Gentechnik: Das Ende der Malaria

Darf man Tiere gentechnisch verändern? Die korrekte Antwort lautet: Kommt darauf an, wie. Als besonders segensreich könnten sich zwei neue Mücken erweisen, die Forscher aus Kalifornien und London kürzlich vorgestellt haben.


Das Team um Valentino Gantz von der University of California in San Diego hat sich Mücken der Art Anopheles stephensi vorgenommen, während Toni Nolan vom Imperial College London Anopheles gambiae umgebaut hat. Erstere treiben in Asien ihr Unwesen, zweite in Afrika. Anopheles ist nicht irgendein Tier. Es ist der Killer schlechthin. In 2015 erkrankten 214 Millionen Menschen an durch die kleinen Biester übertragener Malaria, 438.000 starben – rund 80% davon in Subsahara-Afrika, die meisten Kinder unter fünf Jahren.

Gene aus der Maus

Gantz hat die Mücken so verändert, dass sie dank einiger Extra-Gene Antikörper gegen den Malariaparasiten bilden, der daher in der Mücke getötet wird und nicht auf den Menschen übertragen werden kann. Die notwendigen Gene haben die Forscher aus der Maus, die von Natur aus resistent gegen humane Malaria-Parasiten ist.

Die gentechnisch veränderten Mücken sind nicht die ersten, die künstlich resistent gemacht wurden. Sie sind aber die ersten, die in der Lage wären, herkömmliche Mücken derselben Art zu verdrängen. Im Zuge der Evolution setzt sich eine neue Variante einer Spezies nur durch, wenn sie gegenüber anderen einen Überlebensvorteil hat, sich also erfolgreicher fortpflanzt als der Rest. Das ist bei gentechnisch veränderten Organismen in aller Regel nicht der Fall, weil weder erwünscht noch leicht zu erreichen. Daran sind bisher auch alle Versuche gescheitert, Malaria mit transgenen Mücken zu bekämpfen. Entsprechende gentechnisch veränderte Mücken, die den Malariaerreger auf verschiedene Art und Weise ausschalten, gibt es schon seit Jahrzehnten. Sie hatten aber alle keine Chance, sich auszubreiten. Doch seit Kurzem macht eine neue Methode (CRISPR–Cas9) in der Gentechnik vieles möglich, was bisher nicht ging. Der Trick der neuen Anti-Malaria-Mücke besteht darin, dass sie in der Lage ist, ihre neuen Resistenzgene an praktisch alle Nachfahren weiterzugeben. Unter normalen Umständen liegen sie nur auf einem Chromosom vor und haben somit nur einen 50 prozentige Chance auf Vererbung. Die 98 prozentige Vererbung hat zur Folge, dass sich die Resistenzgene in der normalen Mückenpopulation durch eine „mutagene Kettenreaktion“ (MCR) laut der Wissenschaftszeitschrift Nature „wie ein Buschfeuer“ ausbreiten würden, wenn man entsprechende Mücken freisetzte.

Das Team in London hat einen anderen Ansatz gewählt. Diesmal wurden drei Gene ausgeschaltet, die weibliche Mücken zur Produktion von Eiern benötigen. Auch hier sorgt der Gene-Drive-Mechanismus dafür, dass sich der „Gendefekt“ zunächst ausbreitet, obwohl er das genaue Gegenteil von einem Fortpflanzungsvorteil ist. Mittelfristig können sich die Unfruchtbarkeitsgene jedoch nicht halten. Man müsste also regelmäßig neue Mücken aussetzen, um die Gesamtpopulation dauerhaft niedrig zu halten.

Dank der neuen Technologien war es für beide Teams relativ einfach, die Mücken nach Wunsch zu verändern. Wir werden daher sehr bald weitere Varianten von Mücken sehen, die geeignet sind, die Übertragung von Malaria effektiv zu unterdrücken – durch Resistenz, Unfruchtbarkeit, Flugunfähigkeit oder andere Eigenschaften, Möglichkeiten gibt es genug. Und es wird auch nicht bei Malaria enden.

Tigermücken und Tomatenmotten

Anopheles ist nicht das einzige Insekt, das zu entschärfen versucht wird. Schon 2014 wurden als erstes transgenes Insekt in Brasilien gentechnisch veränderte Tigermücken der Firma Oxitec (seit September 2015 Teil von Intrexon) für die kommerzielle Nutzung bei der Bekämpfung des Dengue-Fiebers zugelassen. Auch sie basieren auf einer Technologie, die die Fortpflanzung einschränkt, und verfügen daher nicht über die Fähigkeit, sich zu auszubreiten. Es müssen regelmäßig größere Mengen männlicher Mücken freigesetzt werden, die so verändert sind, dass sich die Nachkommen nicht entwickeln und weiter fortpflanzen können. Mit demselben Ansatz entwickelt Oxitec auch Mücken gegen eine Reihe von Pflanzenschädlingen, darunter Fruchtfliegen, Kohlmotten und Tomatenmotten.

Eingriff in die Evolution

Der neue Ansatz mit der MCR-Technologie wäre kommerziell wenig interessant, da nur ein einziges Mal transgene Mücken freigesetzt würden und die Fähigkeit zur Krankheitsübertragung in der Folge von selbst als künstlich induzierte evolutionäre Veränderung in der Gesamtpopulation dauerhaft verschwinden würde. Er wäre weit mehr als eine gewöhnliche Maßnahme der biologischen Schädlingsbekämpfung.

Eine einzige Freisetzungsaktion könnte viele Millionen Leben retten und das Leben von Milliarden heute und in Zukunft lebender Menschen verbessern. Die Verlockung, eine solche nie dagewesene humanitäre Großtat zu vollbringen ist enorm groß. Beide Teams sind überzeugt, dass sie im Laufe eines Jahres Mücken für Feldversuche entwickeln könnten. Sie betonen aber ausdrücklich, dass sie es natürlich nicht leichtfertig tun werden, sondern zuvor sowohl umfangreiche Sicherheitsforschung als auch eine große öffentliche Debatte und Meinungsbildung stattfinden müssen. Das ist zweifellos richtig und angemessen. Dabei sollten Risiken nicht unterschlagen werden. Es wird am Ende aber nicht reichen, auf möglicherweise vorhandene „unbekannte Risiken“ und das „Vorsorgeprinzip“ zu verweisen. Der „Eingriff in die Schöpfung“ muss wohl bedacht und wissenschaftlich genau verstanden sein. Er ist aber definitiv kein Tabu.

Thilo Spahl

Thilo Spahl ist Diplom-Psychologe und lebt in Berlin. Er ist freier Wissenschaftsautor, Mitgründer des Freiblickinstituts und Redakteur bei der Zeitschrift NovoArgumente.

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