Prepper – Vorbereitung auf die Machtübernahme?
Diese Woche wurden in Mecklenburg-Vorpommern drei aktive und ein früherer SEK-Beamter inhaftiert, die seit Jahren massenhaft Munition entwendet haben sollen. Eine Spur führt in die Prepperszene. Eine Gefahr für den Rechtsstaat?
Bild von Michael Gaida auf Pixabay
Ein früherer Nachbar von mir übte einmal im Jahr den Ernstfall. Zusammen mit Frau und Kindern verzog er sich in seinen Keller, der zum Schutz gegen den elektromagnetischen Impuls mit einer Metallfolie verkleidet war. Die Familie legte sich unter einen mit Folie überzogenen Billardtisch. Die Einladung, an der Übung teilzunehmen, lehnte ich stets ab. Die entgeisterte Frage der Ehefrau, was ich denn im Falle eines Atomkrieges machen werde, beantwortete ich mit: „ Ich nehme mir eine gute Flasche Wein und guck mir das Ende vom Balkon aus an. Wenn Sie nach Monaten wieder aus Ihrem Loch kommen, bin ich längst erlöst, während Sie sich auf der verwüsteten Erde was zu trinken suchen müssen.“ Das fand sie nicht lustig und so war es auch nicht gemeint.
Allzeit bereit
Okay. Das Motto der Pfadfinder – Allzeit bereit, nicht etwa allzeit breit – ist ja nicht dumm. Für Not- und Katastrophenfälle gerüstet zu sein, ist nicht grundsätzlich verkehrt. Ein paar Kerzen für den Fall des Stromausfalls, ein paar Kästen Wasser, falls die Frischwasserversorgung versagt und einen kleinen Vorrat an haltbaren Lebensmitteln sollte man schon haben. Hab ich auch. Und ein paar Flaschen Wein natürlich. Und falls es ganz hart kommt, einen guten Single Malt.
Prepper wollen für die richtig geilen Katastrophen gerüstet sein. Die warten auf den Tag X, an dem die Welt mehr oder weniger untergeht, also auf einen großen Krieg, den Absturz eines großen Meteoriten oder vielleicht die Ankunft von Außerirdischen. Sie gieren nach Dystopie. Das wollen sie überleben, um danach die Welt zu beherrschen bzw. das was dann noch übrig ist. Mad Max, mad world.
Nun könnte man das ja alles für ganz spaßig halten, wenn nicht Teile der Prepperszene aus äußerst merkwürdigen Personen bestünden. Da tummeln sich u.a. Reichsbürger, Nazis und ganz unpolitische Irre. Wäre kein Problem, wenn die wirklich nur in ihren selbstgebauten Bunkern blieben, bis der Führer wieder aufersteht. Ob das allerdings der Fall ist, muss ernsthaft bezweifelt werden.
Gefährder
Es ist schon länger bekannt, dass es Kontakte der Prepper in die rechtsextreme Szene gibt. Und dabei reden wir nicht von dumpfen Naziskins, sondern von Ärzten, Anwälten, Handwerkern, Ingenieuren und nicht zuletzt von Polizisten und Soldaten. Bereits 2017 fiel dabei der Bundesanwaltschaft eine aus einer Chatgruppe hervorgegangene Gruppe namens „Nordkreuz“ auf. Die Bundesanwaltschaft vermutete, dass diese Gruppe sich auf den Zusammenbruch der staatlichen Ordnung vorbereite, den sie im Zusammenhang mit der „Flüchtlingswelle“ befürchtete oder auch herbei sehnte. Bei zwei der damals durchsuchten Personen fand man Listen mit mehreren tausend Datensätzen von Personen. Die Bundesanwaltschaft vermutet, dass diese überwiegend „linken“ Personen im Falle eines Staatsstreichs getötet werden sollten. Solche Horrorstories kennt man sonst nur aus Romanen oder Filmen, nicht aber aus dem Bereich des idyllischen Heimatfilms.
Wenn Polizeibeamte und insbesondere Mitglieder von Spezialeinheiten sich derartigen Gruppen anschließen oder sie auch „nur“ durch die Überlassung von Kriegs- oder sonstigen Waffen unterstützen, dann besteht höchste Alarmbereitschaft. Solche Beamte müssen – sofern ihnen die vorgeworfenen Taten nachgewiesen werden – ohne Wenn und Aber aus dem Polizeidienst entlassen werden. Damit sind sie zwar aus dem Dienst, aber sie sind nicht aus der Welt. Und sie werden nach ihrer Entlassung noch größere Vorbehalte gegen den Rechtsstaat hegen, also ohnehin schon. Das sind im wahrsten Sinne des Wortes Gefährder.
