Herr B. – stolz ein Deutscher zu sein

Manchmal kann eine Diskussion mit einem Unbekannten ein Denkanstoß für eine Kolumne sein. Eine Kolumne von Heinrich Schmitz


Bild von analogicus auf Pixabay

Vorab: Sämtliche Rechtschreibfehler in den zitierten Posts stammen vom jeweiligen Kommentator und wurden aus Gründen der Authentizität nicht korrigiert.

„Herr B:

Können Sie mir Unterschiede zwischen den Parteien links der AFD-Demokraten nennen?

Können Sie mir erklären, warum die AFD in den Einheitsmedien nicht vorkommt (ausser Hetze)?

Können Sie mir erklären, warum der AFD ein Bundestagsvize verwehrt wird ?

Und wenn man stolz ist Deutscher zu sein, dann singt man die Nationalhymne mit.

Und als Marineoffizier der Bundesmarine sollte man schon stolz sein.

Deutsch ist für mich – ganz unabhängig von der Herkunft – jeder der Stolz istvFeitscher zu sein.

Und Bayern Münchner ist ja auch jeder, der Stolz ist für Bayern München spielen zu dürfen. Lewandowski ist also Münchner….

Dieser Kommentar eines Herrn B. richtete sich nicht an mich, sondern an Hasnain Kazim, der sogar noch so freundlich war, Herrn B. Zu antworten:

Äh, guckst du, was „AfD“ Leute so sagen. Deshalb. Und Unterschiede der anderen Parteien untereinander: Liest du Parteiprogramme (ich weiß, ist intellektuell noch anstrengender als kurze Facebook-Posts, aber musst du durch…) Und „stolz“ und „Hymne singen“, och, weißt du, das kannst du so sehen – ich seh‘s anders. Und Gottseidank die meisten anderen auch.

Ein Heinz

Da hab ich erst mal gegrinst und nachgesehen, ob Herr B. eventuell Karlheinz heißt. Und da lag ich fast richtig. Leider. Ein Heinz halt. So wurde ich früher auch gerufen und so rufen mich alte Freunde auch heute noch. Kann man nichts machen. Und so verfolgte ich Herrn B.s Worte zunächst interessiert weiter.

Herr B: Bei Bayern München haben Spieler nichts verloren, die nicht stolz auf Bayern München sind.

Und so sehe ich das auch für Deutsche, insbesondere wenn sie von deutschen Steuergeldern leben.

Aber vermutlich sind Sie nur auf sich selbst stolz.

Und bezüglich ihrer Arroganz.

Ich verorte mich als erfolgreicher Naturwissenschaftler doch intellektuell weit über ihnen.

P.S.:

Das Parteiprogramm der AFD-Huamisten kenne ich sicher besser als Sie. Z.B. hält die AFD AFD ungeborene Menschen nicht für medizinischen Sondermüll wie die Einheitspartei und ihre Anhänger

Nun ja. Ich vermute, dass es dem FC Bayern ziemlich schnurzegal ist, ob seine Spieler stolz auf Bayern München sind, solange sie gewinnen und dem Verein Titel und Kohle einbringen, aber Heinz weiß das vielleicht besser. Warum nun Deutsche, insbesondere wenn sie von deutschen Steuergeldern leben, auf irgendwen oder was stolz sein sollen – den FC Bayern wird er wohl nicht gemeint haben – verstand ich nicht.

Heinz verortete sich intellektuell weit über Hasnain Kazim. Kann er ja machen als erfolgreicher Naturwissenschaftler, der ein Buch über das Problem der Überbevölkerung geschrieben hat, das er auf den Trieb der Afrikaner zum Geschlechtsverkehr bzw. deren Abneigung gegen Verhütung zurückführt,  und der als Senior Vice President eines global agierenden börsennotierten Konzerns tätig war. Aber das fand ich nun gar nicht so spannend. Spannender empfand ich den geäußerten Stolz, ein Deutscher zu sein oder wie es Boris Becker ausdrückte, Deutscher zu bin.

