Islamischer Feiertag: Warum nicht?
Bei einem Dutzend gesetzlicher Feiertage, die auf christlicher Tradition gründen, wird es Zeit, ebenfalls den Muslimen einen entsprechenden Tag zuzugestehen, meint Kolumnist Henning Hirsch
Der Islam gehört zu Deutschland
(c) Christian WulffDer Islam gehört nicht zu Deutschland
(c) Horst SeehoferDer Islam ist Teil Deutschlands und Europas
(c) Wolfgang SchäubleDie Muslime, die hier leben, gehören zu Deutschland
(c) Joachim Gauck
Sie sind verwirrt?
Ich auch.
Islam ist zweitstärkste Religionsgemeinschaft
Fest steht: In Deutschland leben aktuell knapp 5 Millionen Muslime. Tendenz steigend. Diese verteilen sich auf Sunniten (75%), Aleviten (13%), Schiiten (7%), andere (5%). Setzt man die 5 Millionen in Relation zur Gesamtbevölkerung, dann machen die Muslime 6 Prozent aus. Ins Verhältnis zu den Kirchgängern (also die Konfessionslosen subtrahiert) gebracht, steigt der prozentuale Anteil sogar auf 10. Wir kennen in Deutschland rund ein Dutzend gesetzliche Feiertage, die auf christlicher Tradition gründen. Dem gegenüber stehen Null Festtage für die Korangläubigen. Das ist schon ein ins Auge springendes Missverhältnis.
Warum ist das so, bzw. weshalb tun wir uns so schwer damit, anderen Religionen ein gewisses Maß an Gleichberechtigung zu gewähren? Begonnen hatte die Sache mit dem Islam im Jahre 1731, als Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I seinen muslimischen Infanteristen gestattete, einen Gebetsraum in Potsdam einzurichten. In der zweiten Hälfte des 18ten Jahrhunderts siedelten bereits einige hundert Familien tatarischer Herkunft innerhalb der preußischen Grenzen. Die Männer verdienten ihre Brötchen als Lanzenreiter im Heer und wurden dort sehr geschätzt. 1866 erfolgte in Berlin die Grundsteinlegung für den ersten türkischen Friedhof auf deutschem Boden. Richtig Fahrt nahm der Zuzug im Anschluss an das im Herbst 1961 mit Ankara ratifizierte Anwerbeabkommen auf. Die Zahl der Türken in Deutschland, die 1960 bei 1500 lag, stieg binnen weniger Jahre auf eine Million Menschen an. Ursprünglich als reine Arbeitsmigranten mit temporär begrenztem Aufenthaltsstatus gedacht, blieben die Männer länger als geplant, holten ihre Frauen nach, gründeten Familien im fremden Land.
Wir riefen Arbeitskräfte, und es kamen Menschen,
meinte deshalb richtigerweise Max Frisch im Jahr 1965.
Bürger zweiter Klasse?
Was tun wir seitdem für unsere muslimischen Mitbürger? Hand aufs Herz: Wenig bis gar nichts. Am liebsten ist es uns, wenn sie in Schnellimbissen, Änderungsschneidereien, Putzkolonnen und auf dem Bau arbeiten, in abgetrennten Stadtvierteln leben, ihren Glauben im Verborgenen praktizieren und ansonsten möglichst nicht auffallen. Wir mögen es nicht, wenn sie in die für die Mehrheitsgesellschaft reservierten akademischen Berufe aufsteigen, und wir mögen es schon gar nicht, wenn sie sich traditionell kleiden. Nicht so einfach für Menschen aus dem türkischen und arabischen Sprachraum bei uns. Integration ist halt nach wie vor ein Fremdwort für viele Deutsche und ein von den Politikern stiefmütterlich behandeltes Aufgabenfeld.
Im Rahmen des niedersächsischen Landtagswahlkampfs äußerte der damalige Bundesinnenminister Thomas de Maiziere auf einer Veranstaltung in Wolfenbüttel im Oktober 2017 plötzlich einen klugen Gedanken:
Ich bin bereit, darüber zu reden, ob wir auch mal einen muslimischen Feiertag einführen.
Zwar begrenzt auf Regionen mit hohem muslimischen Bevölkerungsanteil. Aber wollen wir hier nicht kleinlich sein. Ein guter Anfang wäre das.
