Was kommt nach dem Klimawandel?
Es ist unwahrscheinlich, dass die Menschheit noch schnell genug zu einem Umdenken kommt, um den Klimawandel zu stoppen. Wir sollten anfangen, über die Zeit danach nachzudenken.
Gesetzt den Fall, dass die Berechnungen der Klimaforscher zum globalen Klimawandel ungefähr richtig sind, spricht eigentlich nichts dafür, dass dieser Wandel, der sich zur Klimakatastrophe auswachsen dürfte, noch aufzuhalten ist. Ein Umdenken und vor allem eine globale Veränderung im Handeln bei der Erzeugung von Treibhausgasen ist nicht in Sicht. Zeit, sich einmal über die Folgen des Geschehens nicht nur abstrakt, sondern etwas genauer Gedanken zu machen.
Natürlich kann man heute nicht konkret vorhersagen, wie sich das Klima genau in einer bestimmten Region ändern wird. Aber das ist auch gar nicht notwendig. Klar ist: Sowohl unsere technische Infrastruktur als auch die Landwirtschaft sind davon abhängig, dass Wetterereignisse, die heute als Extreme angesehen werden, nur selten und räumlich begrenzt auftreten. Zugleich sind unsere Versorgungssysteme überregional und global so vernetzt, dass extreme Veränderungen in dem, was als normal gilt, auch in weit entfernten Gebieten gravierende Auswirkungen haben. Wenn etwa in Italien keine Äpfel mehr wachsen und in Spanien nicht mehr erfolgreich Obst angebaut werden kann, haben wir in Deutschland ein Versorgungsproblem. Wenn Strommasten in verschiedenen Teilen Europas unter Schneelast oder in Stürmen umknicken, oder wenn Stauseen für Wasserkraftwerke zu wenig Wasser speichern ist die Stromversorgung in ganz Europa gefährdet. Wenn Extremwetterereignisse Straßen, Schienen und Flughäfen blockieren, bricht schnell die gesamte Grundstruktur unserer Gesellschaft zusammen.
Da ist kein Klima mehr
Kritisch ist die Zeit, welche vermutlich ein paar Jahrzehnte andauern wird, in der es gar kein Klima mehr gibt: Kein „normaler Wetterverlauf“ mit einer gewissen Bandbreite des Erwartbaren, auf den wir uns einstellen können und der nur hin und wieder hier und da von extremen Ausnahmen gestört wird. Eine Zeit, in der die unerwartbaren Ausnahmen zur Normalität werden, allerdings ohne dass jemand weiß, welches Extrem als nächstes kommt. In dieser Zeit werden die Menschen nicht planen können. Man weiß nicht, welche Getreide- und Gemüsesorten wachsen werden und welche von Trockenheit oder Starkregen vernichtet werden. Man weiß nicht, ob im Sommer die Hitze alles verbrennt oder ob im Winter die Schneemassen das Leben zum Erliegen bringen. Nach und nach wird in so einer Welt sowohl die überregionale als auch die regionale Infrastruktur zum Erliegen kommen. Wir können annehmen, dass alles, was wir derzeit täglich tun, gefährdet ist oder nicht mehr funktioniert, entweder, weil die Verkehrs- und Energienetze, die alles ermöglichen, ständig gestört sind, oder weil sie in der täglichen Sorge, wie das Leben weitergeht, nicht mehr wichtig sind.
Mit dem Zusammenbruch der Infrastrukturen bricht allerdings auch der Einfluss des Menschen auf den Klimawandel zusammen. Wir fahren keine Autos mehr, weil es keinen Treibstoff mehr gibt, wir verschwenden keinen Strom mehr, weil die Energieversorgung zusammenbricht. Mit dem Reparieren werden wir nicht so schnell nachkommen, wie neue Extremereignisse wieder alles zerstören.
Ein neuer Himmel und eine neue Erde
Nach ein paar Jahrzehnten wird also ein neues Klima entstehen, eine neue Normalität, auf die die Menschen sich einstellen können. Wird es dann noch Menschen geben? Werden Menschen das Chaos überstanden haben? Sicherlich. Wir müssen hier nicht spekulieren, wie viele Menschen die neue Normalität erleben werden und wo sie leben werden. Es gibt heute mehr als sieben Milliarden Menschen, sie leben an den verschiedensten Orten der Erde. In der Zeit der chaotischen Klimalosigkeit werden manche an den Orten bleiben, an denen sie immer gelebt haben, andere werden sich auf Wanderschaft begeben. Manche werden scheitern, andere werden mit Glück und Verstand überleben.
Die Erde hat heute eine Vielzahl klimatischer Regionen und Ökosysteme. Das wird auch nach dem großen Klimawandel so sein. Hier und da werden Menschen sich angesiedelt haben, die Nischen zum Überleben gefunden haben werden. Sie werden einen Neuanfang machen.
Womöglich wird es Konflikte und Kriege um Ressourcen geben, wahrscheinlich werden defekte Infrastrukturen Tiere, Pflanzen und Menschen in einigen Regionen vergiften und neue Krankheiten hervorrufen.
Aber es ist anzunehmen, dass die Vielfalt der Bedingungen auf der Erde ebenso groß sein wird, wie sie heute ist. Dazu kommt, dass viele große wichtige Kräfte des Erd-Ökosystems vom Klimawandel unbeeindruckt bleiben: Die Erde wird weiter rotieren, die Verteilung der Landmassen bleibt unverändert. Wasser und Luft werden nicht verschwinden (auch wenn sich die Zusammensetzung der Luft womöglich ändern wird). Die Erde wird den Menschen neue Plätze zum Leben ermöglichen.
Wenn wir die Klimakatastrophe nicht stoppen können, müssen wir uns auf so eine Zeit vorbereiten. Was kann man tun? Ein paar Basis-Fähigkeiten zu haben, wird nicht schaden, um in einer Welt ohne hoch-technisierte Infrastrukturen auszukommen. Dazu gehören nicht nur handwerkliches Können und körperliche Fähigkeiten. Vielleicht sollten wir auch beginnen, Geschichten und Gedichte zu lernen, damit wir in Zeiten ohne Medien etwas haben, was wir einander erzählen können – denn wer will schon Bücherstapel zum Vorlesen durch die Berge und Täler schleppen, wenn er auf Wanderschaft ist?
Zudem könnten wir anfangen, darüber nachzudenken, was wir nach dem Neuanfang anders machen wollen, damit wir nicht schnurstracks in die nächste Katastrophe laufen.