Und so ging es offenbar auch einer Mitdiskutantin, die Herrn B. Folgendes antwortete:

…Ich bin übrigens nicht stolz darauf Deutsche zu sein, auf den zufälligen Ort seiner Geburt kann man nicht stolz sein! Ich bin auf meine Kinder stolz und auf einige Sachen, die ich in meinem Leben getan, oder aus eigener Kraft erreicht habe.

Allerdings bin ich froh in Deutschland zu leben.

Ein weiterer Kommentator schlug Herrn B. einen recht deutschen Philosophen um die stolzen deutschen Ohren, den Herrn Schopenhauer.

Die wohlfeilste Art des Stolzes hingegen ist der Nationalstolz. Denn er verrät in dem damit Behafteten den Mangel an individuellen Eigenschaften, auf die er stolz sein könnte, indem er sonst nicht zu dem greifen würde, was er mit so vielen Millionen teilt. Wer bedeutende persönliche Vorzüge besitzt, wird vielmehr die Fehler seiner eigenen Nation, da er sie beständig vor Augen hat, am deutlichsten erkennen. Aber jeder erbärmliche Tropf, der nichts in der Welt hat, darauf er stolz sein könnte, ergreift das letzte Mittel, auf die Nation, der er gerade angehört, stolz zu sein. Hieran erholt er sich und ist nun dankbarlich bereit, alle Fehler und Torheiten, die ihr eigen sind, mit Händen und Füßen zu verteidigen.“

Und dann machte Herr B. eine interessante Volte:

Einfältige Argumentation.

Ich bin stolz auf Deutschland, weil ich hier studieren durfte. Und ohne das deutsche Gesundheitssystem wäre ich schon längst an meinem Krebs gestorben.

Eitle dumme Menschen sind nur stolz auf sich.

Ach, guck an, dachte ich. Auf einmal ist er nicht mehr stolz darauf, Deutscher zu sein, sondern stolz auf Deutschland. Das ist ja schon etwas anderes. Er ist stolz auf Deutschland, weil er hier studieren durfte und weil er dank des Gesundheitssystems noch lebt. Wie fein für Herrn B.

Zwei Arten Stolz

Und da kam mir die Idee, dass Stolz ganz unterschiedliche Bedeutungen haben kann. Ich gehöre zu den Menschen, die auch durchaus auf eigene Leistungen stolz sind, wie z.B. auf mein Prädikatsexamen, eine erfolgreiche Strafverteidigung oder eine Kolumne, die mir gelungen erscheint. Nach der Defintion von Herrn B. bin ich nun dumm und eitel.

Ich bin aber nun mal nicht stolz auf Deutschland, weil ich hier studieren durfte. Darüber bin ich froh. Und ich freue mich auch, dass ich in Deutschland und nicht in der Sahelzone geboren wurde. Aber das ist halt wirklich nichts, worauf ich stolz sein könnte. Da kann ich ja sowenig für wie derjenige, der nun statt meiner in der Sahelzone leben oder sterben muss. Ich bin sehr angetan von unserer Verfassung und halte sie für eine der besten, die es gibt und mit Sicherheit für die beste, die Deutschland jemals hatte, aber ich bin darauf nicht stolz, weil ich an der Erstellung dieser Verfassung keinerlei Anteil hatte. Da war ich nicht einmal geboren.

Man kann nicht stolz sein auf etwas, was man selber gar nicht zu Stande gebracht hat, sondern man kann froh sein oder dankbar dafür, dass man Deutscher ist. Aber stolz kann man darauf nicht sein, nach meiner Überlegung. Stolz ist man auf das, was man selber zu Wege gebracht hat.

Sagte der frühere Bundespräsident Johannes Rau und trifft damit den Nagel auf den Kopf. Aber man sieht ja, Herr B. kann es trotzdem.

