Mehrere Wiederwahlen sollten möglich sein

Hasso Mansfeld hat für eine Begrenzung der Amtszeit von Bundeskanzlerinnen plädiert. Gastautor Sebastian Dettmer widerspricht.


Die parlamentarische Demokratie hängt nicht an Personen und nicht von ihnen ab. Der Bundeskanzler – oder die Kanzlerin – wird nicht vom Volk direkt gewählt. Es ist auch keine Personenwahl im eigentlichen Sinne. Immer wieder ist es vorgekommen, dass der „Spitzenkandidat“ einer Partei (den es formal in der deutschen Demokratie gar nicht gibt) eben NICHT der Kanzler wurde, oder zumindest nicht die volle Legislatur. Etwa als Willy Brandt 1974 zurücktrat, oder als Kohl per konstruktivem Misstrauensvotum ins Amt kam. Damals gab es eher kritische Stimmen, dass eben NICHT derjenige Kanzler wurde, den die Wähler an der Spitze der jeweiligen Partei und als natürlichen Bundeskanzler sahen. Da ist es schon mal demokratischer, wenn eine Person von Anfang an als Kandidatin benannt wird und es dann auch wird.

Auch der Wechsel ist trotz langen Amtszeiten durchaus möglich. Denn in unserem Verfassungsgefüge regiert ein Kanzler nicht allein. Anders als bei einem – direkt gewählten – Präsidenten (Frankreich oder USA) hat der Bundeskanzler persönlich nur eine sehr eingeschränkte Machtfülle, selbst die der Bundesregierung insgesamt ist deutlich begrenzt, allein schon durch den Bundesrat. Und gerade die Amtszeit von Angela Merkel zeichnet sich durch ständigen Wechsel aus: Von der SPD zur FDP zur SPD … und zu den Grünen?!. Die Macht wird geteilt, sie liegt eben NICHT allein im Kanzleramt. Deshalb kann man eine solche Konstellation nicht vergleichen mit einem präsidialen System.Der Grund für die Beschränkung der Amtszeit des Bundespräsidenten liegt nicht in demokratietheoretischen Überlegungen, sondern in der deutschen Geschichte. Die Väter des Grundgesetzes achteten absichtlich und penibel darauf, nicht wieder – wie in Weimar – einen „Nebenkanzler“ zu inthronisieren, der dank langer Amtszeit und wenig tagespolitischen Schwierigkeiten einer gewählten – und wechselnden – Bundesregierung als Machtzentrum gefährlich werden könnte. Genau aus diesem Grund ist auch eine Direktwahl des Bundespräsidenten nicht vorgesehen und auch nicht sinnvoll.

Der demokratische Wechsel, der notwendig ist, vollzieht sich im Bundestag. Hier gäbe es vielleicht Verbesserungsbedarf, denn Mandatszeiten von 20 oder 30 jahren sind hier keine Seltenheit und viel eher eine Gefahr, dass Verkrustungen und ungute Verfilzungen mit der Macht entstehen. Anfälligkeit für Lobbyismus und „das haben wir immer schon so gemacht“-Mentalität sind hier größer, als im Kanzleramt.

Hinzu kommt, dass die Beobachtung der Realität der Theorie widerspricht. Bisher gab es nur zwei Kanzler – in einem vergangenen Jahrhundert -, die länger als 12 Jahre Kanzler waren. Ob Merkel die Dritte wird, muss sich erst noch zeigen. Aber selbst wenn, wäre das nicht einmal die Hälfte aller Amtsinhaber. Und es zeigte sich schon bei Adenauer und Kohl, dass die Verfilzung mit der Macht eben gerade nicht dazu führte, dass sie quasi unabwählbar wurden, sondern im Gegenteil: Ihre Parteien verloren zunehmend ihre dominierende Rolle und Position. Auch bei Merkels Partei zeigen sich bereits sehr deutliche Abnutzungserscheinungen: Die Prozente bröckeln, eine neue Partei ist entstanden und wird wohl in den Bundestag einziehen. Das sind natürliche Reflexe einer funktionierenden Demokratie.

Wäre das deutsche System und die deutsche Parteiendemokratie so anfällig wie etwa die türkische oder die russische, wäre eine zwingende Begrenzung der Amtszeit sicher ein möglicher Weg. Es ist aber nicht so, sondern ganz im Gegenteil.

Eine Begrenzung der Kanzleramtszeit, nur weil einem die aktuell Regierenden müde, lahm und dennoch alternativlos erscheinen, ist nur eine Operation an Symptomen. Der Grund, warum die deutsche Politik so erstarrt, verfilzt und mutlos daher kommt, ist nicht die mögliche Länge der Amtszeit , sondern es sind viele tiefer sitzende Faktoren im politischen System und der Gesellschaft:

  • Bürokratismus und bis zum Stillstand ausdifferenzierte checks and balances, die kaum noch klare Entscheidungen und Verantwortlichkeiten der Regierungen ermöglichen
  • ein schlechtes System zur Finanzierung des politischen Betriebs, das Sesselhocker und Mittelmaß im Berufspolitikertum begünstigt
  • ein Wahlsystem, das kleinere und neue Parteien benachteiligt
  • überkommene Strukturen innerhalb der Parteien, die fast schon undemokratisch anmuten und eine innere Erneuerung erschweren
  • und eine deutsche Sicherheits-Mentalität, die mehr Angst vor Neuem und Risiko hat, als vor Stillstand und sich einschleifenden Gewohnheiten

Wer das nur mit einer Begrenzung der Amtszeit bekämpfen will, kratzt nur an der Oberfläche.

Sebastian Dettmer

Sebsatian Dettmer (40), Politologe (M.A.), parteilos, freiberuflicher Journalist für den ARD Hörfunk

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