Das neue Wehrdienstgesetz – was Gutes?
Wenn die Regierung mal etwas ziemlich gut macht, sollte man sie auch dafür loben. Überraschenderweise ist das neue Wehrdienstgesetz ein Beispiel, wie diese Koalition doch gemeinsam und überlegt etwas beinahe Sinnvolles schaffen kann. Eine Kolumne von Hermann Borgerding

Ich mag keine Armeen und keine Soldaten, mag keine Uniformen und keinen absoluten Gehorsam, die NATO sehe ich äußerst kritisch.
Ich hasse Militarismus, der passt absolut nicht in meine Utopien.
Aber wir leben in einer Zeit, in der ich meine Utopien scheinbar hinten anstellen muss. Realistisch betrachtet brauchen wir momentan eine Bundeswehr.
Wehrdienst ist notwendig
Die Bundeswehr braucht einen Wehrdienst, wenn man die Notwendigkeit einer Bundeswehr akzeptiert (was mir schwer fällt) geht da kein Weg dran vorbei.
Wir brauchen zusätzlich auf alle Fälle einen zivilen Hilfsdienst, das ist offensichtlich. Im Gesundheitswesen, bei sozialen Hilfestellungen und im Umweltschutz reichen die hauptamtlichen Fachkräfte vorne und hinten nicht aus.
Beides – Bundeswehr und zivile Dienste – sind im neuen Wehrdienstgesetz drin, wenn die finanziellen Mittel für die zivilen Dienste auch zu gering sind. Um den Wehrdienst attraktiv zu machen ist ein angemessener Sold und zum Beispiel Unterstützung beim Führerschein vorgesehen, das macht Sinn und könnte dafür sorgen, dass sich genug Freiwillige melden.
Erfassung und Musterung
Eine Erfasssung und Musterung aller wehrdienstfähigen Männer und die Frage nach einem freiwilligen Dienst ist unumgänglich.
Ein Wehrdienst aller Geschlechter ist nach dem Grundgesetz nicht machbar aber durch die freiwillige Möglichkeit kann die Gewichtung dieser Frage verringert werden.
Soweit hat die Regierung mit dem neuen Wehrdienstgesetz sehr viel richtig gemacht, das kann ich ruhig auch mal anerkennen.
Das neue Gesetz ist eine Chance auf möglichst freiwilliger Basis einen Wehr- und Zivildienst wieder einzuführen.
So weit, so gut.
Keine Kriegslotterie
Sollte diese Freiwilligkeit nicht ausreichen beginnen die Probleme. Die gewählte Lösung ist ein Unding: Ein Los darf niemals entscheiden, ob ein Mensch Soldat wird oder nicht!
Die Möglichkeit einer formlosen Kriegsdienstverweigerung ohne Nachteile und Schikane spätestens bei der Erfassung sollte absolute Pflicht sein.
Wir können nur hoffen, dass es nie zu dieser Kriegslotterie kommt.
Umsetzung schwierig
Probleme bei der Umsetzung dieses Gesetzes gibt es eh noch mehr als genug. So ist die Bundeswehr strukturell und technisch nicht in der Lage eine Verteidigung zu gewährleisten. Es gibt keine Ausbilder/Offiziere, keine Unterbringungsmöglichkeit/Kasernen und keine Infrastruktur für die neuen Soldaten. Im zivilen Dienst sieht das noch schlimmer aus, könnte aber auch individueller geklärt werden.
Es bleibt fraglich, wie die Umsetzung des neuen Gesetzes funktionieren soll.
Bei aller Kritik am neuen Wehrdienstgesetz muss ich aber verwundert gestehen, dass ich angenehm überrascht bin.
Dieser Koalition hätte ich solch ein überlegtes und in Ansätzen wirklich gutes Gesetz nicht zugetraut.
Ich würde mich freuen, wenn die Regierung mich noch öfter so überraschen würde.
HB, 14.11.2025
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