Todsünde

In der christlichen Ethik gilt der Stolz als höchste Untugend. Früher war er sogar der Topstar der sogenannten Sieben Todsünden, nämlich die erste Todsünde oder wie Thomas von Aquin es meinte, eine Wurzelsünde noch über den Hauptsünden, ein Art.1 der Sündenhitparade. Er ist Ausdruck von Eitelkeit, Überheblichkeit, Hochmut und Anmaßung. Meine Mutter sprach „Todsünd, Mühlstein“, der Lateiner von Superbia.

Stolz in diesem Sinn meint also nicht das positive Gefühl, wenn einem etwas richtig gut gelungen ist. Stolz meint vielmehr die ausgrenzenden Verhaltensweisen, die Menschen dazu bringen, sich über die anderen zu stellen, auf sie herab zu sehen, sie zu verachten. Sich so toll zu fühlen, dass man die anderen zwangsläufig für minderwertig hält. Dass man der Größte ist. Dieser Stolz hat etwas neurotisches und ist alles andere als legitim oder gesund. Er ist schlicht doof und gefährlich. Dieser doofe Stolz wird seit einigen Jahren in der internationalen Einheit „Trump“ gemessen.

Na klar ist es völlig normal, wenn man stolz auf seine eigene Leistung ist. Es ist auch normal, dass man stolz auf seine Kinder ist, wenn denen etwas gelungen ist, solange man sich nicht einbildet, man habe das selbst geschafft wie die ein oder andere Tennismutti oder der Fußballpapa, der selbst kaum einen Ball gestoppt bekam, aber seinen Sohn zum Nationalspieler machen will.

Nationalstolz

Ob man nun gleich auf ein ganzes Land stolz sein kann, ohne dieses dann gleich über alles in der Welt zu stellen, lasse ich mal offen. Man darf sich aber ganz arglos über die Erfolge „seiner“ Nationalmannschaft freuen und mit der Bundesfahne winken, ohne damit zum Nazi zu mutieren. Aber wenn das in einen ungesunden Stolz mündet, dann ist das nicht mehr weit weg vom Nationalismus. Unangenehm wird der Stolz immer in der Todsündenversion, und dieser Stolz führt über kurz oder lang ins Verderben. Wer sich „Ich bin stolz ein Deutscher zu sein“ in Fraktur auf seinen Körper tätowieren lässt und nicht Drafi Deutscher ist, könnte sich auch ein „Ich bin doof“ oder „Ich bin ein Nazi“ stechen lassen. Denn wie mein Opa und der Volksmund häufig sagten:

Dummheit und Stolz wachsen auf einem Holz

Das Schlusswort möchte ich aber dem stolzen Deutschen, Herrn B. überlassen.

Heinrich Schmitz

Hier wimmelt es von Sprachgenies.

Natürlich kann man nur stolz auf eine Gruppe oder einen Staat sein, wenn man etwas konstruktives beigetragen hat.

Aus ihrem schlauen Kommentar entnehme ich, dass Sie zum Staat nichts beitragen. Aber immerhin sind Sie froh, dass der Staat für Sie sorgt.

Also:

Ich bin stolz und Sie sind froh.

Ich hab‘s dann auch aufgegeben.

P.S.: Herr B. hat nicht behauptet, stolz auf seine Kenntnis der deutschen Rechtschreibung zu sein. Das muss man ihm zugutehalten.

Heinrich Schmitz

Heinrich Schmitz ist Rechtsanwalt, Strafverteidiger und Blogger. In seiner Kolumne "Recht klar" erklärt er rechtlich interessante Sachverhalte allgemeinverständlich und unterhaltsam. Außerdem kommentiert er Bücher, TV-Sendungen und alles was ihn interessiert- und das ist so einiges. Nach einer mit seinen Freital/Heidenau-Kolumnen zusammenhängenden Swatting-Attacke gegen ihn und seine Familie hat er im August 2015 eine Kapitulationserklärung abgegeben, die auf bundesweites Medienecho stieß. Seit dem schreibt er keine explizit politische Kolumnen gegen Rechtsextreme mehr. Sein Hauptthema ist das Grundgesetz, die Menschenrechte und deren Gefährdung aus verschiedenen Richtungen.

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