Warum sind Veganer so unsympathisch?

Fabian Kreipl ist Veganer und App-Spezialist. Beides hat er nun zusammengeführt: Heute startet er mit mit Freunden vanilla bean (www.vanilla-bean.de) in den App-Stores – eine Restaurantfinder-App für vegan/vegetarische Lokale in Deutschland und Österreich.


Und eigentlich ist der 31-jährige sogar ganz sympathisch. Sanfte Stimme, ein guter Zuhörer, leuchtende Augen. Also all die Eigenschaften, die man in gutbürgerlichen deutschen Restaurants beobachten kann, wenn man mit dem Gast satt und zufrieden über einem Espresso danach ins Gespräch kommt. Ideologiefrei, menschelnd, liebenswürdig. Fleischverzehr macht glücklich! Aber das könnte Fabian Kreipl anders sehen.

Starten wir also unsere Provokation. Mal sehen, ob der Ideologe zum Vorschein kommt. Oder bestätigt der gutmütige Kreipl nur die Ausnahme von der Regel, dass Veganer echte Unsympathen sind?

Sie klingen ja ganz nett, aber ehrlich: Ich kenne keine sympathischen Veganer, woran liegt’s?

Fabian Kreipl (FK): Also ich kenne viele sympathische Veganer. Dennoch, Veganer sind natürlich nicht per Se die besseren Menschen. Sie ernähren sich nur besser und ethischer! Die vegane Community ist sehr bunt und reflektiert sich auch kritisch. Dieses vereinzelt auftauchende Ego-Problem, auf das Sie scheinbar anspielen, ist übrigens vielen bewusst. Aber nur wenige operieren übertrieben aggressiv für die Sache. Die andere Seite: Viele Fleischesser haben auch einfach ein schlechtes Gewissen. Das meiste Fleisch kommt halt nicht von der romantischen Weidehaltung, wo die Gänseblümchen wachsen, sondern aus einem der dunkelsten Auswüchse der industriellen Fertigung: aus der Massentierhaltung. Dort kann man keine Feel-Good-Movies drehen.

Ja, seit diese ganzen veganen Gutesser mit dem grünen Daumen drauf zeigen …

FK: Nein, nein, die meisten Fleischesser finden das nicht gut. Deshalb verdrängen sie es ja so vehement. Fakt bleibt doch, dass immer noch 98% des Fleisches, das im Magen landet, aus der Fabrik kommt. Wenn man essen geht, ist das noch mehr der Fall, als wenn man zu Hause kocht. Also, da gibt es irgendwo auch einen Mismatch zwischen den Werten und dem, was man tut – ergo ein schlechtes Gewissen. Ich habe selber Jahre gebraucht, konsequent vegan zu sein.

Für mich ist Veganismus vergleichbar mit Impfverweigerung. Im Zweifelsfalle ein hohes Maß an Gesundheitsgefährdung mindestens für Kinder.

FK: Lustiger Vergleich …

…also lustig finde ich das weniger …

FK: … nun warten Sie doch bitte mal … Also: In dem Fall sind Sie – was Sie ja indirekt den Impfverweigerern zusprechen – nicht gerade wissenschaftlich informiert. Spätestens seit der jüngsten WHO-Veröffentlichung zum Thema sollte man wissen, dass Wurst Krebs erzeugt. Das Milch gesund macht, ist ebenfalls ein Ammenmärchen über Jahrzehnte von der Milch-Industrie propagiert und immer noch in vielen Köpfen drin.

Geht’s auch ohne Verschwörungstheorie? Oder hätte eine nicht gereicht für’s Erste?
FK: Ist doch alles belegt. Da gibt es z.B. noch die China-Studie – die größte und ausführlichste Ernährungsstudie, die jemals durchgeführt worden ist. Zu Ihrer Beruhigung: Immerhin durchgeführt vom Ernährungsberater von Bill Clinton. Ich vermute mal stark, dass der sich ein bisschen besser auskennt als wir zwei. Ergebnis: Vegan ist gesund – ganz klar. Milch nicht. Wir essen viel zu viel Fleisch. Trotzdem: Man muss seine Ernährung planen. Das gilt für jede Ernährungsform. Wenn ich den ganzen Tag vegane Chips essen würde, fall ich auch schneller tot um, als wenn ich mich bewusst und informiert ernähre. Bei Veganern gehört da auch die regelmäßige Einnahme von Vitamin B12 dazu. Wird das alles gemacht, werden sie mit vegan 100 Jahre alt.
Ja ne, ist klar: Cien años de soledad! Aber was anderes: Veganer brüsten sich ja immer, besonders tierfreundlich zu sein. Gegenüber Menschen allerdings sind sie besonders oft nicht sozialkompatible Einzelgänger. Können Sie wenigstens das bestätigen?
FK: Gibt es bestimmt. Soll es ja auch unter Fleisch-Essern geben. Ich denke Veganer sind vielleicht tendenziell eher sensible und vielleicht auch introvertierte Menschen, die sich viele Gedanken machen. Es gibt auch Studien darüber, die das bestätigen. Ich gehöre ja auch irgendwo dazu. Ich find das gut. Es kann ja auch nicht jeder ein Dieter Bohlen sein.
Also es gibt Menschen entweder wie Sie einer sind oder Dieter Bohlens? Glauben Sie ernsthaft, die Menschheit wäre heute eine bessere, wenn wir uns seit einhunderttausend Jahren vegan ernährt hätten?

