Todesstrafe ist Unfug
Nachdem ich in der vorigen Woche erklärt habe, warum die Forderungen der Todesstrafenbefürworter in Deutschland aufgrund des Grundgesetzes von vorneherein zum Scheitern verurteilt sind, möchte ich nun auch noch gerne erläutern, warum die Forderung nach der Todesstrafe schon aus rationalen Gründen unsinnig ist.
Vertreter der Todesstrafe führen verschiedene Argumente ins Feld:
Wer einem anderen das Leben nimmt, hat sein eigenes Leben verwirkt
Gerade bei grausamen Verbrechen wie Kindstötungen oder Vergewaltigungen mit Todesfolge, wird die Todesstrafe mit dem Argument gefordert, wer einem anderen rücksichtslos dessen Recht auf Leben nehme, habe das eigene Recht zu Leben verwirkt.
Das wird im Brustton der Überzeugung vorgetragen. Gleichwohl ist diese Argumentation alles andere als überzeugend. Käme jemand auf die Idee, dass ein Dieb, also jemand, der den Besitz eines anderen dadurch schädigt, dass er ihm eine Sache wegnimmt, um sie zu seiner eigenen zu machen, von diesem Zeitpunkt an sein Recht auf jeglichen Besitz verwirkt hätte? Wohl kaum. Den Dieb zu bestehlen ist genauso verboten, wie den Mörder seines Sohnes zu ermorden.
Das Recht zu Leben steht jedem Menschen zu und ist auch bei einem Riesenarschloch da. Menschenrechte hat man einfach so. Dafür muss man nichts bestimmtes tun oder nicht tun. Die hat man, weil man Mensch ist, nicht weil man besonders gut oder besonders fromm oder besonders staatstreu ist. Und ein Mensch bleibt man auch, wenn einen die BILD Monster oder der Mob Schwein nennt. Sein Lebensrecht kann man daher gar nicht verwirken.
Die Todesstrafe dient als Abschreckung
Da wir noch rund 60 Länder in der Welt haben, in denen die Todesstrafe existiert, können wir dieses Argument getrost in die Tonne klopfen. Insbesondere Ökonomen glauben ja gerne an die These, der Mensch sei ein rationales Wesen, das bei jeder Handlung eine Kosten/Nutzen-Analyse anstellt und deshalb auf einen Mord verzichtet, wenn er ihn das eigene Leben kostet. Pustekuchen. Menschen handeln im allgemeinen schon nicht rational, sonst wäre keine einzige Kaffeekapsel verkauft worden und niemand wäre bei Facebook. Dass nun ausgerechnet ein Mörder ein rationales Wesen wäre, ist eine gewagte Vorstellung. Der „normale“ Mörder geht nämlich schon irrationalerweise davon aus, dass er gar nicht erwischt wird und das, obwohl die Aufklärungsquote bei Mord höher als bei jedem anderen Delikt ist. Fast jeder Mörder wird erwischt. Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass in vielen Staaten, die die Todesstrafe abschafften, die Morde nicht etwa zunahmen. Oft , so z.B. in Kanada, nahmen sie sogar ab.
Flatrate für Mord
Hinzu kommt, dass derjenige der bereits einen Mord begangen hat und deshalb mit der Todesstrafe rechnen muss, das für ihn ultimative Strafmaß ja bereits erreicht hat. Es macht für ihn also durchaus Sinn, zur Verdeckung seiner Tat oder um einer Verhaftung zu entgehen, gleich noch weitere Morde zu begehen.Oder einfach so, weil er Geschmack daran gewonnen hat zu morden. Mehr als einmal kann man ihn dafür ja auch nicht töten. Wozu sollte er sich da noch zurückhalten? Er hat ja eine Flatrate. Egal wie viele Morde, ein Preis. Da würde der Solomörder übel benachteiligt.
Wiederholung wird verhindert
Ja. Nur ein toter Mörder kann absolut keinen weiteren Mord mehr begehen. Das ist schon richtig. Aber auch so werden die allerwenigsten verurteilten Mörder rückfällig. Morde werden in der meisten Fälle, von „neuen“ Tätern begangen, also von Menschen, die zuvor noch nie jemanden getötet hatten oder auch überhaupt nur vorbestraft gewesen wären.
Das liegt schon daran, dass die meisten Morde aus persönlichen Motiven passieren, der Täter aus dem näheren Umfeld kommt und der Grund für den Mord mit dem Opfer vom Tisch ist. Wer den verhassten Partner erdrosselt hat, hat diesen Konflikt für sich erledigt. Die im Krimi immer wieder gerne genommenen gruseligen, psychopathischen Serienkiller sind eine absolute Seltenheit. Fast genauso selten sind die Rückfalltäter. Natürlich wird über diese Rückfalltäter immer spektakulär berichtet, aber es ist und bleibt eine verschwindend geringe Zahl, die eine Tötung aller Täter nicht rechtfertigt, schon gar nicht, wenn man berücksichtigt, dass auch das schönste Urteil falsch sein kann.
Menschen machen Fehler
Richter sind Menschen und Menschen machen Fehler. Der aussagenlogische Schluss, dass damit auch Richter Fehler machen, ist auch in der Realität leider allzu viele Male schon bewiesen worden. Auch und gerade in den USA und auch und gerade bei zu Unrecht zum Tode verurteilten. In den USA mussten seit 1973 um die 150 zum Tode verurteilte Mörder freigelassen werden, nachdem Jahre später die Beweise für ihre Unschuld erbracht worden war. Ich weiß nicht wie viele Unschuldige das nicht mehr erlebt haben, weil sie bereits hingerichtet wurden, bevor man ihre Unschuld, z.B. mit DNA-Gutachten belegen konnte. Da einfach „shit happens“ zu sagen, ist unerträglich.
