlichen Gemeinschaft zu leben. Damit habe er sie im Kern ihrer Persönlichkeit herabwürdigen wollen.
So heißt es in dem Strafbefehl, der bereits kurz nach seinem Erlass im Internet herumgereicht wurde. Pirincci selbst hatte das Original des Strafbefehls mit dem oben gezeigten Post per Facebook geteilt. Ob das nun besonders clever ist, weiß ich nicht. Unzulässig ist es jedenfalls nach § 353d Nr. 3 StGB. Das ist zwar eine ziemlich überflüssige Vorschrift, aber die gilt nun mal noch.
Wo Pirincci wohnt
Der im Netz veröffentlichte Strafbefehl enthält sogar seine Privatanschrift. Nun ja. Er muss wissen, was er tut. Und wenn er seine Anschrift veröffentlichen will, dann kann er auch das machen.
Nun ist nicht jeder so furchtlos und kampfesmutig wie Pirincci. Und da liegt eine der großen Gefahren des Strafbefehlsverfahrens. Die meisten Menschen, vor allem die meisten braven Menschen, legen keinen großen Wert darauf, im Mittelpunkt einer strafrechtlichen Hauptverhandlung zu stehen. Da kann es dann vorkommen – und ich habe das selbst mehrfach bei ängstlichen Mandanten erlebt – dass sie, obwohl sie unschuldig sind, die Einspruchsfrist verstreichen lassen. Nur um nicht vor Gericht erscheinen zu müssen.
Nach Ablauf der Einspruchsfrist entfaltet der Strafbefehl die Wirkungen eines Urteils. Auch der völlig unschuldige Betroffene gilt dann als genauso verurteilt, wie wenn eine Hauptverhandlung stattgefunden hätte. Es kann auch passieren, dass jemand den Strafbefehl gar nicht bekommen hat, obwohl der Zusteller das in der Zustellurkunde behauptet hat. Das Gegenteil zu beweisen ist gar nicht so einfach. Es gibt auch Fälle, wo ein Mitbewohner das Ding hat verschwinden lassen, um den Beschuldigten zu schädigen.
1950.–€ im Monat?
Natürlich gibt es auch die umgekehrten Fälle, bei denen die im Strafbefehl vorgeschlagene Strafe so wunderbar günstig ist, dass der schuldige Angeklagte sie mit Kusshand akzeptiert. Gina Lisa Lohfink wäre z.B. gut beraten gewesen, wenn sie ihren Strafbefehl akzeptiert hätte. Muss aber jeder selbst wissen, ob er zur Dschungelprüfung antritt. Weiß ja jeder wie eklig das werden kann. Häufig beruht z.B. auch die Höhe der Tagessätze nicht auf ermittelten Zahlen, sondern auf einer bloßen Spekulation der Staatsanwaltschaft. Dass z.B. der Bestsellerautor Pirincci nur einen Tagessatz von 65.–€ , Frau Lohfink aber 250.-€ verdienen sollte, er also lediglich 1950.–€, sie aber 7500.- € netto im Monat, kommt mir recht unwahrscheinlich vor. Da müssten die Pirincci-Fans ja für das Verfahren sammeln gehen.
Vor dem Erlass eines Strafbefehls, der dann wenn der Beschuldigte anwaltlich vertreten ist, sogar eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr enthalten kann, wenn diese zur Bewährung ausgesetzt wird, ist es nicht einmal erforderlich, dem Beschuldigten rechtliches Gehör zu gewähren. Es geht halt darum, mit einer summarischen, also mehr oder weniger oberflächlichen Prüfung, zu einem schlanken Abschluss des Verfahrens zu kommen.
Pirinccis Dresdner Rede ist zweifellos eine widerliche. Wer mag kann sie sich auch im Netz noch einmal ansehen. Verlinken werde ich diesen Verbaldreck hier nicht. Aber ob er damit den Straftatbestand der Volksverhetzung tatsächlich erfüllt hat oder nicht, entscheidet weder ein Kolumnist, noch der politische Gegner oder die Pirincci-Fans, sondern ein Gericht. Oder auch zwei oder drei. Vielleicht wäre es ganz gut, wenn Pirincci das Verfahren bis ganz nach oben treibt, damit das Verfassungsgericht noch einmal Gelegenheit bekommt, sich zu den Grenzen der Meinungsfreiheit in den Zeiten von Pegida & Co. zu äußern. Bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung gilt selbstverständlich auch für Pirincci die Unschuldsvermutung.
Manege frei?
Seinem eigenen Post nach, will Pirincci aus dem Verfahren „eine der größten Mediennummern“ machen, „die es hierzulande je gegeben hat“. Ob das Gericht sich zur Manege für einen Medienzirkus machen lässt? Ganz großes Kino verspricht Pirincci und das glaube ich ihm blind. Dann stellen wir mal das Popcorn bereit und sehen uns das Spektakel an. Lehrreich wird es auf jeden Fall, so oder so.
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