FK: Ja absolut. Natürlich. Tierrechte wurden erfunden nicht zum Schutz vor Tieren, sondern um die Menschen vor ihrer eigenen Verrohung zu schützen. Wenn wir empathischer und liebevoller mit Tieren umgehen und sie weniger verspeisen, tut uns Menschen das gut. Wir werden nicht zu Heiligen dadurch. Aber es ist gut. Zu viel Fleisch macht auf Dauer krank – das kann Ihnen jeder Diätetiker sagen – selbst die, die keine vegane Ernährung supporten.

Diätiker? Am besten noch mit esoterischem Hintergrund? Fragen Sie doch mal schulmedizinische Fachärzte, wie viele Menschen dank z.B. eines Stücks Leber ihre Blutwerte, Eisen usw. wieder in den Griff bekommen haben hin zu einer höheren Lebensqualität.

FK: Also Eisen ist ein gutes Thema. Ich hatte selber mal als Vegetarier Eisenmangel. Warum? Weil ich keinen Plan hatte. Ich habe einfach nur mehr Beilagen gefuttert. Aber wenn man sich etwas auskennt: Bohnen und Linsen machen nicht nur ein Grinsen, sondern haben auch viel Eisen. Genauso Datteln. Es gibt eine lange Liste. Zusammen mit Zitronensaft oder anderen Vitamin-C-Bomben wird das auch noch super verwertet. Alles kein Problem!

Griesgrämig, verbissen, ideologisch, lebensfern. Können Sie diese Auflistung bitte noch ergänzen?

FK: Gern. Modern, konsequent, bewusst, informiert, urban, gesund, empathisch, kongruent, sportlich, sexy, viril, smart.

 In den 1970ern war die These eines Guru aus Poona/Indien populär. Der heilige Mann empfahl seinen Jünger, Fleisch zu essen. Fleischessen wäre notwendig, um Aggressionen abzubauen, Vegetarier und Veganer seien aggressiver als Fleischesser. Muss man sich vor Ihnen fürchten?

FK: Unbedingt, wenn das Interview noch länger geht, ist von Ihnen bald nichts mehr übrig.

Geschenkt. Kommen wir zu der ältesten, aber nach wie vor unbeantworteten Frage, warum so viele vegane Gerichte Fleischnamen tragen. Das ist doch, um mal in ihr Gedankengebäude einzusteigen: hochgradig pervers.

FK: Pervers ist da gar nichts dran. Das ist eine sehr persönliche Deutung dieses Phänomens. Worum geht es? Menschen wollen auf nichts verzichten. Und man muss auch nicht. Man ist halt aufgewaschen mit Pizza und Schnitzel. Und das schmeckt ja auch geil. Warum soll ich darauf verzichten? Ich liebe auch das ganze Fake-Zeug. Besonders im Restaurant, wenn es selbst gemacht ist. Die raffinierten Sachen kauf ich selten, da bin ich zu sehr Health-Junky. Wenn es gut gemacht ist, erkennen sie teilweise keinen Unterschied. Das ist verrückt, was mittlerweile gute Köche zaubern können. Dieser ganzen Fake-Meat-Belächelung mancher Fleischesser liegt eine totale Fehlinterpretation zu Grunde, warum jemand vegan lebt. Aus ethischen, gesundheitlichen Gründen, nicht weil Fleisch schlecht schmeckt und man gegen unsere jahretausendalte Küchentradition rebelliert.

Sorry, aber das klingt für mich nicht nach einer ganzheitlichen Lebensweise, nicht nach einem Bauchgefühl, nach einem Fleischekel, sondern verdammt nach ideologischer Kopfsülze, um im Wortspiel zu bleiben. Aber weiter im Text: Diese ganzen Klimalügen und Umweltschutzhysterien – es hat ja niemand etwas dagegen, wenn Sie sich an einem Salatblatt befriedigen, aber muss es immer die ganz große Welle sein? Es nervt so ungeheuerlich.

FK: Oh Gott Klimalügen? Hysterie? Ja genau, und es ist auch toll, wenn es bei uns wärmer wird oder wie? Ich komme übrigens aus Passau – Drei-Flüsse-Stadt mit Rekord-Überschwemmungen jedes Jahr – da kommt sogar die niederbayerische Kleinstadt in die Tagesthemen. Hurra! Ich weiß, wir werden schön langsam stumpf, was all das anbelangt. Ständig wird uns reingedrückt, die Welt gehe unter. Nun, dass stimmt nicht. Sie wird nur mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit für uns Menschen absolut nicht mehr lebenswert sein, wenn wir weiter so idiotisch und kurzsichtig mit dem Heimatplaneten umgehen.