Todeslisten
Wenn die Innenminister, die gerne die harten Verteidiger der Rechtsordnung mimen, gegen derartige Umtriebe kein geeignetes Mittel finden, wird es nicht mehr lange dauern, bis die Staatsfeinde in diversen Uniformen ihre Todeslisten abarbeiten.
Das Kriegswaffenkontrollgesetz sieht durchaus Strafen bis zu 10 Jahren vor.
§ 22a Sonstige Strafvorschriften
(1) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer
1.
Kriegswaffen ohne Genehmigung nach § 2 Abs. 1 herstellt,
2.
die tatsächliche Gewalt über Kriegswaffen ohne Genehmigung nach § 2 Abs. 2 von einem anderen erwirbt oder einem anderen überlässt,
3.
im Bundesgebiet außerhalb eines abgeschlossenen Geländes Kriegswaffen ohne Genehmigung nach § 3 Abs. 1 oder 2 befördern lässt oder selbst befördert; dies gilt nicht für Selbstbeförderungen in den Fällen des § 12 Absatz 6 Nummer 1 sowie für Inhaber einer Waffenbesitzkarte für Kriegswaffen gemäß § 59 Absatz 4 des Waffengesetzes von 1972 im Rahmen von Umzugshandlungen durch den Inhaber der Erlaubnis,
4.
Kriegswaffen einführt, ausführt, durch das Bundesgebiet durchführt oder aus dem Bundesgebiet verbringt, ohne dass die hierzu erforderliche Beförderung genehmigt ist,
5.
mit Seeschiffen, welche die Bundesflagge führen, oder mit Luftfahrzeugen, die in die Luftfahrzeugrolle der Bundesrepublik Deutschland eingetragen sind, absichtlich oder wissentlich Kriegswaffen ohne Genehmigung nach § 4 befördert, die außerhalb des Bundesgebietes ein- und ausgeladen und durch das Bundesgebiet nicht durchgeführt werden,
6.
über Kriegswaffen sonst die tatsächliche Gewalt ausübt, ohne dass
a)
der Erwerb der tatsächlichen Gewalt auf einer Genehmigung nach diesem Gesetz beruht oder
b)
eine Anzeige nach § 12 Abs. 6 Nr. 1 oder § 26a erstattet worden ist,
oder
7.
einen Vertrag über den Erwerb oder das Überlassen ohne Genehmigung nach § 4a Abs. 1 vermittelt oder eine Gelegenheit hierzu nachweist oder einen Vertrag ohne Genehmigung nach § 4a Abs. 2 abschließt.
(2) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 bis 4, 6 oder 7 gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Straftaten verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds handelt.
(3) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.
(4) Wer fahrlässig eine in Absatz 1 Nummer 1 bis 4, 6 oder Nummer 7 bezeichnete Handlung begeht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(5) Nach Absatz 1 Nr. 3 oder 4 wird nicht bestraft, wer Kriegswaffen, die er in das Bundesgebiet eingeführt oder sonst verbracht hat, freiwillig und unverzüglich einer Überwachungsbehörde, der Bundeswehr oder einer für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit zuständigen Behörde oder Dienststelle abliefert. Gelangen die Kriegswaffen ohne Zutun desjenigen, der sie in das Bundesgebiet eingeführt oder sonst verbracht hat, in die tatsächliche Gewalt einer der in Satz 1 genannten Behörden oder Dienststellen, so genügt sein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen, die Kriegswaffen abzuliefern.
Dazu käme noch der Diebstahl bzw. die Unterschlagung. Könnte also einen längeren Aufenthalt im Knast bedeuten, wenn, ja wenn den die Täter die von rechten immer wieder gerne geforderte Härte des Gesetzes zu spüren bekämen.