Der Satz war noch nicht ganz zu Ende gesprochen, da erklangen bereits die Dementis aus konservativen Unionskreisen:
Feiertage haben in Deutschland eine lange Tradition; für eine Änderung dieser gewachsenen Strukturen sehe ich keinen Bedarf.
(c) Bernd Althusmann (damaliger CDU-Spitzenkandidat in Niedersachsen)Islam-Feiertage in Deutschland einzuführen, kommt für uns nicht in Frage.
(c) Alexander Dobrindt
Und irgendwie war das Thema, gerade erst lauwarm serviert, damit binnen Tagesfrist schon wieder vom Tisch gewischt. De Maiziere ruderte zurück, er sei falsch verstanden worden, und kein Finger rührte sich mehr in der vom Wahlkampf erschöpften und von Flüchtlingsängsten geplagten Republik für dieses sinnvolle Anliegen.
Ein solcher Feiertag kann integrationsfördernd wirken … Er würde deutlich machen, dass Muslime Teil der Gesellschaft sind und es Verständnis untereinander für ein gutes und friedliches Zusammenleben gibt,
meldete sich zwar noch Aiman Mazyek (Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland) zu Wort. Aber niemand schien das hören zu wollen.
Tag der Arbeitsruhe und seelischen Erhebung
Schlagen wir interessehalber mal nach, was der Gesetzgeber zum Sinn der Feiertage sagt:
Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt. (Art. 139 WRV, übernommen in 140 GG)
Gesetzlicher Schutz für Arbeitsruhe und seelische Erhebung also einzig für Christen? Und die fünf Millionen Muslime gehen völlig leer aus? Das hört sich für mich nach (starker) Ungleichbehandlung der Religionen an. Wer Integration befürwortet, der muss auch dem Glauben des Zugezogenen Respekt zollen. Und dieser Respekt drückt sich u.a. darin aus, dass ich ihm einen gesetzlich fixierten Festtag zugestehe. Welcher Tag das nun genau sein soll – anbieten tun sich bspw. Zucker- oder Opferfest – und wie man die unterschiedlichen Berechnungsschablonen der Sunniten, Schiiten, Aleviten dafür auf einen gemeinsamen Nenner bringt: Darüber sollen sich Experten und Muslimverbände Gedanken machen. Bei etwas gutem Willen wird das schon gelingen.
„Ist Ihnen eigentlich klar, was ein zusätzlicher Feiertag die Wirtschaft kostet?“, fragen Sie mich. Ehrlich gesagt: Keine Ahnung. Falls das aber ne teure Nummer sein sollte, wäre ich persönlich gerne bereit, im Gegenzug auf einen christlichen Festtag zu verzichten. Z.B. den Pfingstmontag. Wird, außer im deutschsprachigen Raum und einem halben Dutzend weiterer Länder, nirgendwo gesetzlich vorgeschrieben und ist m.E. entbehrlich.
„Da kann ja jeder kommen und für sich irgendwas fordern. Was ist mit Juden, Buddhisten, Hindus und Jesiden?“, lassen Sie nicht locker? Die sind, nummerisch gesehen, alle sehr kleindimensionierte Gruppen. Keine davon überschreitet die Kopfstärke 300.000 in Deutschland. Und einer Inflation der Feiertage mochte ich hier keinesfalls das Wort reden. Wobei ich mich mit Jom Kippur durchaus anfreunden könnte. Dafür streichen wir dann Allerheiligen, damit das BIP nicht über Gebühr strapaziert wird.
„Nicht Ihr Ernst?!“, rufen Sie?
„Doch!“, antworte ich.
Denn entweder verabschieden wir uns als aufgeklärte Nation von sämtlichem religiösen Brauchtum und begnügen uns in Zukunft mit dem Tag der Deutschen Einheit, oder wir verteilen die Feiertage halbwegs gerecht auf die bei uns praktizierenden Glaubensgemeinschaften. Bei fünf Millionen Muslimen kann es nicht angehen, dass wir weder den Hintergrund von deren Festtagen kennen, noch ihnen einen einzigen zugestehen wollen. Umsetzen ließe sich das Ganze schnell, und es wäre ein deutliches Signal in Richtung ehrlich gemeinter Integration.