Ach, Sie sind da zu sehr in ihrem eigenen unbedeutendem Lebenszyklus verhaftet mein Bester. Und so typisch deutsch-evangelistisch in Ihrer Apokalypse-Sehnsucht …

FK: „Ach ja? Schauen Sie doch mal über Ihre Grenzen hinaus: Für weniger betuchte Regionen sind die Prognosen nämlich noch schlechter als bei uns. Das ist doch mal pervers oder? Für Sie sicher eine unbequeme Wahrheit. Genauso wahr ist es, dass wir uns ändern müssen. Wie wir konsumieren. Vor allem auch, was wir essen. Damit kann man zwar nicht gut Spenden sammeln, aber es ist so: Die Viehhaltung trägt mehr zum Klimawandel bei als das komplette weltweite Verkehrsaufkommen. Über Elektro-Autos spricht man gern. Über Veganismus nicht so gern.

Doch, tun wir doch gerade …

FK: Ja, ich wundere mich tatsächlich über Ihr scheinbares Interesse (lacht alleine). Und vegan sei ideologisch? Auch so ein Bullshit! Früher hat man sich beschwert, dass sich unsere Jugend für nichts mehr einsetzt und a-politisch geworden ist. Wenn sich heute jemand für eine bessere und ethischere Ernährung einsetzt, mit massiven Verbesserungen für Klimawandel oder der weltweiten Wasserkrisen, ist sie oder er aber gleich ein Genuss-Nazi. Das verstehe wer will. In diesem Fall haben wir aber ein massives politisches Problem. Einfach, weil ich die Welt mit Industrien und Produkten verpesten kann und damit reich werden kann, ohne dass ich für die Schäden bezahlen muss. Und wir haben auch ein Problem mit dem Gutem! Wir stempeln Leute ab, die sich für was einsetzen, als Gutmenschen, anstatt zu respektieren, dass sie sich für eine sinnvolle Sache einsetzen. Wir suchen nach den schlechten Seiten dann und den Fehlern, um uns selber noch sagen zu können: Wir sind super. Wir sind doch besser. Das ist alles Ego. Allzu menschlich. Darum geht es aber nicht. Jeder Mensch hat gute und schlechte Seiten. Jeder macht Fehler. Und jeder kann daraus lernen. Und jeder soll sich für eine gute Sache einsetzen können, ohne dass wir dem Impuls folgen, die Person dann gleich abzuwerten.

Herrje, Sie sind ja ganz rot geworden vor lauter Aufregung. Und wie gebildet Sie sind. Ich hingegen denke manchmal, Bildung muss doch direkt schädlich sein, wenn man bedenkt, dass die meisten Veganer aus bildungsbürgerlichen Schichten kommen. Ist die Welt verrückt geworden?

FK: Das ist ganz einfach: Wer gut informiert ist, Zeit hat und bildungsnah aufwächst, der kommt eben schnell auf den Trichter, dass das alles nicht so goldig ist mit zwei mal am Tag Sauerbraten.

Zweimal am Tag Sauerbraten? Also ehrlich, auf so eine Idee kann wirklich nur ein engagierter Bildungsbürger kommen. Ich will Ihnen jetzt nicht damit kommen, dass der böseste Mensch der Welt (ein Deutsch-Österreicher) ebenfalls Vegetarier war, aber ist das nicht doch bezeichnend für die Antithese?

FK: Ach herrje. Aber das musste ja kommen. Nach all den Fragen bisher, war dieses Niveau absehbar. Hitler hatte chronische Verdauungsbeschwerden. Der Führer hatte also schreckliche Blähungen. Müsli und Rohkost waren deshalb seine Hauptnahrung. Und noch was: Er war kein Vegetarier. Er hat nur sehr wenig Fleisch gegessen. Es gab mal einen Artikel in der ZEIT darüber und noch ein paar andere zu dem Thema. Ist schon eine Weile her. Aber Sie leben anscheinend gern im Gestern.

Danke für dieses Gespräch

Heute startete Fabian Kreipls App „Vanilla bean“
Für Android
https://play.google.com/store/apps/details?id=de.grunzeug.vanillabean

Für iPhone
https://itunes.apple.com/app/vanilla-bean/id1002445403?mt=8

Dissterview

Jeder kennt das: man trifft einen interessanten Gesprächspartner, mit dem man sich immer schon austauschen wollte. Aber anschließend stellt man fest: viele Fragen sind offen geblieben. Hatte man die passenden Fragen einfach nicht parat? Warum war man so verdammt defensiv? Das wollen wir mit Dissterview ändern. Wir sprechen mit Menschen über Themen, die uns elektrisieren. Und dann fragen wir, was wir dazu immer schon einmal fragen wollten. Nennen Sie es rücksichtlos. Wir nennen es: Ein Dissterview. Wir sind Alissia Passia, Hasso Mansfeld und Alexander Wallasch.

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