Sgt. Prepper
Die Verdächtigen sollen das alles nur als Spiel erklärt haben. Ein Spiel mit über 10000 Schuss Munition? Zumindest ein skurriles und beängstigendes Spiel. Ich möchte Menschen, die solche Spiele spielen, nicht in der Polizei oder der Bundeswehr haben. Die haben im Staatsdienst überhaupt nichts verloren. Ich möchte Beamten grundsätzlich vertrauen können und mich nicht jedes mal fragen müssen, ob ich möglicherweise Sgt. Prepper, einen durchgeknallten Reichsbürger in Uniform, vor mir habe.
Durch meinen Beruf kenne ich viele Polizisten, auch einige Elitepolizisten. Bei denen hatte ich noch nie das Gefühl, dass sie irgendwie ein Rad abhaben könnten. Insbesondere bei der Auswahl der SEK-Mitglieder wird großer Wert nicht nur auf körperliche, sondern auch auf geistige Fitness und Gelassenheit gelegt. Wenn es also in Mecklenburg-Vorpommern SEK-Mitglieder gibt, die in solch seltsamen, gefährlichen Gruppen vertreten sind, dann ist es notwendig, die dortigen Auswahlkriterien unter die Lupe zu nehmen. Da hilft es nicht, wenn der Minister für Inneres und Europa des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Lorenz Caffier die Polizei im Ganzen in Schutz nimmt und sagt:
Das ist nicht die Landespolizei.
Das hatte aber auch bisher niemand behauptet. Nicht alle Cops sind Bastarde. Aber dass es überhaupt solche Menschen in den Polizeidienst schaffen oder sich im Laufe der Jahre in eine solche Umgebung von Wahnsinnigen begeben, die meinen, das Recht selbst in die Hand nehmen zu müssen, darf nicht weg geleugnet werden. Da muss etwas passieren. Und zwar jetzt!
Wenn Caffier eine „strukturelle und personelle“ Überprüfung der Diensteinheit ankündigt, „um jeglichen Anschein und Unterstellungen einer Verstrickung auszuräumen“, dann ist das schon mal ein Anfang. Allerdings darf es nicht bei dieser Diensteinheit bleiben. Die gesamte Polizei gehört auf den Prüfstand, einschließlich der Bewerberauswahl. Ich habe in Mecklenburg-Vorpommern Polizisten als Zeugen erlebt, denen möchte ich nicht im Dunkeln begegnen.
Keine Angst?
Die Polizei übt eine sehr wichtige Aufgabe in unserem Staat aus. Sie darf im ihr gesetzlich vorgegebenen Rahmen Gewalt ausüben, ja sie muss das sogar tun. Aber der Bürger muss bei jedem Polizeibeamten sicher sein können, dass er nicht einen Reichsbürger, Identitären oder Neonazi in Uniform vor sich hat.
Es gab einigen Widerspruch als ich die immer weiter ausufernden Einschränkungen der Freiheit durch zunehmende staatliche Überwachungsmöglichkeiten scharf kritisiert habe. Aber genau an diesem Punkt wird die Monstrosität des Überwachungsstaats sichtbar. Es ist nicht jeder Polizeibeamte ein Staatsdiener, manch einer ist auch ein Staatsfeind. Und glauben Sie, dass jemand der Munition klaut und die an eine rechtsextreme Gruppe weitergibt, irgendwelche Hemmungen hätte, auch Informationen aus dem Polizeicomputer an seine Gesinnungsgenossen weiter zu geben? Wie soll da auch nur eine Razzia funktionieren, wenn der Kamerad in Uniform vorher Bescheid gibt? Glauben Sie, die „Ermittlungspannen“ bei den NSU-Morden seien alles nur bedauerliche Zufälle? Bei allem naiven Glauben an das Gute in der Polizei – und ich sage noch einmal, dass das deutlich überwiegt – ich glaube das nicht. Wenn es den verantwortlichen Innenministern nicht umgehend gelingt, die Polizei von rechtsstaatsfeindlichen Elementen zu befreien, dann wird es schwer sein, in der Bevölkerung noch ein Vertrauen in die Polizei aufrecht zu erhalten. Ich möchte nicht Angst haben, ausgerechnet von einem Polizisten erschossen zu werden, wenn ich auf so einer Liste stehe (wovon ich leider ausgehen muss).
Das wäre ein schönes Thema für die Innenministerkonferenz gewesen, statt darüber zu philosophieren, wie man die Bürger noch etwas besser bespitzeln könnte. Aber wer weiß, vielleicht klappt das ja beim nächsten Mal. Falls bis dahin nicht wieder alles unter den Teppich gekehrt wurde.