Abwehr von Terrorismus
Ja, aber gegen Terroristen macht die Todesstrafe doch Sinn, oder? Nein, auch das ist nicht richtig. Zwar kann man damit zuverlässig verhindern, dass derselbe Terrorist einen weiteren Anschlag begeht, aber man kann damit nicht verhindern, dass andere dies tun. Manch einer seiner Freunde oder Familienmitglieder wird in dem Hingerichteten einen Märtyrer für die gerechte Sache sehen und sich gerade wegen dessen „Ermordung“ durch den Feind berufen sehen, ihn zu rächen. Den Terrorismus kann man mit strafrechtlichen Sanktionen ohnehin nicht verhindern, dazu müsste man schon die Ursachen des Terrorismus beseitigen. Aber das ist ein anderes Thema.
Vergeltung
Es gibt immer noch Anhänger der Kantschen Strafzwecktheorie, nach welcher die Strafe der Tat gleichwertig sein müsse. Damit sollte ein durch den Täter verletztes Ungleichgewicht im allgemeinen „Gerechtigkeitshaushalt“ wieder hergestellt werden. Der Schaden, der dem Opfer zugefügt wurde, soll in gleichem Maße dem Täter zugefügt werden.
Das klingt jetzt bei Mördern auf den ersten Blick ganz nachvollziehbar, aber wie sollte das z.B. bei Kindesmissbrauch gehen? Oder wie sollte jemand bestraft werden, der eine fahrlässige Tötung begangen hat, weil er mit dem Auto gerast ist? Jagt man den immer wieder über die Autobahn, bis er von einem unaufmerksamen Verkehrsteilnehmer überrollt wird? Und was ist dann mit dem? Was ist mit Tätern von echten oder unechten Unterlassungsdelikten, wie z.B. der unterlassenen Hilfeleistung? Setzt man die dann einerähnlichen lebensbedrohlichen Situation aus und guckt dann zu? Wie beleidigt man einen Täter, der einen anderen beleidigt hat? Ruft der Richter da dieselben Schimpfworte und treffen die den dann genauso wie das Opfer?
Dem Täter eine gleichartigen Schaden zuzufügen, bekommt man, wie man sieht, schon praktisch gar nicht hin. Und wenn man mal ehrlich ist, geht es den Befürwortern der Todesstrafe auch gar nicht um Vergeltung zur Wiederherstellung der Gerechtigkeit, sondern vielmehr um Rache. Dass Rache ein natürliches Gefühl ist, dass z.B. Angehörige eines Opfers umtreiben kann, ist gar nicht zu bestreiten. Der Deal in einem Rechtsstaat ist aber der, dass das Gewaltmonopol beim Staat liegt. Wenn es in der Bibel heißt, mein ist die Rache, spricht der Herr, dann heißt es im Rechtsstaat, nur der Staat hat das Recht zu strafen. Und der muss seine eigenen Grundwerte „gefühllos“ anwenden und kann nicht aus einer momentanen Wallung heraus mit der Todesstrafe das Leben vernichten, dessen Schutz angeblich sein oberster Wert ist.
Kosten
Ein Argument für die Todesstrafe sind die angeblich geringeren Kosten. „Warum sollen wir so ein Schwein auch noch lebenslang durchfüttern?“. Diese Argument zieht nun wirklich nur in absoluten Unrechtsstaaten, wo zwischen Urteil – falls es überhaupt eines gibt – und Vollstreckung manchmal nur ein paar Stunden liegen. In Staaten, denen der Vollstreckung ein reguläres Verfahren vorausgeht, wie z.B. in einigen Staaten der USA, sind die Kosten für die Todesstrafe dagegen wesentlich höher, als die für lebenslange Freiheitsstrafen.
Rationale Gründe für die Todesstrafe lassen sich beim besten Willen nicht finden, selbst wenn man die Menschenwürde mal gerade beiseite lassen würde. Gründe dagegen genug:
Die Todesstrafe ist nicht revidierbar. Wer tot ist, ist tot. Das Risiko, einen unschuldigen Menschen zu töten, ist nie auszuschließen. Mit der Todesstrafe kann man weder die Ursachen von Verbrechen noch deren Begehung bekämpfen, man senkt im Gegenteil die Hemmschwelle für Tötungen und die Achtung vor dem Leben.
Ein Staat, der tötet, zeigt wie wenig er selbst Achtung vor dem menschlichen Leben hat, warum sollten dann seine Bürger mehr Achtung davor gewinnen? Ein Staat, der seine Bürger tötet, tut im Ergebnis nichts anderes als der Mörder. Er stellt sich mit Mördern auf eine ethische Stufe und verkauft das auch noch als ethisch wertvoll.Die Todesstrafe wird in vielen Staaten nicht nur als Strafe, sondern als staatliches Terrorinstrument gegen politische Gegner oder Angehörige von Minderheiten eingesetzt. Wer kennt nicht die Bilder von Homosexuellen, die an Kränen hängen, wer nicht die Köpfungen von Menschen, die vom islamischen Glauben abgefallen sind? Das ist pervers.
Und noch Eines: Es mag Sie vielleicht erstaunen, aber viele Opferfamilien lehnen die Todesstrafe ab. Zum einen, weil dadurch ihr Angehöriger ja auch nicht wieder zum Leben erweckt wird, zum anderen, weil es ihrer Trauerarbeit besser tut, wenn nicht noch ein Mensch stirbt und damit eine weitere Familie leiden muss.
Lesen Sie auch, warum die Todesstrafe in Deutschland nicht mehr eingeführt werden kann.
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